Donnerstag, 29. Juli 2010

Warum wir in einer Opfergesellschaft leben

Es gibt ein Phänomen in unserer Gesellschaft, dass Individuen, als auch ganze Gruppen, sehr häufig davon ausgehen, dass ihnen „etwas zustünde“. Dabei meine ich nicht berechtigten Ansprüchen, die sich aus Recht oder persönlichen Beziehungen ergeben, sondern die Vorstellung, dass die Welt einem etwas schulde. Im Englischen spricht man von „Entitlement-Society“. Jeder glaubt fordern zu können. Dabei wird aber vergessen, dass des einen Recht des anderen Pflicht ist. Und ist einem dies doch bewusst, so glaubt man trotzdem etwas haben zu dürfen. Ein Kampf um die Ressourcen setzt ein, der Gedanke des Mangels gebiert derartige Anschauung, die im schlimmsten Fall in richtigen Kriegen enden können. Ich selbst habe dies lange Zeit falsch verstanden und dachte, dass es in der menschlichen Natur eben einen natürlichen Trieb gäbe, der ihn veranlasste so viel als möglich zu haben und andere zur eigenen Befriedigung zu instrumentalisieren. Ich dachte, Gesetze sind vor allem dazu da, Chaos zu verhindern und die Menschen davor zu bewahren sich gegenseitig auszubeuten. Ich glaubte, mehr Moral würde das Problem lösen können. Wenn die Menschen nur „anständiger“ wären, dann wäre die Welt auch ein besserer Ort. Das ist eine traditionelle Ansicht und sie wird immer noch von einer großen Mehrheit der Menschen vertreten. Man traut dem Menschen selbst nicht recht und es scheint natürlich zu sein, dass auch der Schatten, das Böse, Teil des menschlichen Wesens sei. Kaum einer wird dem widersprechen. Man erkennt diese Ansicht leicht daran, dass Menschen Sätze mit „Heutzutage...“ beginnen und damit auf die Unmoral des Zeitgeistes anspielen wollen. Aber diese Menschen spielen Spiele, die darin bestehen, sich selbst als gerecht und die anderen als ungerecht darzustellen. Das zentrale Spiel trägt nach Eric Berne den Titel „Ist es nicht schrecklich?“ und wird vor allem auf gesellschaftlichen Zusammenkünften gespielt (z.B. Kaffeekränzchen).

Der Grund, warum ich diese Art von Spielen selbst lange Zeit nicht durchschauen konnte, liegt in meiner eigenen konservativen Erziehung. Ich bin der Erstgeborene und als solcher „Hüter der Tradition“ und ich fühlte mich bereits als Kind mehr zu der Wertschätzung der „Älteren“ hingezogen, als zur Vertretung meiner eigenen Generation. Dieser „Verrat“ war keinesfalls Teil meines eigenen Wesens, sondern der Rolle, die mir anerzogen wurde und die ich als solche nicht erkennen konnte. Kinder werden dazu erzogen die Defizite ihrer Eltern auszugleichen und „brav“ zu sein, anstatt authentisch. Der wahre „Verstoß aus dem Paradies“ hat nichts mit Adam und Eva zu tun. Es ist die Verbiegung der kindlichen Natur, bis es zu einem „funktionierenden“ Mitglied der Gesellschaft deformiert wurde.

Was Menschen tun und fühlen, hat sehr oft keinen Bezug zu der gegenwärtigen Situation und bei objektiver Betrachtung ist deshalb der Mensch nicht selten völlig irrational, ja geradezu dumm in seinem Verhalten. Mit dem „common sense“ kommt man hier nicht weiter. Man muss in die „private Logik“ (nach A. Adler) einsteigen, um zu verstehen, was in einem Menschen wirklich vor sich geht. Jeder Mensch handelt nämlich subjektiv logisch, zu jedem speziellen Augenblick, in dem eine Handlung vollzogen wird. Und ohne Hinwendung auf die Kindheit eines Menschen, ist dessen Verhalten nicht zu verstehen.

Dass Menschen sich so oft als Opfer fühlen, ist durchaus verständlich. Sie fühlen sich als Opfer anderer Menschen, der „Politik“, der „Wirtschaft“, der „Gesellschaft“, also meist ganz allgemein der „Umstände“. Solche Gebilde bilden eine wunderbare Projektionsfläche für die eigene Geisteshaltung und jeder kann darin eine Bestätigung für die eigenen Ansichten finden. Mit der Feststellung Opfer zu sein, haben die Menschen durchaus Recht. Allerdings irren sie in Bezug auf die Ursachen ihrer eigenen Misere. Die wahren Ursachen für das Gefühl Opfer zu sein, liegen in der Kindheit. Es hat nichts mit den gegenwärtigen Umständen zu tun, die nicht Ursache, sondern selbst Wirkung der Opferhaltung sind. Die wahre Ursache liegt in der Erziehung und dabei vor allem in der „schwarzen Pädagogik“, die Anwendung von Gewalt aller Art gegen Kinder. Damit ist nicht nur die körperliche Gewalt gemeint, sondern auch kaltes Verhalten gegenüber dem Kind. Gewalt besteht bereits in einen einfachen „Klaps“ auf den Hintern, nicht wegen des körperlichen Schmerzes, sondern wegen der Demütigung. Jede Liebe, die nicht bedingungslos gegeben wird, ist keine wahre Liebe, sondern ein Mittel der Manipulation.

Opfer fühlen sich mies, sie fühlen sich abhängig, ihnen fehlt etwas, sie sind betrogen worden. Durch die Selbstbezeichnung als Opfer wird jedoch dieser Zustand keinesfalls besser, sondern sie verharren noch mehr in ihrer Rolle und eine Änderung wird immer schwerer. Zudem haben Opfer das Gefühl im „Recht“ zu sein und nun ihrerseits austeilen zu dürfen, schließlich musste man selbst einstecken. Der „schwarze Peter“ wird weitergereicht, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht, meist ist dies nicht der Fall. Am stärksten tritt dies zutage, wenn man selbst Kinder hat. Egal wie sehr man sich auch geschworen haben mag, die eigenen Kinder nicht so zu erziehen, wie man selbst erzogen wurde, unbewusst wird man in ähnliche Muster verfallen. Das Kind in einem selbst, erkennt sich im eigenen Kind wider und erträgt es kaum, wenn dieses es „besser“ hat. Freilich bleibt gerade dies verborgen, so dass die meisten Menschen glauben mit Fug und Recht sagen zu können, sie würden ihre Kinder nicht missbrauchen.

Menschen kämpfen als Erwachsene vor allem deshalb um Ressourcen, weil sie ihre Kindheitsdefizite abzudecken suchen. Dabei sind Liebe und Respekt die beiden Dinge, an denen es auf der Welt am allermeisten mangelt. Und alles Streben nach Konsum, Titel, Ehrungen, Ansehen etc. ist die verzweifelte Suche des kleinen Kindes nach Liebe und Anerkennung. Wir haben uns ein Wirtschaftssystem aufgebaut, das vorgibt diese Mängel beseitigen zu können. Man kann also durchaus davon sprechen, dass ein Großteil unserer Welt einfach pervers ist, in beinahe allen Bereichen ist diese Perversion eingedrungen: Arbeit, Beziehungen, Konsum, Freizeit. Freud sprach bei Perversionen von „Gefühlsverlagerungen“. Damit trifft er den Nagel auf den Kopf: Man nimmt ein echtes Bedürfnis des Menschen, befriedigt es nicht, sondern lenkt es auf eine Ersatzbefriedigung, welche suchterzeugend ist, kurzweilig Befriedigung vorgaukelt und dann eine Leere zurück lässt, die dann zu einem umso größeren Mangelempfinden führt. Das ist der Kreislauf der Sucht, aber darunter fallen eine Vielzahl von menschlichen Verhaltensweisen (nicht bloß die traditionellen Süchte) und beinahe jeder Mensch ist irgendwo davon betroffen.

Zwei berühmte Beispiele von Menschen, die ihre Bedürfnisbefriedigung als Kind nicht erlangen konnten, sind Friedrich Nietzsche und Friedrich Schiller. Nietzsche verachtete, was er als Kind noch so sehr schätzte: die Wahrheit. Ebenso hasste er Frauen und deren Idol, Gott, sosehr, dass er diesen sogar für tot erklären musste. Nur die wahre Ursache seiner Leiden und auch seiner Geisteskrankheit, hat er nie herausgefunden, denn dieser Wahrheit durfte er sich nicht stellen: die brutale, herzlose Behandlung durch seine Mutter und seine Schwestern. Schiller war zeitlebens ein kranker Mann und starb auch recht früh. Er ist der große „Freiheitsdichter“ der deutschen Literatur. Der Kampf um die Freiheit war nicht nur der seiner Dramengestalten (Wilhelm Tell, Karl Mohr), sondern vor allem sein ganz persönliches Drama. Schiller durfte als Kind seinen Freiheitsdrang nicht ausleben, erhielt nicht die Liebe seiner Vaters, den er so sehr bewundert, und wurde in einer Kadettenschule brutal erzogen. Als „Die Räuber“ in Heilbronn uraufgeführt wurde, was das Stück ein Bombenerfolg. Viele Menschen konnten sich mit den Helden und deren Kampf um die Freiheit identifizieren. Einige Jahre später brach in Frankreich die Revolution aus und ihre Ideen überschwemmten ganz Europa. Zwar bekämpfte man das „Ancien Régime“, doch der wahre Kampf fand im Inneren statt. Niemand kam auf die Idee, dass die Kindheit und die Erziehung die Ursache für die Unfreiheit des Menschen bargen. Freud bemerkte zwar, dass seine Patienten als Kinder misshandelt wurden, wagte es jedoch nicht, die Erziehung anzugreifen, sondern blieb der alten Ansicht vom „Bösen“ im Menschen treu. Er wählte dafür jedoch die Bezeichnung „Triebe“. Erst im 20. Jahrhundert wagten Kinderpsychologen und –psychiater allmählich sich anzusehen, was wirklich hinter der Destruktivität, dem „Bösen“, steckt. Großartige Arbeit auf diesem Gebiet leistete, die im April verstorbenen, Alice Miller. Ihre Werke sollten von allen gelesen werden, die sich mit ihrer eigenen Kindheit und der Erziehung von Kindern im Allgemeinen befassen. Sie öffnen einem die Augen und man sieht, wenn man den Mut hat, Wahrheiten, die man selbst seit Jahren oder gar Jahrzehnten, vor sich selbst verborgen hat. Das Unbewusste musste schon für so vieles herhalten, wenn man menschliches Verhalten nicht erklären konnte, doch stehen die Chancen gut, dass wir diesen „dunklen“ Bereich mit immer mehr Licht erfüllen werden und eines Tages mag es uns vielleicht gelingen unseren Geist vollständig zu erleuchten und in keinen Illusionen mehr zu leben!

Alles, was dazu führt, dass ein Kind sich ungeliebt und nicht respektiert fühlt, und sei es nur für einen Augenblick, ist schädliche Pädagogik! Egal was geschieht ein Kind muss sich ununterbrochen geliebt und respektiert fühlen, völlig ungeachtet dessen, was es tut. Liebe und Respekt dürfen nicht als Mittel zur Erzeugung von Wohlverhalten verwendet werden. Der Mangel an Liebe ist der größte Feind der Freiheit. Für ein echtes Erleben von Freiheit ist es unbedingt notwendig den eigenen „Liebesspeicher“ gefüllt zu haben.

Es ist unbedingt notwendig, dass die Menschen die wahren Ursachen ihrer „Suche“ im Leben herausfinden. Es ist nicht „normal“ und „Teil der menschlichen Natur“ sich unbefriedigt zu fühlen. Im Grunde ist der Mensch von Natur aus so geschaffen, dass er nicht „aus sich selbst heraus fällt“. Dieses Herausfallen bewirkt eine Trennung, die lebenslang schmerzhaft empfunden wird, deren Ursprung in der eigenen Erziehung liegt. Dieser Zustand wird auch als „Sünde“ bezeichnet. Er ist aber der menschlichen Natur nicht an sich zu eigen, sondern wird künstlich bewirkt. Es ist Unsinn dem Menschen dies selbst zum Vorwurf zu machen und ihn „Buße“ tun zu lassen, damit erreicht man gar nichts, als Abhängigkeit von Ritualen und einem religiösen System. Nach dem Erkennen der Ursachen und der Umstände der eigenen Erziehung, kann der Mensch beginnen seine echten Gefühle zu fühlen und die Vergangenheit zu betrauern. So wird er auch in die Lage versetzt nicht mehr unbewusst zu handeln und zu tun, was seine Bedürfnisse auf eine taugliche Art befriedigt. Dann ist neurotisches Verhalten nicht mehr notwendig. Die „Perversionen“ finden ein Ende und der Drang wird in die gesunden Bahnen gelenkt. So erlangt der Mensch seine Freiheit zurück, vielleicht erlebt es sie so zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der dagegen spricht dies zu tun.

