Donnerstag, 15. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Vorstufen des Lebens – Teil 2/6

Schaut man sich die Welt an und untersucht sie bis in ihre kleinsten Teilchen, folgt man einer Linie zurück in die Vergangenheit, dann sieht man, dass sich die Welt vom Einfachen zum Komplexen entwickelt hat. Im unendlich Kleinen verliert sich jeder Stoff in dem, was TdC den „Weltstoff“ genannt hat, dieser ist allem Anschein nach reine Energie. Jedoch haben wir niemals Energie in ihrer Reinform beobachtete, sondern immer nur in bestimmten Erscheinungsformen, wie sie uns entgegen treten. Die Materie hat nun drei Seiten, oder Kennzeichen: 1.) die Vielheit (Geteiltheit), 2.) die Einheitlichkeit und 3.) die Energie. Beobachtet man Teilchen auf einer fundamentalen Ebene, dann fällt einem auf, wie sehr sie sich gleichen, wie sehr sie einen gleichen Aufbau haben. Im Großen hingegen und vor allem so, wie uns die Welt in die Sinne fällt, erscheint sie sehr vielheitlich und von einander getrennt. Die Energie ist die Bindungskraft der Teilchen, aber auch konstituierender Wert. Die Energie ist die Grundform des Weltstoffs.

Eine interessantere Feststellung, die wir machen mussten, war, dass jedes Teilchen und sei es noch so klein auf das gesamte Universum ausstrahlt, auch wenn die Wirkung mit der Entfernung abnimmt, so strahlt doch alles in alle Richtungen bis ins Unendliche hinein aus. Das Volumen jedes Teilchens ist das gesamte Universum selbst. Das Atom ist das infinitesimale Zentrum der Welt selbst.

Es ist auch so, dass es einen Zusammenhalt der Dinge von „unten her“ gibt. Dies veranlasste viele Evolutionsforscher zu der Annahme, die Materie würde sich von selbst organisieren und durch Mutation und Selektion (zumindest im Bereich der Biologie) fortschreiten, eine „höhere Intelligenz“ schien nicht notwendig. Eine vollständige Betrachtung der Entwicklung des Universums zeigt aber, dass die Organisation letztendlich von „oben her“ kommt. Die Physik hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr diesen „Geist“ hinter der Materie in der eine oder anderen Form akzeptiert. Doch die Biologie steht noch dort, wo die Physik etwa vor hundert Jahren stand. Sie braucht Gott noch nicht, doch wenn sie tiefer eindringt, wird auch sie zu einer höheren Reife gelangen müssen. Heisenberg sagte, dass der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft einen atheistisch mache, doch wer bis zum Grunde des Bechers vorgedrungen sei, der erkennt das Göttliche. Das Universum setzt sich von unten her zusammen, doch von oben her bekommt es seine höhere Ordnung.

Die Ordnung des Universums zeigt sich nur in seiner Gesamtheit. Man muss das Universum als „einheitlichen Block“ betrachten, um es, so gut es uns möglich ist, zu erfassen. Auch wenn sich alle Elemente auf einen Urtyp zurückführen lassen, so gibt es aber auch ein Gesetz der „zunehmenden Verflechtung“. Je länger ein Prozess andauert, desto komplexer wird er. Nach TdC zeichnet sich das „Werden“ der Materie durch zwei Charakterzüge aus: 1.) Eine kritische Phase der Granulation, die die konstituierenden Faktoren, vielleicht sogar das Atom selbst entstehen lässt und 2.) Fortsetzung in additiver Form mit wachsender Komplexität, zumindest aber der Stufe der Moleküle. Diese Prozesse finden aber nicht überall im Raum statt, sondern nur auf Sternen und Planeten, sie sind die „Wohnungen“ des Lebens.

