Samstag, 17. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Das Leben – Teil 3/6

Der Übergang vom Unbelebten zum Belebten liegt immer noch weitgehend im Dunkeln. Experimentell haben Urey und Miller nachgewiesen, wie die ersten Aminosäuren aus unbelebter Materie entstehen könnten. Aminosäuren sind die Grundlagen des Lebens, der Mensch braucht zwanzig davon für sein Bestehen. Als Teilhard sein Buch „Der Mensch im Kosmos“ 1938 schrieb, wusste er davon noch nichts. Die Grenzen zwischen dem Leben und dem Unbelebten verschwinden im Dunkel der Frühzeit der Erdgeschichte, trotzdem würde kein Wissenschaftler diesen Übergang einfach mit dem Argument verwerfen, er sei zu fantastisch.

Das Leben wäre aber undenkbar, wenn es nicht von Anfang an, und zwar noch in der unbelebten Materie, einen Ansatz von „Psyche“ gegeben hätte. Das Leben trat plötzlich auf dem Planeten auf. Wahrscheinlich war es ein glücklicher Zufall, der sich nur ein einziges Mal und womöglich überhaupt nur auf der Erde und keinem anderen Planeten ereignete. Als die Möglichkeit für Leben sich in einer Sekunde der Evolution zeigte, scheint etwas „zugegriffen“ zu haben, um das Potenzial auch wirklich zu entfalten. Das eigentliche Leben beginnt mit der Zelle, sie ist der natürliche Kern des Lebens. Um die Zelle zu verstehen, muss sie aber auf einer Achse der Zeit zwischen Vergangenheit und Zukunft eingereiht werden. In Absteigender Richtung löst sich die Zelle in den Molekülen auf. Auf einfacher Ebene sind die Zellen beinahe Randgebiete der „Materie“. In ihrer Einfachheit und Symmetrie weisen sie auf ihre Verwandtschaft untereinander hin. Der „Sprung des Psychischen“ ist auf dieser einfachen Stufe schwer zu verstehen. Im Bereich der physikalisch-chemischen Prozesse ist sie nicht festzustellen, auch im Bereich der Biologie, zumindest bei den einfacheren Lebewesen, ist sie noch sehr zweifelhaft. Erst im Bereich dessen, was wir Denken nennen, zeigt sich eine Verinnerlichung, die wir als „Psyche“ bezeichnen. In ihrer vollendetsten Form sehen wir sie beim Menschen.

Interessant ist, dass dort, wo die ersten Zellen entstanden sind, sie sich sogleich auf der ganzen Erde ausgebreitet haben. Zwischen Körpergröße und Zahl der Lebewesen scheint es einen starken Zusammenhang zu geben. Je größer ein Lebewesen ist, desto geringer ist die Anzahl der Individuen. Das trifft zumindest grundsätzlich zu. Je höher ein Lebewesen sich entwickelt hat, desto weniger spielt die Wahrscheinlichkeit eine Rolle. Immer mehr tritt die Spontaneität in den Vordergrund. Auch wenn der moderne Mensch weit davon entfernt ist ein wahrhaft spontanes Leben zu führen, ist doch beim Homo Sapiens der spontane Einfluss stärker zu beobachten, als bei jeder anderen Spezies.

Die Verwandtschaft des Lebens zeigt sich vor allem auf der Ebene der Zellen aber auch bei den allgemeinen Entwicklungsgesetzen: Man beobachte dazu die Onto- und die Phylogenese. Alles weist darauf hin, dass die Entwicklung der Erde durch eine ganze Reihe von Krisen geht, die in neue Gleichgewichte übergeht, um eine Zeit später in die nächste „Wehe“ überzugehen und am Ende in einem Endzustand gipfelt, den TdC als Punkt Omega bezeichnet. Die Evolution ist so gesehen vom Urknall an bis zum Ende der Welt ein einziger großer Geburtsvorgang. Das Leben bildet sich heute nicht mehr aus dem Unbelebten heraus, weshalb wir es in der Natur auch nicht beobachten können. Es war wahrscheinlich wie wir gesehen haben ein einmaliger „Zufall“. Es sind die Kritiker, die diesen Punkt immer wieder aufgreifen. Es scheint einfach zu schwer zu akzeptieren zu sein, dass alles Leben auf der Erde einem großen „Zufall“ zuzuschreiben ist. Aber es ist die beste Erklärung, die wir zurzeit anzubieten haben. Alles andere hieße ein Rückfall in einfache Glaubensdogmen. Dies wäre aber nicht Wissenschaft, sondern Religion. So sehr beide auch ihre Existenzberechtigung haben, darf doch weder die Wissenschaft, noch die Religion ihre jeweiligen Methoden dem anderen aufzwingen.