Dienstag, 27. Juli 2010

Die Angst vor der Freiheit

Erich Fromm schrieb einst, dass die größte Furcht des Menschen, jene vor der Freiheit sei. Und zwar gilt das völlig unabhängig davon, ob jemand für sich den Wert der Freiheit in Anspruch nimmt oder nicht. Es waren nicht selten gerade die großen „Freiheitshelden“, die sie nicht aushalten konnten, als sie sie errangen und ein neues Zwangsystem errichteten. Die ganze Menschheitsgeschichte ist voll von solchen Erfahrungen. Noch nie hat eine Revolution wirklich Freiheit gebracht. Wie auch? Die Angst vor der Freiheit lässt sich nicht durch politische Umstürze erreichen, sondern nur durch die Änderung des menschlichen Wesens selbst. Und hier ist die Kindheit die kritische Phase. „Gebt mir ein Kind bis zum sechsen Lebensjahr, dann könnt ihr es zurück haben.“, hieß es bei den Jesuiten. Bis dahin hat man das Kind ausreichend geprägt, um einen „erwünschten Charakter“ aus ihm zu machen. Wer die Gewalt über ein Kind in den ersten Lebensjahren hat, der besiegelt dessen Schicksal für sein ganzes Leben.

Alice Miller, die große „Kindheitsforscherin“, hat in über zehn Büchern darauf hingewiesen, wie Kinder „geformt“ werden, wie die „schwarze Pädagogik“ ganze Generationen von Menschen untauglich zu Kreativität und Natürlichkeit gemacht hat, wie „Dressur“ wichtiger war, als Glück und das wahre Wesen eines Menschen. Nur leider ist die schwarz Pädagogik noch lange nicht am Ende, im Gegenteil. Zwar hat sich die Gewalt im körperlichen Bereich reduziert, doch die psychische Gewalt gegen Kinder hat in erschreckendem Ausmaß zugenommen. Und das gilt nur für die Länder der westlichen Welt (es ist eine Schande, dass immer noch einige amerikanische Bundesstaaten körperliche Strafen in Schulen erlauben!). Betrachtet man die globale Situation, dann zeichnet sich ein noch weitaus düstereres Bild. Das Leben an sich wird an den meisten Orten der Welt nicht besonders hoch geschätzt und das Leben eines Kindes ist das Geringste von allen. Hier sehen wir deutlich die Perversion dieser Welt: Anstatt das Leben der Kinder als das höchste und wertvollste zu betrachten, wird es mit Füßen getreten. Kranke Seelen entstehen von Generation zu Generation und diese fatale Tradition findet niemals ein Ende, wenn nicht interveniert wird. Und diese Intervention kann nur von außen kommen, beginnend mit der Bewusstmachung des Übels. Die Menschen müssen einsehen, was mit ihnen geschehen ist, als sie Kinder waren und den Schmerz und die Demütigung spüren lernen.

Astrid Lindgren erzählte einmal eine Geschichte von einem Kind, das von seiner Mutter bestraft werden sollte. Es sollte in den Garten hinausgehen, um eine Rute oder einen Stecken zu holen, mit dem ihm der Hintern versohlt werden sollte. Doch das Kind konnte keinen finden, also nahm es einen Stein und gab ihn der Mutter. Das Kind übergab der Mutter den Stein und sagte, sie soll es damit schlagen. Da traten der Mutter die Tränen in die Augen, denn nun wurde ihr bewusst, was sie eigentlich tat. Erst jetzt begriff sie, dass sie dabei war das Kind zu quälen, ihm Schmerzen zu bereiten. So geht es vielen Eltern, die ihre Kinder so bestrafen, wie sie selbst als Kinder bestraft wurden: Ihnen ist nicht mehr klar, dass sie verletzen, sie glauben es sei ein gutes und notwendiges Verhalten. Erst wenn die Gefühle ausgedrückt werden dürfen, die als Kind nicht erlaubt war, dann kann man Heilung erfahren. Es gibt Menschen, die stolz darauf sind, dass sie es geschafft haben nicht zu weinen, als sie als Kinder bestraft wurden (das berühmteste Beispiel dafür ist Hitler). Wie sehr muss ein Kind verformt werden, dass es seine Leben und seine Gesundheit nicht mehr zu schützen versucht und seinen Schmerz nicht mehr ausdrücken möchte? Später kann diese Art von Gefühl gar nicht mehr empfunden werden und das führt nicht selten zu einem Überlegenheitsgefühl (Nietzsches „Übermensch“ lässt grüßen!).

Die schlimmsten Auswüchse sahen wir in den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts. Ohne autoritätshörige Erziehung, wären Menschen niemals in der Lage gewesen ihren Verstand auszuschalten und über andere Menschen herzufallen. Bildung nützt in dieser Angelegenheit nichts, denn gerade die Intellektuellen waren oft die fanatischsten Anhänger der Diktatoren. Intelligenz kann nur dann zur Befreiung führen, wenn sie mit Menschlichkeit, mit Werten gepaart wird und diese Werte dürfen nicht korrupt sein. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Alle Werte, die der Schöpfung und dem Leben dienen sind gut, alle Werte, die der Zerstörung und dem Tod dienen sind schlecht. Erst wenn Bildung der Befreiung dient und nicht der Aufrechterhaltung der Autorität, dann können wir einen Schritt vorwärts machen.

Nie hat die Gesellschaft das Böse in der Erziehung der Kinder gesucht. Es ist einfach nicht wahr, dass das Böse in der menschlichen Natur zu suchen ist. Und alle Systeme, die dies behaupten sollten von der Welt verschwinden und als das bloß gestellt werden was sie sind: Lügen! Die Ansicht, dass in der menschlichen Natur Böses sei, erschafft damit gerade das Böse, das angeblich immer bekämpft werden muss. Das trifft nicht nur auf politische Ideologien und Systeme zu, sondern auch auf dem Bereich der Religionen. Der Mensch hat das Potenzial böse zu handeln, das heißt aber nicht dass das Böse bereits manifest in ihm wäre. Denn der Mensch kann auch gut handeln. Es kommt darauf an, welche Samen im Geiste eines Menschen genährt werden, davon hängt alles ab!

Gerade auch im religiösen Bereich gibt es eine unglaubliche Angst vor der Freiheit. Manche glauben tatsächlich, sie lästerten Gott, wenn sie ihre Sinne und ihren Verstand gebrauchten und zu Ergebnissen kommen, die von einer der „Heiligen Schriften“ abweicht. Solche Menschen sind so autoritätshörig, dass sie lieber verrückt werden, als wirklich hin zu schauen. Zwei und zwei ist dann auf einmal nicht mehr vier, sondern sieben. Dieses Denken macht dumm und diese Dummheit wird dann auch noch geheiligt, als „Treue“ gegenüber der Gottheit. Hinter vernünftigen Gedanken steckt dann der Teufel, der „Herr der Welt“, Gerade was das Christentum betrifft, ist das ein Unsinn. Ich weiß wenig darüber zu sagen, wie es in anderen Religionen aussieht, aber das Christentum ist mir bekannt, weil ich selbst in einer christlich geprägten Kultur aufgewachsen bin und die Wege und Irrwege derselben untersucht habe. Das Christentum ist im Grunde keine dualistische Religion. Viel mehr hat es die Dichotomie von Gut und Böse überwunden. Die Ansicht es gäbe einen Kampf zwischen Gut und Böse geht nicht auf Jesus zurück, sondern kommt aus dem Manichäismus, der in der Antike sich vom Orient weit bis nach Europa hinein verbreitete und auch das Christentum teilweise unterwandert. Zu glauben der Teufel beherrsche die Welt, ist im Grunde blasphemisch. Gerade wer sich mit dem Christentum auskennt, muss zur Einsicht gelangen, dass das „Werk“ durch Jesus vollendet wurde. Die „Sünde“ der Welt wurde hinweg genommen und zwar nicht nur die „Sünden“, die vor Jesus begangen wurden, sondern ebenso jene, die bis in alle Ewigkeit je begangen werden werden!

Sünde kommt vom Wort „Sund“ und bedeutet Graben oder Trennung. Sünde ist kein Verbrechen, sondern das Nicht-Verbunden-Sein mit Gott. Ein fatales falsches Verständnis des Konzeptes der Erbsünde, hat unendlich viel Leid über den Menschen gebracht. Es zementiert die Ansicht, dass das Böse bereits von Anfang an im Menschen vorhanden sei, also so, wie wenn es bereits im Gencode enthalten wäre. In Wahrheit ist die Erbsünde genau, das was den Menschen von seiner wahren Natur (Gott) trennt, nämlich die korrupte Erziehung, die seit jeher jede menschliche Gesellschaft vergiftet hat. Niemals kann damit gemeint sein, das Kind sei von sich aus von seiner Natur getrennt. Das geschieht erst durch die Formung durch die Eltern und die Gesellschaft. Die Korruption, die vom ersten Lebenstag eines Neugeborenen in sein Leben eingreift, ist die wahre Erbsünde. (Es ist heute auch nicht mehr theologische Lehre zu glauben die Erbsünde alleine würde in die Hölle führen. Die Taufe nimmt die Erbsünde hinweg, doch das nicht-getaufte Kind, das stirbt ist nicht verdammt. Jedes Lebewesen hat seine eigene Chance von Gott bekommen, keines muss für die Sünden der Eltern büßen – Gott ist gerecht, das dürfen wir nicht vergessen!).

Vielleicht besteht für die Menschheit als ganzes wirklich keine Hoffnung darauf, jemals den Genuss der wahren Freiheit zu erleben. Doch für den einzelnen ist dies durchaus möglich, insbesondere in den westlichen Gesellschaften, die einem solchen Bestreben zwar nicht zugeneigt sind, aber trotzdem genug Spielraum bieten, dass der einzelne sein Potenzial finden und ausleben kann. Das sollte Ansporn genug sein, sich seine Kindheit anzuschauen. Der Preis, der zu bezahlen ist, ist gering im Verhältnis zum Lohn, ein wahrhaft selbst verwirklichendes Leben, ein Leben nicht im Haben, sondern im Sein führen zu können!

Sonntag, 25. Juli 2010

Wir sollen nicht merken (was in der Kindheit mit uns geschehen ist)!

Alice Miller, die Grande Dame der Erforschung der „Schwarzen Pädagogik“, hat Jahrzehnte daran gewirkt den Menschen die Augen für ihre Kindheit und deren Erfahrungen zu öffnen. Dafür, wie die frühkindlichen Erfahrungen das Leben beeinflussen und wie unsere ganze Gesellschaft seit jeher krank ist, ohne, dass dies allzu sehr aufgefallen wäre. Anstatt Stellung für das Kind zu beziehen, wurden und werden Erwachsene und das System geschützt, wird „Erziehung“ anstatt, Entfaltung und Förderung des Kindes propagiert.

Das Böse war seit jeher erschreckend und doch anziehend zugleich. Woher kommt es? Wie ist es entstanden? Viele Erklärungen wurden im Laufe der Jahrhunderte dafür gefunden, alle aber gipfelten darin, dass das Böse Teil der menschlichen Natur selbst sei. Im Christentum kennt man diese unter „Erbsünde“. Selbst heute noch scheinen die meisten darin überein zu stimmen, dass das Böse eben nicht vermeidbar sei, notwendig zum Menschen, wenn nicht gar zum ganzen Universum dazu gehörte und das beste, was man tun könne, lernen damit umzugehen sei. An eine „Abschaffung“ oder „Auflösung“ des Bösen zu glauben, halten die meisten für utopisch, ja für geradezu verrückt. Die alte Ansicht, das Böse sei mit der menschlichen Natur untrennbar verbunden, hat fatale Auswirkungen auf die Erziehung von Kindern, für das Menschenbild im Allgemeinen und mehr noch auf die Gesundheit der ganzen Spezies. Wenn das Böse nicht beseitigt werden kann, dann gibt es in Wahrheit keine Hoffnung auf eine „gute Welt“, zumindest im Diesseits nicht. Dann müssen die Hoffnungen auf ein Jenseits projiziert werden, wo eine höhere Macht dann das Böse besiegen würde und „alles wieder in Ordnung“ brächte. Diese Ansicht nimmt dem Menschen die Hoffnung und wird zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn wir weiterhin so denken, dann kann es eine „gute“ oder auch nur bessere Welt überhaupt nie geben – es ist ein hoffnungsloser Zustand und wer wollte seine Energie dafür verschwenden? Es bleibt zu hoffen, dass dieser Irrtum eingesehen wird und zukünftige Generationen zurecht nur den Kopf schütteln werden über die Barbarei ihrer Vorfahren und deren beschränkte Weltsicht, die aus Irrtümern geflochten war. Wo beginnen diese Irrtümer? In der Kindheit! Dort hat auch das Böse seinen Ursprung. Alice Miller hat es schon lange herausgefunden: Das Böse kommt nicht einfach in die Welt und es ist schon gar nicht angeboren. Es existiert nur deshalb, weil wir unsere Kinder wider ihre Natur formen, sie erziehen (wie ich das Wort „Erziehung“ hasse!) und so dass Böse als Ergebnis von Unterdrückung und Verwirrung, von Generation zu Generation weiter geben! Das Böse ist eine Möglichkeit für den Menschen, aber kein Zwang, er hat das Potenzial böse zu handeln, aber ebenso Gutes zu tun. Das Böse existiert nur deshalb, weil es in jeder neuen Generation herangezüchtet wird! Und das ganze größtenteils unbewusst, so dass Eltern allen Ernstes davon überzeugt sind, nur „das Beste“ für ihre Kinder zu wollen und zu tun. So herrscht eine völlig falsche Vorstellung von „Liebe“ vor. Was in unserer Gesellschaft als solches bezeichnet wird, ist reine Manipulation, Dressur, Korruption, eine „Habensliebe“ keine echte „Seinsliebe“!