Jede Synthese verbraucht Energie. Jeder Fortschritt, jede Komplexität braucht Arbeit und Kraft. Neue Energie kann nicht als Kapital von außen zugeführt werden (in Bezug auf das gesamte Universum gesehen) deshalb kann nach den Gesetzen der Thermodynamik das Universum auch nicht unendlich wachsen und es kann sich auch nicht unendlich „einrollen“, sprich komplexer werden. Es strebt notwendigerweise einem Ende zu. Das ist die Sicht der Welt, wie sie von außen her sich ergibt.

Gibt es aber eine „Innenseite“ der Materie. Spätestens ab der Stufe der Pflanzen zwingt sich einem diese Ansicht auf. Unzweifelhaft aber ist dies beim Phänomen Mensch. Die Komplexität hat einen derart hohen Stand erreicht, dass man beim Menschen von „Bewusstsein“ sprechen kann. Inwieweit dies auch bei niedereren Lebewesen wie Tiere und Pflanzen der Fall ist, hängt wahrscheinlich vor allem davon ab, ab welcher Komplexität man von „Bewusstsein“ sprechen möchte. Diese Innenseite, das Bewusstsein, strahlt aber auch nach außen hin ab. So bleibt es kein rein inneres Phänomen, sondern breitet sich im Raum aus, wie es Wellen tun, etwa elektromagnetische Wellen. Die Spontaneität des Menschen lässt sich ohne ein „Inneres“ nicht erklären.

Unzweifelhaft hat sich über den Planeten, der ursprünglich unbelebt war, durch die Verdichtung zum Leben hin eine neue Schicht über die Geosphäre gelegt. Es ist dies die Schicht der Pflanzen und der Tiere, an deren Spitze noch der Mensch (zumindest in seiner Frühphase) stand, die Biosphäre. Darüber aber hat sich durch das Bewusstsein eine Schicht des Denkens gelegt, deren Träger der Mensch geworden ist. Dieses Denken hat sich so weit weiter entwickelt, dass allmählich eine neue Schicht, eine Schicht des Bewusstseins, entstanden ist, die TdC als „Noosphäre“ bezeichnet. Die „unsichtbare“ Schicht, die sich über der gesamten Erdkugel ausgebreitet hat und dabei ist sich durch uns Menschen ständig weiter zu entwickeln und zu größerer Komplexität zu verdichten, ist die „menschlichste“ aller Schichten, sie ist die Evolution, die ihre Spitze, ihre „Krone“ in uns erreicht hat. (Ich glaube, dass das Internet mit all seinen Inhalten uns ein gutes Beispiel dafür gibt, wie diese Schicht zurzeit aussieht).

Je komplexer ein Lebewesen ist, desto besser ist sein inneres Gerüst (Bewusstsein). Die Evolution wird aller Wahrscheinlichkeit nach von nun an hauptsächlich über den Menschen laufen. Was wir „künstlich“ nennen, ist nichts anderes, als die „Vermenschlichung“ der Natur. So gesehen ist sogar ein Mikrochip in einem Computer etwas Natürliches. Vor allem aber wird die Evolution sich darin äußern, dass es zu einer „Vergeistigung der Welt“ kommen wird. Am Anfang, im Bereich der unbelebten Materie, gehorchen die Teilchen größtenteils den mathematischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen, je höher ein Lebewesen jedoch aufsteigt, desto mehr regiert die Spontaneität. Vorsicht ist aber dort geboten, wo im Überschwang schon von einer „neuen Menschheit“ oder dergleichen gesprochen wird, denn wir können uns nicht von der Vergangenheit trennen und wir haben immer noch einen materiellen Körper. Denken ist nicht möglich, wenn man hungert und nichts zu essen hat! Das müssen sich gerade die Phantasten und „New-Age-Leute“ hinter die Ohren schreiben.