Bei höheren Lebewesen setzte die sexuelle Vermehrung ein, während Zellen „ewig“ Leben, indem sie sich teilen und so eine identische Tochterzelle bilden. Durch die geschlechtliche Vermehrung wurde die Möglichkeit für ein einziges Wesen geschaffen sich sozusagen in „Myriaden von Keimen“ zu zerstäuben.

Orthogenese heißt planmäßige Komplikationen (zuerst bei den Molekülen bis hin zum Menschen). Sie sorgt für das Forschreiten des Lebens, ohne sie gäbe es keinen Aufstieg, sondern lediglich Ausbreitung des Lebens. Das Leben ginge nur „in die Breite“ aber nicht nach „vorne“ voran. Die Biosphäre legte sich als neue Schicht über den Erdball und verdichtete sich wie ein riesiges Geflecht, das vom All aus betrachtet wie ein großes Ganzes aussieht, mit all ihren Unterschieden. Die Oberfläche des Planeten ist von Leben bedeckt, ja das Leben ist gerade das Kennzeichen unserer Erde! Das „Vorantasten“ des Lebens läuft aber nicht mehr durch bloßen Zufall ab, wie im Bereich der unbelebten Materie, sondern ist viel mehr ein planmäßiger Prozess. Ab einem gewissen „Dichtegrad“ eines einzigen „Strahls“ eines Phylums, tendiert dieser dazu „gesellig“ zu werden uns sich mit anderen zu verbinden. Einer quantitativen Ausbreitung folgt eine „Verinnerlichung“, die zu einer neuen Qualität führt. Die Achse der Evolution, ging mit Ausbreitung des Lebens allmählich von der Geogenese in die Biogenese über. Erst ab dem Menschen wurde auch diese abgelöst durch das Denken. Die körperliche Evolution kann beim Menschen fast vollständig vernachlässig werden, die Weiterentwicklung läuft beinahe ausschließlich nur noch über das Denken und dessen Folge über das Bewusstsein weiter. So mag der Mensch von außen betrachtet zwar immer noch einem anderen Lebewesen nicht völlig unähnlich sein, doch in seinem Geiste ist er es mit Gewissheit.

Typisch für die Biosphäre ist ein „Kampf ums Dasein“, wie nicht erst Darwin feststellte. Doch zeigen neue Forschungen, dass der Mensch über nur schwache Triebe verfügt und kein Lebewesen so formbar ist wie er. Der Mensch ist vor allem durch „Sanftheit“ und „Freundlichkeit“ gekennzeichnet. Er ist eben alles andere als ein „höheres Tier“, sondern ein ganz neues Phylum, das zur Spitze der Entwicklungsachse wurde. So gesehen ist der Mensch, ohne falsche Scham, berechtigt sich als „Krone der Schöpfung“ zu bezeichnen. Der Mensch ist vor allem ein soziales Wesen. Handelt der Mensch „destruktiv“, so geschieht dies nicht, weil er etwas böse wäre, sondern, weil seine Grundbedürfnisse in Gefahr sind oder er dem Irrtum unterliegt, sie seinen es. Wir brauchen unbedingt den Glauben an den Menschen. Optimismus und Zukunftsglauben sind nicht naiv, sondern notwendig und äußerst vernünftig.

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