Das Gemeine an der Erziehung ist, dass sie an einem unschuldigen Wesen vollzogen wird, das noch viel zu klein ist, um sich dagegen zu wehren und auch noch nicht das Bewusstsein entwickelt hat zu erkennen, was mit ihm geschieht. Ist das Kind einmal erzogen, sprich zu einem „artigen“ Kind geworden, dann erinnert es sich an nichts und es sieht so aus, als ob dies seiner Natur entspräche. Doch ist Erziehung in der Regel nichts anderes, als das Kind für die Welt und die Eltern gefügig und angepasst zu machen. Auch heute herrscht noch die Ansicht vor, dass ein Kind nicht von sich aus wohl geraten sein könne, man seinen Willen brechen müsse. Freilich drückt man es nicht mehr derart drastisch aus. In früheren Zeiten tat man dies offen. Doch noch immer ist man überzeugt, dass ein Kind Zurechtweisung bräuchte und dass der Wille und die Bedürfnisse der Erwachsenen in höherem Rang stünden, als der des Kindes. Kinder und alles Kindliche stehen nicht hoch im Kurs in der Gesellschaft. So ist es für einen Erwachsenen eine Beleidigung als „Kind“ oder „kindisch“ bezeichnet zu werden. Für ein Kind jedoch stellt es ein Lob dar, wenn es als „erwachsen“ oder „reif“ bezeichnet wird. Freilich hat sich die Gewalt heute von der vornehmlich körperlichen Eben auf die seelische Ebene verlagert. Und die Kinder leiden noch mehr darunter, als die Menschen schlechthin. Nie hat es eine Gesellschaft gegeben, die die Natürlichkeit, die Spontaneität wirklich schätzte. Ja es ist geradezu Aufgabe jeder Gemeinschaft, jedes Gesellschaftsvertragen, diese beim Individuum zu unterdrücken und es nach den allgemeinen Vorstellungen zu formen. Es heißt „lieb“ und „zivilisiert“ sein, „angepasst“ und nicht „authentisch“, „ehrlich“ und „man selbst“. Wenn eine Mutter sagt ihr Kind sei „es selbst“ oder etwas „entspräche seinem Wesen“, dann meint sie gewöhnlich, dass das Kind sich jetzt so verhält wie sie es erzogen hat, wie sie es für richtig hält. Dann ist es ein „braves“ Kind.

Alice Miller nannte die traditionelle Erziehung, die Gewalt (in physischer und psychischer Form) anwendet und auch heute noch die vorherrschende Art der Erziehung ist, „schwarze Pädagogik“. Hauptsächliches Ziel dieser Pädagogik ist es falsche Informationen weiterzugeben und eine kranke Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Eric Berne hat darauf hingewiesen, dass Erziehung im Wesentlichen darin besteht Kindern beizubringen, welche Spiele (sprich soziale Schwindel) sie im Leben spielen sollen. Das Kind lernt die Rollen, die es spielen soll, wie es denken soll, was es empfinden soll. Das alles führt zu einer Verwirrung, die das ganze Leben lang anhält. Solche fatalen Ketten von Generation zu Generation werden nur selten durchbrochen, entweder durch ein fundamentales Ereignis im Leben (z.B. Krieg, persönliche Katastrophe), oder am häufigsten durch Therapie oder, was der seltenste Fall ist, durch einen autonomen Entschluss des Individuum (das geht aber nur, wenn das Kind, als es noch autonom war, selbst diese Möglichkeit für sein späteres Leben vorgesehen hat). Die wahren Gefühle des Kindes dürfen nicht ausgedrückt werden, oder nur in dem Rahmen, wie die Eltern es gestatten. Jede Familie hat „erwünschte“ und „unerwünschte“ Gefühle und das Kind lernt sehr früh die einen auszudrücken und die anderen zu unterdrücken, bis dieses Verhalten ganz natürlich wirkt und es sich kein anderes Leben mehr vorstellen kann. So gibt es Familien in denen Freude ausgedrückt werden darf, aber keinen Hass (Hass ist ein ganz normales und gesundes menschliches Gefühl, Hass hat noch nie jemanden getötet und es sollte niemals unterbunden werden, weder beim Kind, noch beim Erwachsenen). Sehr häufig ist auch das Familiegebot, bei dem zwar Sex erlaubt, aber Liebe verboten ist.

Die schwarze Pädagogik zeichne sich aus durch (A. Miller in „Am Anfang war Erziehung“):
1.) Die Erwachsenen sind die Herren der abhängigen Kinder
2.) Sie alleine bestimmen was richtig und falsch ist
3.) Das Kind wird für die Wut der Erwachsenen verantwortlich gemacht
4.) Die Eltern müssen immer geschützt werden
5.) Die Lebendigkeit des Kindes bedeutet eine Gefahr für den autokratischen Erwachsenen
6.) Der Wille des Kindes muss so früh als möglich gebrochen werden.
7.) Das alles muss so früh geschehen, dass das Kind sich nicht mehr erinnern kann und die Erwachsenen nicht als Urheber ausfindig machen kann.

Falsche Informationen, die durch die schwarze Pädagogik weiter gegeben werden, sind (A. Miller in „Am Anfang war Erziehung“):
1.) Pflichtgefühl erzeugt Liebe
2.) Hass verschwindet, indem man ihn verbietet
3.) Eltern verdienen Respekt, einfach weil sie Eltern sind
4.) Kinder verdienen keinen Respekt, weil sie Kinder sind
5.) Gehorsam macht Kinder stark
6.) Hohes Selbstbewusstsein ist schädlich
7.) Niederes Selbstwertgefühl macht einen altruistisch
8.) Zärtlichkeit ist schädlich
9.) Auf die Bedürfnisse eines Kindes einzugehen ist falsch
10.) Härte und Kälte sind gut für die Vorbereitung auf das Leben
11.) Gespielte Dankbarkeit ist besser als ehrliche Undankbarkeit
12.) Wie du dich verhältst ist wichtiger, als wie du wirklich bist
13.) Weder die Eltern noch Gott würden überleben, wenn sie angegriffen werden
14.) Der Körper ist schmutzig und grauslich
15.) Starke Gefühle sind schädlich
16.) Eltern sind Kreaturen, die frei von Trieben und Schuld sind
17.) Die Eltern haben immer Recht

Die Schwierigkeiten, die Menschen in ihrem Leben plagen in der Kindheit zu suchen ist schon lange nichts Neues mehr. Doch dabei hat man immer die Eltern geschont. Die Verantwortung wurde mehr beim Kind selbst gesucht, bei seinen angeblichen „schlechten Anlagen“, der „wilden Natur“ und dergleichen. Alfred Adler vertrat noch das Konzept, dass Neurosen und Fehlleistungen aller Art am meisten auf die „Verzärtelung“ des Kindes zurückgingen. Das Verwöhnen von Kindern über die Maßen, sah er als Grundübel an. Dabei kann die Liebe zu einem Kind niemals groß genug sein, niemand kann zu viel Liebe bekommen und deshalb später einmal neurotisch werden, das ist völliger Unsinn. Was aber stimmt ist, dass hinter dem, was „Zärtlichkeit“ genannt wird eine subtile Form der Dominanz, der Herrschaftsausübung und Erziehung zur Unselbständigkeit stecken kann. Das ist aber alles Andere als Liebe. Nicht die Bedürfnisse des Kindes stehen im Vordergrund, sondern die der Eltern. Das Kind soll den Eltern etwas geben, anstatt etwas zu empfangen. Neurosen sind gerade bei Müttern, die selbst viel in ihrer Kindheit entbehren mussten, häufig. Einen fehlerhafte Muttertyp erkennt man als erdrückende Mutter oder als „Glucke“, die ihre „Küken“ unter ihrem Flügeln nicht groß und erwachsen werden lässt.

Dieser Artikel stelle einen ersten Einstieg in das große Thema Pädagogik, ihre Psychologie und Kinder dar, mit dem ich mich in nächster Zeit intensiver beschäftigen werde und hier auf dieser Seite darüber Bericht erstatten werde. Hier nur soviel: Wer glaubt eine „gute“ Kindheit gehabt zu haben, unterliegt damit aller Wahrscheinlichkeit nach einem Irrtum. Gerade dieses Thema sollte intensiv hinterfragt werden, ohne irgendjemanden zu schonen. Man erweist sich selbst und den Eltern keinen angenehmen Dienst wenn man dies tut. Aber mit Sicherheit werden die eigenen Kinder darunter leiden, wenn man eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seiner eigenen Kindheit scheut.

Samstag, 24. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Abschluss – Teil 6/6

Das Buch „Der Mensch im Kosmos“ wurde vor mehr als siebzig Jahren geschrieben und erst nach dem Tod Teilhard de Chardins veröffentlicht. Trotzdem hat sein Weltbild nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Wir wissen heute zwar weitaus mehr über die Welt der „kleinen Teilchen“, haben eine Fülle an prähistorischen Funden gemacht, die TdC noch unbekannt waren. Doch an der grundsätzlichen Richtigkeit seiner Ansichten konnte bislang nicht gerüttelt werden. Wir Menschen operieren immer mit Vorstellungen, die uns die Navigation durch das Universum und unser Leben helfen. Das Weltbild von TdC bietet einen wunderbaren Rahmen, indem der Mensch innerhalb des Gesamten seinen Platz finden kann, der ihm dabei hilft seine Aufgabe in der Welt zu finden, der Sinn und Zweck nicht nur dem individuellen Leben, sondern der ganzen Menschheit zu geben vermag. Und das ganze ohne dogmatische Glaubenssätze, die entweder vollständig angenommen oder völlig verworfen werden müssen. TdC selbst hat mit diesem Werk dazu beigetragen Wissenschaft und Religion, wenn auch noch nicht mit einander versöhnt, so doch einander sehr nahe heran geführt zu haben. Verständigen Personen fällt es leichter beide existieren zu lassen, als das eine für das andere aufgeben zu müssen. Ich möchte nur nebenbei erwähnen, dass der eigentliche Grund dafür warum Menschen mit der Wissenschaft bzw. der Religion Schwierigkeiten haben meist in der eigenen Erziehung liegt. Allzu oft wird blinder Gehorsam gefordert, es gibt kaum ein Kind, das eine glückliche Kindheit hatte. Zwar sind die meisten Menschen davon überzeugt, dass ihre Kindheit schön war, und ihre Seele verlangt danach dies zu sehen, doch, was Psychologen seit längerem wissen, dringt auch allmählich in die Köpfe der Menschen ein: Die Kindheit ist im Grunde die schrecklichste Zeit des Lebens, in der dem Kind aberzogen wird sich selbst zu trauen, selbst zu denken und zu fühlen. Der Mensch ist fast ausschließlich ein Ergebnis von Dressur und Teil dieser Dressur ist die eigene Kindheit als schön zu sehen und die Eltern zu ehren. Die Wahrheit ist das genaue Gegenteil davon! Die Weltbilder, die jemand vertritt, hängen direkt mit der Erziehung (was für ein schreckliches Wort im Grund) zusammen. So erklärt sich auch zum Teil, so viel Abneigung gegen die Vereinigung von Wissenschaft und Religion. Lassen wir uns nicht täuschen! Der Mensch vertritt im Leben seine Position aus seinem Unbewussten heraus. Der Verstand hat dann nur geschickt eine Erklärung zu liefern, um die ganze Sache gerechtfertig aussehen zu lassen. Meist glaubt der Mensch selbst daran „gute Gründe“ für seine Einstellung zu haben. Und die hat er auch, sie liegt aber nicht in seiner verstandesmäßigen Erklärung, sondern in der Liebe des kleinen Kindes und dessen Abhängigkeit von den Eltern, die es dazu bringen nicht die Wahrheit zu sehen, weil es Vater und Mutter so lieber ist. Das war nur ein kleiner Exkurs in den Bereich der Erziehung und die Verderbtheit der Kindheit. Ich werde in den nächsten Tagen eine neue Serie zu diesem Thema beginnen.