Die Annahme von TdC ist nun, dass im Grunde jede Energie psychischer Natur sei. Diese Energie teilt sich in zwei Komponenten: 1.) die tangentiale Energie: Das ist jene Energie, die die Teilchen solidarisch macht, die derselben Ordnung angehören. Die Organisation der Teilchen untereinander und deren „Zusammenarbeit“. 2.) die radiale Energie: Diese Energie sorgt dafür, dass sich die Teilchen in Richtung komplexerer Zustände bewegen. Der Endpunkt dieser Entwicklung sei der Punkt Omega, das Endziel des gesamten Universums. Die tangentiale Energie ist die Liebe, die Anziehung, die Teilchen, zumindest derselben Ordnung, aufeinander ausüben. Die radiale Energie ist die Energie, die einen voranschreiten lässt zum Punkt Omega, zu Gott. Das sind auch die beiden höchsten und wichtigsten Gebote des Christentums! Nach Jesus leitet sich das gesamte Gesetz und die Propheten aus diesen beiden Geboten ab: Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Wissenschaftlich verstanden könnte man darunter verstehen, einerseits die Verbindung und fruchtbare Kooperation mit den Mitmenschen (Nächstenliebe) und das Streben nach dem Endpunkt (Gott). Die Achse, entlang der sich die Entwicklung der Evolution vollzieht ist Jesus Christus. Das entspräche auch seiner Aussage: „Ich bin die Wahrheit, der Weg und das Leben, niemand kommt zum Vater als durch mich“ (Johannes. 14,6). Die radiale Energie ist eine Funktion der tangentialen Energie, im Kern aber sind beide eins. Durch die Liebe zum Nächsten und zur Schöpfung werden die Beziehungen und das Bewusstsein des einzelnen und der Gruppe komplexer und wir kommen dadurch Gott stetig näher. Je näher wir an der Achse (Christus) leben, desto mehr sind wir im Einklang mit der Entwicklung des Universums (manche würden sagen „mit dem Strom schwimmen“).

Damit aber alles einem Endpunkt zustreben kann, muss dieser Endpunkt Omega bereits in der Welt selbst wirksam sein und zwar muss er zumindest im kleinsten Quäntchen von Anfang an in jedem Urteilchen vorhanden gewesen sein. So heißt es auch in der Genesis „Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser (der Urflut)“. Ohne ein solches Wirken von Omega in der Welt, wäre es unmöglich eine Gewissheit über die „richtige“ Entwicklung zu haben. Ja wir wüssten nie mit Bestimmtheit, was richtig und falsch und folglich auch nicht was gut und böse ist. In der Relativität findet sich doch die Absolutheit in ihrem Herzen. So spürt auch jeder Mensch in sich, dass es Gut und Böse gibt. Doch was nun Gut und Böse in Bezug auf das Verhalten des Menschen konkret bedeutet, darüber scheiden sich die Geister.

Wir müssen die Vorstellung aufgeben, Gott und Mensch seien voneinander getrennt. Gott wirkt in jedem Teil des Universums, in jedem Lebewesen und am meisten im Menschen selbst. Doch dürfen wir hier nicht in eine primitive Form des Pantheismus verfallen und der Illusion unterliegen die Dinge seine selbst göttlich. Das sind sie nicht. Omega ist der letzte Punkt einer Reihe und liegt doch außerhalb dieser Reihe. Gott ist im Universum selbst und ist doch außerhalb davon. Vom Verstehen dieses Paradox wird auch abhängen, inwiefern die Menschen unserer Zeit Gott in ihre Geistesleben einzubauen vermögen. Je komplexer ein Lebewesen wird, desto mehr bekommt sie auch eine höhere Ordnung. Wir spüren alle den großen Druck, der auf der Welt und insbesondere auf der Menschheit lastet und der uns dazu treibt und mehr zu „verinnerlichen“, komplexere Geistesstrukturen zu schaffen, aber nicht, wie manche fälschlicherweise meinen, durch eine Isolation des Individuums und eigener Nabelschau, sondern durch Konzentration auf die tangentiale Energie, das heißt die Nächstenliebe und damit das Bemühen eine „bessere Welt“ zu schaffen. Ich verwende diesen Begriff hier absichtlich, ganz egal wie abgegriffen er auch sein mag. Ohne eine solche Hoffnung hätten das Leben und die Menschheit letztlich keinen Sinn, wir müssten alle im Sumpf der Untätigkeit ertrinken, die einen schneller, die anderen langsamer.

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