Der britische Wissenschaftler Rupert Sheldrake hat vor einigen Jahren bereits erkannt, dass es eine Art „unsichtbares Netz“ geben muss, dass Lebewesen derselben Art miteinander verbindet. Er nannte dieses Netz „morphogenetisches Feld“. So scheinen Informationen innerhalb dieses Netzes ausgetauscht zu werden, zwischen Angehörigen derselben Art, die miteinander nie in körperlichen Kontakt kommen. Eine Finkenart in Neuseeland etwa entwickelte eine neue Fertigkeit beim Netzbau und kurz darauf konnte dieselbe Fertigkeit bei Vögeln in Europa studiert werden, obwohl die Vögel in Neuseeland nie Kontakt zu ihren Artgenossen in Europa hatten. Es spricht vieles dafür, dass es auch eine Art morphogenetisches Netz der Menschen gibt. Unser Bewusstsein ist wahrscheinlich miteinander verbunden und potenziell könnte jeder Mensch mit jedem anderen Menschen, ohne körperlichen Kontakt und technische Hilfsmittel (Video, Internet, Telefon, etc.), Kontakt aufnehmen. Wie sich die Forschung hier weiter entwickelt, wird man sehen, doch die Ansätze sind viel versprechend.

Was nun die Achse der Evolution betrifft, so hat TdC sie in Jesus Christus erkannt. Die tangentiale Energie (Nächstenliebe) intensiviert die radiale Energie (Liebe zu Gott). Wer also dem „Weg Jesu“ folgt, der ist im Einklang mit der Entwicklung des Universums. Aber für jeden Menschen gilt, dass er nach bestem Wissen und Gewissen handelt muss. Doch das Gewissen kann sehr trügerisch sein. Bei den meisten Menschen ist es so stumpf und von der Gesellschaft, den Eltern etc. so korrumpiert, dass es seine Funktion fast vollständig verloren hat. Erst, wenn der Mensch sich befreien kann, dann kann er wieder erkennen, wer er eigentlich ist und sein wahres Gewissen erkennen und dann danach handeln. Hier liegt meines Erachtens nach einer der kritischen Punkte. Das „Gewissen der Welt“ mit dem „wahren Gewissen“ zu verwechseln. Jesus sagt dazu: „Seid in der Welt, nicht von der Welt!“. Wer sein Leben in der Welt lebt, so als ob er von dieser Welt wäre und nicht von Gott, der wird seinem eigentlichen Auftrag nicht gerecht und führt auch kein völlig wertvolles Leben. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Noch etwas möchte ich erwähnen. Wissenschaft ist oft eine Ablenkung gewesen vom einzigen, was der Mensch wirklich brauch: nämlich sich selbst. Wir erforschten die Gestirne, machten Erfindungen aller Art, haben die Welt technisiert, nur uns selbst sind wir immer noch ein Rätsel. Fortschritt kann der Mensch nur machen, wenn er herausfindet, wer er selbst wirklich ist, darauf haben wir in Zukunft den Schwerpunkt zu setzen. Sonst sind wir wie Kinder, die plötzlich Atomwaffen in den Händen halten. Es ist unbedingt notwendig, dass die Menschheit „erwachsen“ wird, sonst werden wir über kurz oder lang nicht mehr existieren! Der wahre Kampf auf der Welt findet im Geiste statt. Wir haben einen riesigen Fehler gemacht, als wir Gott und den Menschen getrennt haben. So war es ursprünglich nicht gedacht. Der wahre Sündenfall bestand darin, nicht Gott erkannt zu haben, sondern einen Gott im eigenen Geiste geschaffen zu haben und dieses Bild in den „Himmel“ hinauf projiziert zu haben und dann für wahr gehalten zu haben. Die Trennung von Gott und Mensch hat erst den Dualismus geschaffen, hat ein Oben und ein Unten entstehen lassen und damit auch Gut und Böse. Wir müssen erkennen, dass das Böse seinen Ursprung darin hat die (unverdorbene) Natürlichkeit des Menschen zu unterdrücken und irrige Annahmen von Generation zu Generation weiter zu geben. Das Böse ist ein Irrtum, nicht eine Entität im Universum! Wenngleich dahinter jedoch der Verführer steckt. So ist der Weg des Menschen durch die Entwicklung ein einziger Passionsweg. Zwar ist diese Geburt immer mit „Geburtswehen“ verbunden und dem damit einhergehende Leid, doch gerade der Mensch hat den größten Teil seiner Schmerzen selbst verursacht, findet sogar Gefallen daran und ergötzt sich, vor allem, wenn der Schmerz den anderen und nicht einen selbst trifft, daran.

Eine letzte Bemerkung möchte ich noch machen. Das Internet ist ein Chaos, eine großer Misthaufen mit ein paar Perlen darin. Die Struktur ist überfrachtet von Informationen, von denen ein Großteil schädlich oder unsinnig ist. Doch gerade das Internet bietet einen schönen Einblick in die Geisteshaltung des heutigen Menschen. Die Hemmungen, die beim direkten persönlichen Kontakt gegeben sind, verschwinden im Internet in der scheinbaren Anonymität. So glaube ich, dass wir hier ein der Wahrheit eher entsprechendes Bild bekommen über das, was in den Köpfen wirklich vor sich geht, da keine „Höflichkeitsregeln“ eine Zensur vornehmen. Das sollte uns allen zu denken geben. Werden wir es erleben, dass im Internet eine Ordnung einkehrt, dass Menschen sich nicht mehr daran ergötzen andere nieder zu machen, zu verführen, zu manipulieren? Die Entwicklung wird es zeigen. Ich für meinen Teil habe aber trotz allem meinen leisen Optimismus anzumelden. Der Mensch ist im Grund viel besser, als er sich zeigt, er weiß es nur selbst nicht. Man hat ihm etwas Anderes beigebracht.

Donnerstag, 22. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Höheres Leben – Teil 5/6

Die Gefahr des modernen Menschen besteht darin, dass er auf den zunehmenden inneren psychischen Druck, der auf ihm lastet mit Isolation reagiert. Dies ist zwar verständlich, bedeutet aber eine Rückwendung, ein Regression. Tatsächlich ist das die häufigste Reaktion, die wir auf der Welt beobachten können. Die Welle der „Selbstverwirklichung“ ist immer noch nicht völlig abgeebbt und hat gerade in letzter Zeit noch einmal einen Aufschwung erlebt. Aber die wahre Selbstverwirklichung liegt, wie ich bereits im letzten Beitrag angesprochen habe gerade nicht darin sich zu isolieren und sich ausschließlich auf sich selbst zu zentrieren, sondern in der Ausweitung der tangentialen Energie, das heißt die dichtere Verbindung mit der Welt und anderen Menschen.

Auf den Narzissmus des Individuums folgte oft der Narzissmus einer Gruppe. Die nationalistischen und rassistischen Bestrebungen der letzen zweihundert Jahre zeigen dies ganz deutlich. Es sind gerade die am wenigsten individualistischsten Menschen, die sich in der Gruppe am leichtesten wieder finden. Doch in der heutigen Welt, brauchen wir eine größere Identifikation, eine mit der gesamten Welt und mehr noch mit dem ganzen All. So lange der Mensch sich mit Dingen identifiziert, die beschränkt sind, ganz egal, wie weit der Horizont auch sein mag, solange wird er sich „klein“ fühlen. Wenn ich auch die ganze Welt wäre, so wäre ich doch noch immer winzig klein im Gegensatz zum Universum. Die einzige Möglichkeit Sicherheit, endgültige Sicherheit, zu erlangen besteht in der Identifikation mit dem All als Ganzem, mit der Unendlichkeit von Raum und Zeit. Bisher wissen nur die Mystiker, was das wirklich bedeutet. Ich bin aber davon überzeugt, dass diese bisher seltenen Erlebnisse einzelner, in Zukunft zu einem allgemeinen Erleben der Menschen schlechthin werden wird, ja werden muss!

In der Phase der Noogenese geht es darum einen „wahren Geist der Erde“ zu schaffen, das Gesamtergebnis der einzelnen Bewusstseinszentren, die wir im menschlichen Geist finden. Die Evolution ist der Aufstieg es Bewusstseins und der Aufstieg des Bewusstseins ist die Einigungswirkung. Es kommt zu einer Meta-Synthese des Bewusstseins, woraus eine neue Schicht oberhalb der Sphäre des Denkens entsteht. Was es dazu braucht ist ein neues Leitbild, ein erweitertes Bild des Humanismus. Viel wird heute darüber gesprochen zwischen dem Gegensatz von einem humanistischen und einem gotteszentristischen Weltbild. Beide sind im Grunde kein Widerspruch. Gott und Mensch sind nicht voneinander zu trennen. Dieser Irrtum ergibt sich nur dort, wo es heißt man müsse sich entscheiden, ob nun Gott oder der Mensch im Zentrum des Weltbildes stünde. Gott steht zwar außerhalb der Schöpfung, durchdringt sie aber gleichermaßen von Anfang an in jedem noch so kleinen Teilchen. Ein wahres Gotteszentriertes Weltbild ist ein Menschenzentriertes Weltbild und ein wahres humanistisches Weltbild ist auch eines, bei dem Gott im Zentrum steht. Freilich darf der Mensch nicht das Ego in den Mittelpunkt des Weltbildes stellen, wie wir es in der heutigen Zeit erleben, das ist ein unsinniger Humanismus. Was wir brauchen ist den Heiligen Geist, um mit den Worten des Christentums zu sprechen, der göttliche Teil der im einzelnen Wirken kann ins Zentrum des Weltbildes zu stellen. Ein solches Weltbild ist völlig gottes- aber ebenso völlig menschzentriert. Erst wenn wir dies verstehen und die Dichotomie auflösen können, dann werden wir uns zu einem einheitlichen neuen Weltbild durchringen können. Bislang sind wir so weit noch nicht gekommen.

Heute kann der Mensch nur noch durch wechselseitige Durchdringung weiter wachsen. Durch die Abnahme vieler Arbeiten durch Maschinen, konnten immer mehr Menschen ihren Geist im geistigen Bereich nutzen und dies führte allmählich zu einem neuen „Bewusstsein“ auf höherer Ebene. Alles wirklich Große schreitet langsam voran und wird in seinen Anfängen kaum bemerkt. In der Noogenese werden der Raum und die Zeit menschlich. Das Universelle und das Persönliche schließen sich nicht mehr aus, sie streben beide einem gemeinsamen Höhepunkt entgegen. Das Universal-Zukünftige kann nur ein Überpersönliches sein – im Punkt Omega. Omega wirkt bereits jetzt in alles hinein.

Das Universum ist ein „Sammler und Bewahrer“ von Bewusstsein. Das Kollektiv der Menschen ist dabei allmählich eine „Weltseele“ zu bilden. Egoismus ist die Verwechslung von Individualität mit Persönlichkeit. Der Egoist empfindet zwar richtig, aber er unterliegt einem Irrtum. Um wirklich wir selbst zu sein, müssen wir voranschreiten im Sinne einer Konvergenz mit allem Übrigen. Unser endgültiges Wesen, unsere Einzigartigkeit, liegt nicht in der Individualität, sondern in unserer Person. Das wahre Ego wächst umgekehrt proportional zum Egoismus! So wächst ganz von selbst die universelle Energie der Liebe.

Liebe in voller biologischer Realität ist die Anziehung, die ein Wesen auf andere Wesen ausübt. Es ist deshalb gerade die Liebe, welche die künftige „Weltseele“ schafft. Universelle Liebe ist psychisch durchaus möglich und es ist die vollständige und endgültige Art der Liebesfähigkeit. Ein Kollektiv, das den Einzelnen absorbiert, tötet die Liebe und widerstrebt letztendlich der Evolution. Was sind nun die Attribute dieses Endpunkte, des Punktes Omega, von dem schon so viel geschrieben wurde? 1.) Die Liebe (allumfassend und bedingungslos!) Gott ist die Liebe, heißt es in der Bibel, ebenso ist es die Liebe, die die Evolution von Anfang an begleitet und sie vorantreibt und sie wird auch ihr großes Ende sein. 2.) Das Fortleben und 3.) Irreversibilität. Omega ist das letzte Glied einer Reihe aber es steht selbst außerhalb der Evolution.

Eine Erkenntnis ist hier wichtig: Auf dem Stand der Tiere geht die radiale Energie beim Tod wieder auf das Tangentiale zurück, beim Menschen hingegen befreit sich das Radiale vom Tangentialen! Gerade das ist die Einmaligkeit des Menschen. Wenn ein Leib stirbt, lebt der Mensch trotzdem weiter, das Leben nach dem Tod ist keine Illusion, sondern Realität! Irgendwann wird die Wissenschaft wahrscheinlich in der Lage sein dies zu erkennen, bis dahin gibt es zwar einige Hinweise, die jedoch nicht genügen für eine wissenschaftliche „Wahrheit“ und so müssen wir noch eine Weile daran glauben, dass wir nach dem Tod weiterleben werden. Für den Gläubigen ist das Leben nach dem Tod eine Gewissheit und keine Annahme.

Das Ende der Welt ist unvorstellbar. Meist verbindet man damit eine Art riesiger Katastrophe, eine höllische Apokalypse. Je höher die Noogenese steigt, desto gefährlicher wird auch das Handel des Menschen: Kriege, Seuchen, Naturkatastrophen etc. nehmen eher zu als ab. Das Ende des Einzelwesens führt jedoch nicht zum Ende der Art, das wird leider allzu oft vergessen. Aber an der Menschheit als Ganzes hängt nun die ganze Evolution. Ohne uns gibt es keine Weiterentwicklung, mit uns steht oder fällt alles. Die Natur kann nicht mehr ohne uns existieren. Wir selbst sind die voranschreitende Natur geworden, wir sind identisch mit ihr geworden und mehr noch: Das ganze Universum hängt von uns ab! Scheitern wir, so scheitert die ganze Schöpfung! Aber zwischen dem unendlich Kleinen und dem unendlich Großen scheint es eine Vereinbarung zu geben, das Bewusstsein, das zwischen ihnen entstand zu unterstützen und zu schützen. Gottes Hand bewahrt die Schöpfung davor unterzugehen, und das ist unsere größte Trumpfkarte, die wir haben! Und sie rechtfertigt den Optimismus, den Glauben an die Zukunft und mehr noch den Glauben des Menschen an den Menschen selbst.

Es gibt drei Hauptlinien entlang deren sich die die vermenschlichte Evolution (das Künstliche) bewegt. 1.) Die Wissenschaft, 2.) Konzentration auf das Objekt Mensch und 3.) Verbindung von Wissenschaft und Religion. Von diesen drei Punkten wird es abhängen, wie sich die Noogenese entwickelt. Wir blicken nach außen, aber ebenso nach Innen und erkennen, dass das interessanteste Objekt des Studiums der Mensch selbst ist. Wenn die Wissenschaft über das Stadium der Analyse hinaus geht und sich der Synthese zuwendet und sich mit der Religion verbindet, dann können wir zu einem einheitlichen, echten Erkenntnisakt gelangen, eine Vereinigung von Mystik und Wissenschaft! Um die Person des Menschen aufzunehmen, muss das Universum irreversibel die Persönlichkeit herausbilden.

Für das Ende gibt es nun zwei Szenarien. Entweder konvergiert die Welt im Frieden, der Krieg wird endgültig beseitigt, Armut und Verbrechen verschwinden allmählich vom Erdboden. Das zweite Szenarium wäre eine Zweiteilung der Welt. Während der eine Teil sich weiter im Rahmen der Noogenese entwickelt, Fortschritte in Richtung Omega macht, bleibt ein anderer Teil in Krieg, Terror und Wirren stecken und erreicht Omega nie. Der fortschrittliche Teil würde dann am Ende „in den Himmel kommen“, während der rückständige Teil „in die Hölle fahren“ würde. Dieses Szenario entspricht mehr den klassischen Vorstellungen von der Endzeit. Was auch immer geschehen wird, es ist keine schlechte Entscheidung sein Leben auf Omega auszurichten. Vielleicht sehen wir uns dann alle eines Tages im Himmel wieder! Ich finde, die Sache ist es wert!

Dienstag, 20. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Das Denken– Teil 4/6

Sieht man sich den Menschen an, so scheint er ein Tier höchster Güte zu sein. Doch blickt man genauer hin, dann sieht man, wie sehr man ihm damit überhaupt nicht gerecht wird. Mag die DNS des Menschen auch größtenteils mit der des Schimpansen übereinstimmen, so ist der Unterschied im tatsächlichen Verhalten und Erleben weitaus größer als diese kleine Unterschied von 3-5 Prozent. Nur im Menschen hat sich die Innenseite der Materie so verdichtet, dass eine Ichreflexion entstanden ist. Der Mensch weiß nicht nur, dass er etwas weiß, er weiß auch, dass er weiß, dass er weiß! Damit ist der Mensch nicht einfach das höchst entwickelte Tier auf der Welt, sondern etwas komplett Anderes!

Nur im Menschen hat sich der Sprung zum Bewusstsein vollzogen. Allerdings hat der Mensch noch enorme Probleme in diesem „Ich“ seinen Halt zu finden. Ein Großteil der gesellschaftlichen und individuellen Schwierigkeiten geht darauf zurück, dass der Mensch noch nicht weiß, wie er diesen Halt gewinnen könnte. Es scheint ihm so zu sein, dass er von der Welt getrennt ist. Die Ichreflexion führt dazu, dass der Mensch sich selbst als von allem anderen getrennt wahrnimmt und das verursacht unweigerlich Angst. Es scheint so zu sein, dass er in die Welt „hineingeworfen“ wurde, wie es Heidegger ausgedrückt hatte. Tatsächlich gibt es kein Zurück mehr in ein einfacheres Stadium, außer vielleicht der Flucht in die Geisteskrankheit. Die Persönlichkeit entsteht in Wahrheit durch die Personalisierung aller Dinge. Nicht darin, dass der Mensch sich isoliert und eitel oder ängstlich eine Nabelschau betreibt, sondern indem er sich allen Dingen öffnet und sie zu seinen eigenen Macht. So lange der Mensch sich dem Universum als getrennt gegenüber sieht, kommt er sich unendlich klein und unbedeutend vor. Die Gefahr besteht, dass Illusionen und Ersatzhandlungen diese Angst überdecken. Doch gibt es einen gesunden Weg, um das Problem zu lösen und der besteht darin, sich selbst so weit auszudehnen, dass es das gesamte Universum umfasst. In allen Dingen sich selbst zu erkennen, ist tatsächlich die einzige Weise diesen innerseelischen Konflikt zu lösen. Heute steht der Mensch alleine und einzigartig auf der Erde dar. An seiner Wiege standen noch viele animalische Formen neben ihm.

Durch den Menschen hat sich über die Biosphäre eine ganz neue Schicht gelegt, die zwar nicht sichtbar aber durchaus wahrnehmbar ist: die Schicht des Denkens, die überall auf dem Planeten anzutreffen ist. Um den Menschen zu verstehen genügt die Anatomie nicht mehr, dazu braucht man die Psychologie. Die Naturwissenschaften leisten gute Dienste bis zur Stufe des Denkens, doch ab dieser Stufe muss sich die Betrachtung nach Innen, ins innere des Menschen selbst, verlagern. Aus den Lektionen aus der Phylogenese lernen wir, dass sich das Denken des Menschen nicht zufällig ergeben hat, sondern dass es ein planmäßiges Entstehen war. Die Psychogenese hat den Menschen über eine lange Zeit hinweg geführt, doch nun sehen wir das Entstehen einer weiteren Entwicklungsphase, jene des Bewusstseins selbst und diese geht weit über die Psychologie hinaus, es die dies die Noogenese.

Diese Noogenese legt sich erneut über die Schicht des Denkens und hüllt die Erde in eine neue Lage aus bloßem Bewusstsein ein. Bevor sich der Homo Sapiens, wie wir ihn heute kennen endgültig durchgesetzt hatte, lebte er eine zeitlang zusammen mit anderen Hominiden, die heute alle ausgestorben sind. Der bekannteste davon war der Neandertaler. Auch diese frühen Formen von Hominiden hatten ein Bewusstsein. Wir wissen nicht genau, wie sehr es ausgeprägt war, aber es scheint dem Menschen nicht unähnlich gewesen zu sein und die Stufe hatten sie zum größten Teil überwunden, wie der Cro-Magnon-Mensch, der wir noch heute sind. Es ist wahrscheinlich so, dass die körperliche Evolution beim Menschen aufgehört hat. Von nun an geht alles nur noch über den Geist weiter. Und der Mensch ist selbst die treibende Kraft der Evolution geworden. Es geht, zumindest auf der Erde, kaum mehr eine Evolution am Menschen vorbei. Man kann wohl sagen, dass die Evolution heute ganz einfach das Handeln des Menschen selbst ist und zwar in jeder Form, mitsamt allen Irrungen und Fehlleistungen.

Kulturell ist die Evolution in den letzten Jahrhunderten über Europa und Amerika gelaufen, zumindest seit der Renaissance. Die Anfänge des höheren Lebens des Menschen liegen wohl in der Jungsteinzeit, als die Menschen sesshaft wurden, Ackerbau und Viehzucht betrieben und begannen größere Gemeinwesen bis hin zum Staat zu bilden. Die Anfänge verlieren sich in der Geschichte. Aber die fruchtbarsten, diejenigen, auf die wir noch heute aufbauen, waren die alten Hochkulturen im vorderen Orient, Mesopotamien und in Ägypten. Zwar gab es auch frühe Hochkulturen in Mittelamerika, China und Indien, doch sie verliefen sich in Sackgassen. Mittelamerika blieb auf einem gewissen Niveau stecken und war veraltet, als die Europäer ankamen. China blieb eine einfache Gesellschaft mit Feudalstrukturen bis ins 20. Jahrhundert hinein. Die Chinesen habe sich immer mehr spezialisiert, bis sie einige Künste bis zur Perfektion beherrschten, doch blieb die gesellschaftliche und größtenteils auch die technische Weiterentwicklung stecken. Indien wiederum mag die Welt mit seiner „geistigen“ Welt erfrischen, doch verrannte sich die Kultur heillos in der Metaphysik. Zwei Überzeugungen verhinderten, dass Indien sich weiter entwickeln konnte und sie sind es noch heute, die Indien am Fortschritt bremsen: 1.) Die Ansicht, dass die Welt im Grunde gar nicht real sein, sondern eine Art reines Geistgebilde, vergleichbar einem Traum (eines Gottes). 2.) Die fatalistische Wirkung des Karma. Alles ist bestimmt durch Ursache und Wirkung, der freie Wille kommt wenig oder gar nicht vor. Das führt zu Trägheit und einer Kultur des „Erduldens“. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die Entwicklung über Mesopotamien/Ägypten über den Mittelmeerraum und später über Europa und dann Amerika weiter gegangen ist, bis zum heutigen Tag.

Es ist gerade der Glaube der Menschen daran, das Schicksal in die Hand nehmen zu können, gestalterisch wirken zu können, die den Fortschritt möglich macht. Dabei gibt es notwendigerweise „Geburtswehen“, das ist das Leid auf der Welt mit all seinen Auswirkungen: Krieg, Krankheiten und dergleichen. Diese sind nicht sinnlos, sondern sind unabwendbare Begleiterscheinungen einer sich in Entwicklung befindlichen Welt. Wäre uns das bewusst, dann könnten wir viel mehr ertragen und wir würden nicht so sehr von solchen „Wehen“ getroffen. Die Menschen wachsen nun in der Noogenese immer mehr zusammen. Der Verstand versucht die Illusion der Nähe zu überwinden und gleichzeitig für die nötige „Sicherheit“ zu sorgen, um dabei seelisch gesund zu bleiben. Nun ja, wir haben damit oft nur wenig Erfolg und nicht wenige Menschen fallen in ein abergläubisches, das heißt, primitiveres Stadium, zurück. Der Mensch hat die Tendenz sich zu isolieren, da ihm das Universum zu gewaltig erscheint und das Glück scheinbar gerade darin liegt seine Energien auf sich selbst zu konzentrieren. Tatsächlich entstehen der Menschen Probleme, vor allem in psychischer Natur, durch die Konfrontation mit der Raumzeit. Im Ichbewusstsein liegt die Urform der Angst, aus der sich alle anderen Ängste ableiten. Spürt der Mensch jedoch die Energie, den „Strom“, der ihn trägt, der er ihm Grunde selbst ist, dann sieht er ein, dass seine Weiterentwicklung nicht im Egoismus, im Narzissmus, sondern in der Verbindung mit den anderen und der Sorgen für die anderen und die ganze Schöpfung liegt. Gerade im Dienst an der Schöpfung offenbart sich die ganze Einzigartigkeit des Individuums. Hier liegt die Aufhebung der Dichotomie, die wir so notwendig haben, um psychisch gesund zu sein.

Erich Fromm hat geschrieben, dass die Kranken die eigentlich gesunden seine und die angepassten, die eigentlich Kranken. Beim unangepassten Menschen ist die Individualität noch nicht völlig zugunsten einer Formung durch die Gesellschaft, gewichen. Aber es sind gerade diese Menschen, die die Menschheit vorwärts bringen, die dem Zwang der Konformität widerstehen. Die Gesellschaft mag solche Menschen nicht, da sie ihren Bestand bedrohen. Anscheinend ist es einer Gesellschaft wichtiger so wie sie ist fortzubestehen, als gesund zu werden. Aber mit Ausbreitung und Verdichtung der Noogenese wird diese alte Erfahrung nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Es heißt zwar, dass der Mensch sich nicht ändere, nur die Umstände würden das tun. Doch das stimmt nicht, der Mensch kann sich ändern, das ist unbestritten, wenn man sich die Potenzialitäten des Homo Sapiens ansieht. Die Frage ist nur, was es braucht, damit er sich auch tatsächlich ändert.

Wie kann wieder Ordnung aus dem Chaos entstehen, dass wir überall auf der Welt vorfinden. Dass es so nicht weiter gehen kann wie bisher, das ist inzwischen jedem klar geworden. Doch wo liegt die Lösung? Was kann man tun? Zuerst einmal brauchen wir den Glauben an den Menschen, trotz aller Vergangenheit und aller Fehler, die er gemacht hat. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist eine Notwendigkeit, ohne die weder der einzelne, noch die Gesellschaft, noch die Menschheit als ganzes überleben kann. Einem Menschen die Hoffnung zu nehmen, ist genau so, als ob man ihn tötete. Die letzte Hoffnung ist jene auf den Punkt Omega, auf eine Ziel der Evolution, ein absolutes Ende in und bei Gott. Dies darf jedoch nicht als Weltflucht verstanden werden, wie man es bei Leuten beobachten kann, die das Ende der Welt (Weltuntergang) geradezu herbei sehnen, weil dann die Probleme endgültig gelöst wären und ein „neues Zeitalter“ anbrechen würde. Es ist weniger anzunehmen, dass so etwas geschehen wird. Omega durchzieht bereits die Schöpfung und wenn wir uns auf diesen Punkt einlassen, dann können wir selbst die Änderung vornehmen. Das heißt nicht, dass der Mensch eigenmächtig die Welt verbessern könnte, das kann er nicht. Sondern ich will damit sagen, dass wir Menschen Gott durch uns hindurch arbeiten lassen, viel mehr, als dass wir selbst den Job nur auf uns gestellt erledigen. Wir brauchen einen absoluten Optimismus, einen Optimismus der sich aus reiflicher Überlegung ergibt und alles andere als naiv genannt werden kann. Dann letztendlich geht es nicht einfach nur um das Überleben, sondern um ein Höheres Leben!

Samstag, 17. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Das Leben – Teil 3/6

Der Übergang vom Unbelebten zum Belebten liegt immer noch weitgehend im Dunkeln. Experimentell haben Urey und Miller nachgewiesen, wie die ersten Aminosäuren aus unbelebter Materie entstehen könnten. Aminosäuren sind die Grundlagen des Lebens, der Mensch braucht zwanzig davon für sein Bestehen. Als Teilhard sein Buch „Der Mensch im Kosmos“ 1938 schrieb, wusste er davon noch nichts. Die Grenzen zwischen dem Leben und dem Unbelebten verschwinden im Dunkel der Frühzeit der Erdgeschichte, trotzdem würde kein Wissenschaftler diesen Übergang einfach mit dem Argument verwerfen, er sei zu fantastisch.

Das Leben wäre aber undenkbar, wenn es nicht von Anfang an, und zwar noch in der unbelebten Materie, einen Ansatz von „Psyche“ gegeben hätte. Das Leben trat plötzlich auf dem Planeten auf. Wahrscheinlich war es ein glücklicher Zufall, der sich nur ein einziges Mal und womöglich überhaupt nur auf der Erde und keinem anderen Planeten ereignete. Als die Möglichkeit für Leben sich in einer Sekunde der Evolution zeigte, scheint etwas „zugegriffen“ zu haben, um das Potenzial auch wirklich zu entfalten. Das eigentliche Leben beginnt mit der Zelle, sie ist der natürliche Kern des Lebens. Um die Zelle zu verstehen, muss sie aber auf einer Achse der Zeit zwischen Vergangenheit und Zukunft eingereiht werden. In Absteigender Richtung löst sich die Zelle in den Molekülen auf. Auf einfacher Ebene sind die Zellen beinahe Randgebiete der „Materie“. In ihrer Einfachheit und Symmetrie weisen sie auf ihre Verwandtschaft untereinander hin. Der „Sprung des Psychischen“ ist auf dieser einfachen Stufe schwer zu verstehen. Im Bereich der physikalisch-chemischen Prozesse ist sie nicht festzustellen, auch im Bereich der Biologie, zumindest bei den einfacheren Lebewesen, ist sie noch sehr zweifelhaft. Erst im Bereich dessen, was wir Denken nennen, zeigt sich eine Verinnerlichung, die wir als „Psyche“ bezeichnen. In ihrer vollendetsten Form sehen wir sie beim Menschen.

Interessant ist, dass dort, wo die ersten Zellen entstanden sind, sie sich sogleich auf der ganzen Erde ausgebreitet haben. Zwischen Körpergröße und Zahl der Lebewesen scheint es einen starken Zusammenhang zu geben. Je größer ein Lebewesen ist, desto geringer ist die Anzahl der Individuen. Das trifft zumindest grundsätzlich zu. Je höher ein Lebewesen sich entwickelt hat, desto weniger spielt die Wahrscheinlichkeit eine Rolle. Immer mehr tritt die Spontaneität in den Vordergrund. Auch wenn der moderne Mensch weit davon entfernt ist ein wahrhaft spontanes Leben zu führen, ist doch beim Homo Sapiens der spontane Einfluss stärker zu beobachten, als bei jeder anderen Spezies.

Die Verwandtschaft des Lebens zeigt sich vor allem auf der Ebene der Zellen aber auch bei den allgemeinen Entwicklungsgesetzen: Man beobachte dazu die Onto- und die Phylogenese. Alles weist darauf hin, dass die Entwicklung der Erde durch eine ganze Reihe von Krisen geht, die in neue Gleichgewichte übergeht, um eine Zeit später in die nächste „Wehe“ überzugehen und am Ende in einem Endzustand gipfelt, den TdC als Punkt Omega bezeichnet. Die Evolution ist so gesehen vom Urknall an bis zum Ende der Welt ein einziger großer Geburtsvorgang. Das Leben bildet sich heute nicht mehr aus dem Unbelebten heraus, weshalb wir es in der Natur auch nicht beobachten können. Es war wahrscheinlich wie wir gesehen haben ein einmaliger „Zufall“. Es sind die Kritiker, die diesen Punkt immer wieder aufgreifen. Es scheint einfach zu schwer zu akzeptieren zu sein, dass alles Leben auf der Erde einem großen „Zufall“ zuzuschreiben ist. Aber es ist die beste Erklärung, die wir zurzeit anzubieten haben. Alles andere hieße ein Rückfall in einfache Glaubensdogmen. Dies wäre aber nicht Wissenschaft, sondern Religion. So sehr beide auch ihre Existenzberechtigung haben, darf doch weder die Wissenschaft, noch die Religion ihre jeweiligen Methoden dem anderen aufzwingen.

Bei höheren Lebewesen setzte die sexuelle Vermehrung ein, während Zellen „ewig“ Leben, indem sie sich teilen und so eine identische Tochterzelle bilden. Durch die geschlechtliche Vermehrung wurde die Möglichkeit für ein einziges Wesen geschaffen sich sozusagen in „Myriaden von Keimen“ zu zerstäuben.

Orthogenese heißt planmäßige Komplikationen (zuerst bei den Molekülen bis hin zum Menschen). Sie sorgt für das Forschreiten des Lebens, ohne sie gäbe es keinen Aufstieg, sondern lediglich Ausbreitung des Lebens. Das Leben ginge nur „in die Breite“ aber nicht nach „vorne“ voran. Die Biosphäre legte sich als neue Schicht über den Erdball und verdichtete sich wie ein riesiges Geflecht, das vom All aus betrachtet wie ein großes Ganzes aussieht, mit all ihren Unterschieden. Die Oberfläche des Planeten ist von Leben bedeckt, ja das Leben ist gerade das Kennzeichen unserer Erde! Das „Vorantasten“ des Lebens läuft aber nicht mehr durch bloßen Zufall ab, wie im Bereich der unbelebten Materie, sondern ist viel mehr ein planmäßiger Prozess. Ab einem gewissen „Dichtegrad“ eines einzigen „Strahls“ eines Phylums, tendiert dieser dazu „gesellig“ zu werden uns sich mit anderen zu verbinden. Einer quantitativen Ausbreitung folgt eine „Verinnerlichung“, die zu einer neuen Qualität führt. Die Achse der Evolution, ging mit Ausbreitung des Lebens allmählich von der Geogenese in die Biogenese über. Erst ab dem Menschen wurde auch diese abgelöst durch das Denken. Die körperliche Evolution kann beim Menschen fast vollständig vernachlässig werden, die Weiterentwicklung läuft beinahe ausschließlich nur noch über das Denken und dessen Folge über das Bewusstsein weiter. So mag der Mensch von außen betrachtet zwar immer noch einem anderen Lebewesen nicht völlig unähnlich sein, doch in seinem Geiste ist er es mit Gewissheit.

Typisch für die Biosphäre ist ein „Kampf ums Dasein“, wie nicht erst Darwin feststellte. Doch zeigen neue Forschungen, dass der Mensch über nur schwache Triebe verfügt und kein Lebewesen so formbar ist wie er. Der Mensch ist vor allem durch „Sanftheit“ und „Freundlichkeit“ gekennzeichnet. Er ist eben alles andere als ein „höheres Tier“, sondern ein ganz neues Phylum, das zur Spitze der Entwicklungsachse wurde. So gesehen ist der Mensch, ohne falsche Scham, berechtigt sich als „Krone der Schöpfung“ zu bezeichnen. Der Mensch ist vor allem ein soziales Wesen. Handelt der Mensch „destruktiv“, so geschieht dies nicht, weil er etwas böse wäre, sondern, weil seine Grundbedürfnisse in Gefahr sind oder er dem Irrtum unterliegt, sie seinen es. Wir brauchen unbedingt den Glauben an den Menschen. Optimismus und Zukunftsglauben sind nicht naiv, sondern notwendig und äußerst vernünftig.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Vorstufen des Lebens – Teil 2/6

Schaut man sich die Welt an und untersucht sie bis in ihre kleinsten Teilchen, folgt man einer Linie zurück in die Vergangenheit, dann sieht man, dass sich die Welt vom Einfachen zum Komplexen entwickelt hat. Im unendlich Kleinen verliert sich jeder Stoff in dem, was TdC den „Weltstoff“ genannt hat, dieser ist allem Anschein nach reine Energie. Jedoch haben wir niemals Energie in ihrer Reinform beobachtete, sondern immer nur in bestimmten Erscheinungsformen, wie sie uns entgegen treten. Die Materie hat nun drei Seiten, oder Kennzeichen: 1.) die Vielheit (Geteiltheit), 2.) die Einheitlichkeit und 3.) die Energie. Beobachtet man Teilchen auf einer fundamentalen Ebene, dann fällt einem auf, wie sehr sie sich gleichen, wie sehr sie einen gleichen Aufbau haben. Im Großen hingegen und vor allem so, wie uns die Welt in die Sinne fällt, erscheint sie sehr vielheitlich und von einander getrennt. Die Energie ist die Bindungskraft der Teilchen, aber auch konstituierender Wert. Die Energie ist die Grundform des Weltstoffs.

Eine interessantere Feststellung, die wir machen mussten, war, dass jedes Teilchen und sei es noch so klein auf das gesamte Universum ausstrahlt, auch wenn die Wirkung mit der Entfernung abnimmt, so strahlt doch alles in alle Richtungen bis ins Unendliche hinein aus. Das Volumen jedes Teilchens ist das gesamte Universum selbst. Das Atom ist das infinitesimale Zentrum der Welt selbst.

Es ist auch so, dass es einen Zusammenhalt der Dinge von „unten her“ gibt. Dies veranlasste viele Evolutionsforscher zu der Annahme, die Materie würde sich von selbst organisieren und durch Mutation und Selektion (zumindest im Bereich der Biologie) fortschreiten, eine „höhere Intelligenz“ schien nicht notwendig. Eine vollständige Betrachtung der Entwicklung des Universums zeigt aber, dass die Organisation letztendlich von „oben her“ kommt. Die Physik hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr diesen „Geist“ hinter der Materie in der eine oder anderen Form akzeptiert. Doch die Biologie steht noch dort, wo die Physik etwa vor hundert Jahren stand. Sie braucht Gott noch nicht, doch wenn sie tiefer eindringt, wird auch sie zu einer höheren Reife gelangen müssen. Heisenberg sagte, dass der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft einen atheistisch mache, doch wer bis zum Grunde des Bechers vorgedrungen sei, der erkennt das Göttliche. Das Universum setzt sich von unten her zusammen, doch von oben her bekommt es seine höhere Ordnung.

Die Ordnung des Universums zeigt sich nur in seiner Gesamtheit. Man muss das Universum als „einheitlichen Block“ betrachten, um es, so gut es uns möglich ist, zu erfassen. Auch wenn sich alle Elemente auf einen Urtyp zurückführen lassen, so gibt es aber auch ein Gesetz der „zunehmenden Verflechtung“. Je länger ein Prozess andauert, desto komplexer wird er. Nach TdC zeichnet sich das „Werden“ der Materie durch zwei Charakterzüge aus: 1.) Eine kritische Phase der Granulation, die die konstituierenden Faktoren, vielleicht sogar das Atom selbst entstehen lässt und 2.) Fortsetzung in additiver Form mit wachsender Komplexität, zumindest aber der Stufe der Moleküle. Diese Prozesse finden aber nicht überall im Raum statt, sondern nur auf Sternen und Planeten, sie sind die „Wohnungen“ des Lebens.

Jede Synthese verbraucht Energie. Jeder Fortschritt, jede Komplexität braucht Arbeit und Kraft. Neue Energie kann nicht als Kapital von außen zugeführt werden (in Bezug auf das gesamte Universum gesehen) deshalb kann nach den Gesetzen der Thermodynamik das Universum auch nicht unendlich wachsen und es kann sich auch nicht unendlich „einrollen“, sprich komplexer werden. Es strebt notwendigerweise einem Ende zu. Das ist die Sicht der Welt, wie sie von außen her sich ergibt.

Gibt es aber eine „Innenseite“ der Materie. Spätestens ab der Stufe der Pflanzen zwingt sich einem diese Ansicht auf. Unzweifelhaft aber ist dies beim Phänomen Mensch. Die Komplexität hat einen derart hohen Stand erreicht, dass man beim Menschen von „Bewusstsein“ sprechen kann. Inwieweit dies auch bei niedereren Lebewesen wie Tiere und Pflanzen der Fall ist, hängt wahrscheinlich vor allem davon ab, ab welcher Komplexität man von „Bewusstsein“ sprechen möchte. Diese Innenseite, das Bewusstsein, strahlt aber auch nach außen hin ab. So bleibt es kein rein inneres Phänomen, sondern breitet sich im Raum aus, wie es Wellen tun, etwa elektromagnetische Wellen. Die Spontaneität des Menschen lässt sich ohne ein „Inneres“ nicht erklären.

Unzweifelhaft hat sich über den Planeten, der ursprünglich unbelebt war, durch die Verdichtung zum Leben hin eine neue Schicht über die Geosphäre gelegt. Es ist dies die Schicht der Pflanzen und der Tiere, an deren Spitze noch der Mensch (zumindest in seiner Frühphase) stand, die Biosphäre. Darüber aber hat sich durch das Bewusstsein eine Schicht des Denkens gelegt, deren Träger der Mensch geworden ist. Dieses Denken hat sich so weit weiter entwickelt, dass allmählich eine neue Schicht, eine Schicht des Bewusstseins, entstanden ist, die TdC als „Noosphäre“ bezeichnet. Die „unsichtbare“ Schicht, die sich über der gesamten Erdkugel ausgebreitet hat und dabei ist sich durch uns Menschen ständig weiter zu entwickeln und zu größerer Komplexität zu verdichten, ist die „menschlichste“ aller Schichten, sie ist die Evolution, die ihre Spitze, ihre „Krone“ in uns erreicht hat. (Ich glaube, dass das Internet mit all seinen Inhalten uns ein gutes Beispiel dafür gibt, wie diese Schicht zurzeit aussieht).

Je komplexer ein Lebewesen ist, desto besser ist sein inneres Gerüst (Bewusstsein). Die Evolution wird aller Wahrscheinlichkeit nach von nun an hauptsächlich über den Menschen laufen. Was wir „künstlich“ nennen, ist nichts anderes, als die „Vermenschlichung“ der Natur. So gesehen ist sogar ein Mikrochip in einem Computer etwas Natürliches. Vor allem aber wird die Evolution sich darin äußern, dass es zu einer „Vergeistigung der Welt“ kommen wird. Am Anfang, im Bereich der unbelebten Materie, gehorchen die Teilchen größtenteils den mathematischen Wahrscheinlichkeitsgesetzen, je höher ein Lebewesen jedoch aufsteigt, desto mehr regiert die Spontaneität. Vorsicht ist aber dort geboten, wo im Überschwang schon von einer „neuen Menschheit“ oder dergleichen gesprochen wird, denn wir können uns nicht von der Vergangenheit trennen und wir haben immer noch einen materiellen Körper. Denken ist nicht möglich, wenn man hungert und nichts zu essen hat! Das müssen sich gerade die Phantasten und „New-Age-Leute“ hinter die Ohren schreiben.

Die Annahme von TdC ist nun, dass im Grunde jede Energie psychischer Natur sei. Diese Energie teilt sich in zwei Komponenten: 1.) die tangentiale Energie: Das ist jene Energie, die die Teilchen solidarisch macht, die derselben Ordnung angehören. Die Organisation der Teilchen untereinander und deren „Zusammenarbeit“. 2.) die radiale Energie: Diese Energie sorgt dafür, dass sich die Teilchen in Richtung komplexerer Zustände bewegen. Der Endpunkt dieser Entwicklung sei der Punkt Omega, das Endziel des gesamten Universums. Die tangentiale Energie ist die Liebe, die Anziehung, die Teilchen, zumindest derselben Ordnung, aufeinander ausüben. Die radiale Energie ist die Energie, die einen voranschreiten lässt zum Punkt Omega, zu Gott. Das sind auch die beiden höchsten und wichtigsten Gebote des Christentums! Nach Jesus leitet sich das gesamte Gesetz und die Propheten aus diesen beiden Geboten ab: Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Wissenschaftlich verstanden könnte man darunter verstehen, einerseits die Verbindung und fruchtbare Kooperation mit den Mitmenschen (Nächstenliebe) und das Streben nach dem Endpunkt (Gott). Die Achse, entlang der sich die Entwicklung der Evolution vollzieht ist Jesus Christus. Das entspräche auch seiner Aussage: „Ich bin die Wahrheit, der Weg und das Leben, niemand kommt zum Vater als durch mich“ (Johannes. 14,6). Die radiale Energie ist eine Funktion der tangentialen Energie, im Kern aber sind beide eins. Durch die Liebe zum Nächsten und zur Schöpfung werden die Beziehungen und das Bewusstsein des einzelnen und der Gruppe komplexer und wir kommen dadurch Gott stetig näher. Je näher wir an der Achse (Christus) leben, desto mehr sind wir im Einklang mit der Entwicklung des Universums (manche würden sagen „mit dem Strom schwimmen“).

Damit aber alles einem Endpunkt zustreben kann, muss dieser Endpunkt Omega bereits in der Welt selbst wirksam sein und zwar muss er zumindest im kleinsten Quäntchen von Anfang an in jedem Urteilchen vorhanden gewesen sein. So heißt es auch in der Genesis „Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser (der Urflut)“. Ohne ein solches Wirken von Omega in der Welt, wäre es unmöglich eine Gewissheit über die „richtige“ Entwicklung zu haben. Ja wir wüssten nie mit Bestimmtheit, was richtig und falsch und folglich auch nicht was gut und böse ist. In der Relativität findet sich doch die Absolutheit in ihrem Herzen. So spürt auch jeder Mensch in sich, dass es Gut und Böse gibt. Doch was nun Gut und Böse in Bezug auf das Verhalten des Menschen konkret bedeutet, darüber scheiden sich die Geister.

Wir müssen die Vorstellung aufgeben, Gott und Mensch seien voneinander getrennt. Gott wirkt in jedem Teil des Universums, in jedem Lebewesen und am meisten im Menschen selbst. Doch dürfen wir hier nicht in eine primitive Form des Pantheismus verfallen und der Illusion unterliegen die Dinge seine selbst göttlich. Das sind sie nicht. Omega ist der letzte Punkt einer Reihe und liegt doch außerhalb dieser Reihe. Gott ist im Universum selbst und ist doch außerhalb davon. Vom Verstehen dieses Paradox wird auch abhängen, inwiefern die Menschen unserer Zeit Gott in ihre Geistesleben einzubauen vermögen. Je komplexer ein Lebewesen wird, desto mehr bekommt sie auch eine höhere Ordnung. Wir spüren alle den großen Druck, der auf der Welt und insbesondere auf der Menschheit lastet und der uns dazu treibt und mehr zu „verinnerlichen“, komplexere Geistesstrukturen zu schaffen, aber nicht, wie manche fälschlicherweise meinen, durch eine Isolation des Individuums und eigener Nabelschau, sondern durch Konzentration auf die tangentiale Energie, das heißt die Nächstenliebe und damit das Bemühen eine „bessere Welt“ zu schaffen. Ich verwende diesen Begriff hier absichtlich, ganz egal wie abgegriffen er auch sein mag. Ohne eine solche Hoffnung hätten das Leben und die Menschheit letztlich keinen Sinn, wir müssten alle im Sumpf der Untätigkeit ertrinken, die einen schneller, die anderen langsamer.

Montag, 12. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Teil 1/6

Einführung
Ich beginne mit diesem Beitrag eine Serie über eines der Weltbilder, die mich am meisten beeindrucken und welches ich für geeignet halte zu beschreiben was um uns herum vor sich geht und wie sich der Mensch seine Existenz in einem größeren Ganzen erklären kann. Es ist ein Weltbild, das zwischen Glauben und Wissenschaft keinen oder kaum mehr einen Widerspruch bestehen lässt. Ganz im Gegenteil vereint es sogar wesentliche Teile der (christlichen) Religion mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft. Und dies ist das Welterklärungsmodell nach Teilhard de Chardin.

Zuerst aber noch etwas Organisatorisches. Ich beginne heute mit dem ersten Teil der Serie, welcher den Titel „Einführung“ trägt. Hier die Übersicht über die gesamte Serie (der genaue Zeitpunkt des Erscheinens der Beiträge ist noch offen, doch werden sie alle bis spätestens Samstag 31. Juli erschienen sein.). Die Quelle dieser Beiträge ist das Buch „Der Mensch im Kosmos“ von Teilhard de Chardin. Der Einteilung des Buches folge auch ich hier.

1.) Einführung
2.) Die Vorstufen des Lebens
3.) Das Leben
4.) Das Denken
5.) Das höhere Leben
6.) Zusammenfassung und Anhänge


Teilhard de Chardin
Pierre Teilhard de Chardin (von nun an TdC) wurde am 1. Mai 1881 bei Clermont-Ferrand in der Auvergne geboren. Der Vater war Naturforscher (Amateur), seine Mutter streng gläubige Katholikin. Diese beiden scheinbaren Gegensätze versuchte TdC sein Leben lang in sich zu vereinigen. Er trat in den Jesuitenorden ein, studierte Geologie, Physik und Chemie. Er unternahm viele geologische Exkursionen und unterrichtete von 1905 bis 1908 an der Jesuitenschule in Kairo Naturwissenschaften. 1911 erhielt er die Priesterweihe, an welche ein paläontologisches Studium in Paris anschloss. Im Ersten Weltkrieg dient er als Sanitäter. Anfang der 20er Jahre promovierte er in Geologie und erhielt eine Professur am katholischen Institut in Paris. Er unternahm viele Forschungsreisen nach Afrika, Burma, Indien und vor allem China.

TdC war einer der ersten Franzosen, die sich dem Darwinismus zuwandten, denn damals folgten in Frankreich die meisten noch fast ausschließlich den Lehren von Lamarck. Aufgrund seiner allzu „weltlichen“ Ansichten in Bezug auf die Schöpfung, insbesondere die Bejahung der Evolutionstheorie, kam er bald mit der Glaubenskongregation in Konflikt und verlor 1926 seinen Lehrstuhl. 1929 war TdC einer der Entdecker des „Peking-Menschen“ (Sinanthropus).

1940 erschien sein Hauptwerk „Le Phénomène Humain“ (dt. „Der Mensch im Kosmos“). Dieses Werk wurde jedoch nicht mehr zu Lebzeiten TdC veröffentlich, da er die nötige Erlaubnis seiner Ordens und der Kirche nicht erhielt (als freier Autor wolle er das Werk nicht veröffentlichen). Zweimal wurde er von seinem Orden verbannt. Jedes Mal gehorchte er den Anordnungen seines Oberen. 1950 wurde er Mitglied der Französischen Akademie der Wissenschaften. TdC starb am Ostersonntag des Jahres 1955 in New York. Nach seinem Tod wurden seine Werke, vor allem „Der Mensch im Kosmos“, veröffentlicht und entwickelten sich bald zu Bestsellern. In den 60er Jahren erreichte er auch im deutschsprachigen Raum geradezu Kultstatus.


Kurze Übersicht über das Weltbild
Für TdC begann das gesamte Universum mit einem Anfang, wie man sich es heute im Urknall vorstellt, dem Big Bang. Dieser Anfang nennt er Alpha. Das ganze Universum bewegt sich auf einer Achse, die er in Jesus Christus identifizierte, auf einen Endpunkt zu, dem Punkt Omega (die Bezeichnung Alpha und Omega kommen aus der Offenbarung des Johannes, in der Jesus als das A & O bezeichnet wird). TdC geht nach dem Urknall von einer Genese über die Stadien der unbelebten Materie, über das Leben, das Denken bis zu einem höheren Leben aus, das in Omega seinen Höhepunkt und Abschluss findet. Das dem ganzen zugrunde liegende Phänomen ist das Bewusstsein, das bereits im Anfang, zumindest in Ansätzen, vorhanden gewesen sein musste. Also trägt bereits die unbelebte Materie den Keim des Bewusstseins in sich und wird über die Pflanzen und Tiere hinweg immer komplexer. Irgendwann erreichte diese Komplexität einen derart hohen Stand, dass ein Wesen sich zum ersten Mal seiner selbst bewusst wurde. Und das ist in der Gestalt des Menschen geschehen. Der Mensch ist das erste Wesen, dass sich seiner selbst bewusst ist. Der Mensch ist die sich ihrer selbst bewusst gewordene Evolution!

Damit aber ist der Mensch nicht einfach die Weiterentwicklung der Tiere, sondern etwas ganz anderes. Mag der Mensch auch auf der Stufe der DNS 95 oder sogar 98 Prozent mit dem Schimpansen identisch sein, so ist aufgrund der Komplexität des Bewusstseins durch ihn doch ein „neues“ Wesen entstanden. Der Mensch ist kein höheres Tier, sondern ein neues Phylum (Stamm von Lebewesen). TdC nimmt an, dass die Entwicklung vom Stadium des Menschen an nur noch geistig vonstatten geht, da er glaubt im Menschen einen körperlichen Endzustand erkannt zu haben. Und hier beginnt das eigentliche dessen, was in der Gnosis als Noogenese (Entwicklung des Bewusstseins) genannt wird. TdC glaubte, dass wir uns genau an so einem Übergangspunkt befänden und dass der große psychische Druck, den die Menschen in unserer Zeit verspüren eine größere „geistige Verdichtung“ ankündige, bzw. dass ein solche schon im Gange sei, die uns in radialer Richtung weiter gen Omega führen würde. Einen Überblick über die Theorie der Entwicklung des Universums nach TdC gibt die Grafik mit der dieser Artikel begann.

Die Details dazu schildere ich in den Beiträgen der kommenden drei Wochen.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Das einmalige Phänomen des Christentums

„Denn er (Gott) lässt sich finden von denen, die ihn nicht versuchen, und zeigte sich denen, die ihm nicht misstrauen.“ (Weisheit 1,2)

Das Christentum ist eine der drei „Abrahamitischen Religionen“; denn sowohl der Islam (durch Ismael) als auch das Judentum (durch Issak) leiten sich vom Stammvater Abraham ab. Abraham ist der erste Hebräer nach der Bibel (alles bis dahin Geschehene bezieht sich auf alle Menschen und Völker; so sind etwa Adam, Eva, Noah, Melchisedek etc. keine Juden; das ist wichtig zu wissen, denn Gott ist der Schöpfung aller Menschen, nicht nur der Juden!). Allen drei gemeinsam ist, dass sie monotheistische Religionen sind. Die Trennung von Judentum und „Islam“ erfolgte schon sehr früh. Freilich kann noch nicht von Islam gesprochen werden, denn der entstand erst im 7. Jahrhundert nach Christus in Mekka und Medina. Aber die Ursprünge (und damit auch der Schwierigkeiten im Nahen Osten) liegen viel weiter zurück in der Geschichte. Abraham hatte, da seine Frau Sara unfruchtbar war, mit der Magd seiner Frau, Hagar (einer Ägypterin) einen Sohn, namens Ismael. Dieser war der Erstgeborene Abrahams, allerdings unehelich. Später (im Alter von 90 Jahren) bekam Sara doch noch eine Kind, einen Sohn, der den Namen Isaak erhielt. Dieser ist zwar der Zweitgeborene, aber er ist durch Gottes Erwählung der rechtmäßige Erbe Abrahams. Das ist die Sicht der Juden (und auch der Christen). Aus Ismael gingen die Araber hervor und sie berufen sich auf die Erstgeburt Ismaels und damit auf ihr Vorrecht. Die Juden berufen sich auf die eheliche Zweitgeburt, die das Vorrecht habe durch den Entschluss des Allerhöchsten. Die Trennung zwischen Judentum und Christentum erfolgt etwa zweitausend Jahre später. Manche meinen bereits durch Jesus Christus selbst, andere meinen erst, nachdem die Apostel gestorben waren und sich die Urchristen (vor allem außerhalb Palästinas) formiert hatten.

Das Judentum hatte die erste monotheistische Religion der Welt. Es wird zwar zuweilen behauptet, dass doch bereits der Pharao Echnaton (Amenophis IV.) nur einen „Gott“ angebetet (Wie übrigens auch König Melchisedek, den Abraham dort trifft, wo später Jerusalem entstehen sollte) hätte und dass möglicherweise die Hebräer eine ägyptische Splittergruppe gewesen seine, die nachdem, Echnaton gestorben war und die Priester wieder den alten Polytheismus einführten, aus Ägypten fliehen mussten. Zeitlich könnte das zusammen passen, denn der Auszug der Israeliten dürfte irgendwann zwischen 1250 und 1300 vor Christus stattgefunden haben. Der Pharao, dessen Namen in der Bibel nicht genannt wurde, wird von den meisten als Ramses II., der Große, ausfindig gemacht. Tatsächlich betete Echnaton nicht einen Gott an, sondern die Sonne (das jedoch exklusiv). Zudem ist der Glaube an den einen Gott viel älter, er geht auf Abraham zurück und dieser lebte wahrscheinlich um etwa 1750 bis 1800 v. Chr. also zur Zeit des großen babylonischen Königs Hammurabi I. Abraham stammt ursprünglich aus Ur in Chaldäa (Mesopotamien), wanderte jedoch schon als Kind mit seinen Eltern nach Haran (heutige Türkei) aus und ließ sich erst viel später, als er schon 75 Jahre alt war, in Kanaan nieder (Er war also wahrscheinlich ein Halbnomade). Die Israeliten zeichneten sich, als sie aus Ägypten auszogen durch ihren Eingottglauben aus und unterschieden sich von allen anderen Völkern, die ihre Nachbarn waren. Diese verehrten alle möglichen Götter und Götzen. Es war ein harter Kampf, den Monotheismus aufrecht zu erhalten und die Bibel berichtet ständig davon, dass auch die Israeliten wieder Götzen anbeteten oder ihre Religion mit denen ihrer Nachbarn zu vermischen suchten.

Soviel zum groben Überblick über die gemeinsame Wurzel von Judentum, Islam und Christentum. Ich will hier keine Geschichte des Christentums aufzeigen, sondern nur das Phänomens dieses Glaubens in der Welt, so wie es sich heute darstellt beobachten. Worin liegt nun die Besonderheit?

Was mich in erstaunen versetzt ist der Daseins- und Wirklichkeitswert des Christentum. Das Christentum wendet sich nicht exklusiv an eine Gruppe (wie das Judentum), Gott ist kein Gott für ein bestimmtes Volk, sondern für alle Menschen. Der Einfluss des Christentums ist überall auf der Welt spürbar, unabhängig davon, wie man persönlich auch dazu stehen mag. Doch ist weniger entscheidend, wie weit sich der Rahmen des Einflusses über die Erde ausdehnt, als viel mehr, wie tief dieser Einfluss in seiner Qualität auf den Einzelnen, aber auch auf menschliche Gruppen und Völker wirkt. Die Realität des Christentums kann nicht bestritten werden. Jetzt ist aber von Bedeutung, was es bewirkt und wie es der Welt bei ihrer Entwicklung hilft?

Der christliche Gott ist nicht angreifbar! Das mag eine gewaltige Aussage geheißen werden, und das ist sie auch. Vielleicht mag man den Vorwurf erheben, dies sei arrogant, doch ist das ebenso wie mit der Frage danach wer Recht hat, davon abhängig, dass man nicht weiß was richtig und falsch ist. Denn wer sagt „Ich habe (absolut) Recht!“, der ist arrogant, wenn er die Unwahrheit sagt. Wenn er aber Recht hat, so ist diese Aussage nicht arrogant, sondern einfach nur zutreffend. Warum soll Gott also nicht angreifbar sein? Das liegt daran, dass Gott allmächtig und unbeschränkt ist. „Niemand hat Gott je geschaut“, soll heißen, dass der Mensch nie Gott in seiner Gesamtheit gesehen hat. Denn der christliche Gott ist per definitionem ein Gott, der als solcher vom menschlichen Geist nicht erfasst werden kann. Mancher Spötter meint, dass dies eine feine Definition für all diejenigen sei, die befürchten es könnte eines Tages gelingen Gott zu beweisen oder zu widerlegen und dann hätten sie nichts mehr woran sie glauben könnten. Dieser Einwand ist aber selbst wieder ein Glaubenssatz, denn er unterstellt unlautere Motive und nimmt im Zweifel das Schlechtere an. Eine solche Haltung ist aber selbst keine Wissenschaft, sondern ein Dogma. Wir müssen uns also damit begnügen, dass Gott nicht erfasst werden kann. Das heißt aber nicht, dass man von Gott gar nichts wissen kann. Im Römerbrief heißt es etwa „Was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar; Gott selbst hat es ihnen geoffenbart. Sein unsichtbares Wesen, seine ewige Macht und Göttlichkeit sind seit Erschaffung der Welt durch das Licht der Vernunft an seinen Werken zu erkennen.“ (Röm. 1,19-20).

Der Mensch hat einen freien Willen und damit hat jeder auch die Autorität den Glauben anzunehmen oder nicht. Wenn man den Glauben aber angenommen, hat, dann wird er selbst zur Autorität über denjenigen, der ihn gewählt hat. Das ist aber nur scheinbar so, denn der Gläubige erkennt, dass diese höhere Autorität Gottes immer schon bestand, es also durch den Glauben nicht zu einer Umgestaltung der Tatsachen, sondern nur zur Erkenntnis und Annahme derselben kommt. Der Mensch steht von Anfang an unter der Autorität Gottes, doch erkennt er dies oft nicht und erkennt er dies, mag er es immer noch nicht annehmen. Gott zwingt sich dem Menschen nicht auf, der freie Wille steht nicht im Widerspruch zur Allmacht Gottes. Vielmehr ist er ein Zeichen von Gottes Liebe, der keine Knechte, sondern aufrechte, selbstbewusste Geschöpfe haben möchte. Jedoch macht Gott die Regeln und ein Nichteinhalten derselben hat Konsequenzen. Das darf niemals vergessen werden. Nicht der Mensch macht die Regeln. Gott macht sie.

Was kann also von Gott erkannt werden. Einerseits haben wir das Wort Gottes selbst in der Bibel. Damit ist aber die Erkenntnis Gottes nicht abgeschlossen, denn der oben zitierte Vers zeigt, dass durch das Licht der Vernunft an den Werken Gott erkannt werden kann, freilich immer nur in dem kleinen Rahmen, den der Mensch aufgrund seines Geiste zu erkennen vermag. Es wäre eine Hybris zu behaupten: „Ich habe Gott erkannt (in seiner Gesamtheit)!“ Niemand kann dies.
Ich denke die zentrale Eigenschaft Gottes, die uns offenbart ist, die die Liebe. So sind denn auch die beiden wichtigsten Gebote der Christen: 1.) Bedingungslose Liebe und Vertrauen zu Gott und 2.) Liebe zum Nächsten. Und, das ist ganz entscheidend: Beide sind gleich wichtig! (Markus 12, 29-31) An diesen Beiden Geboten hängen das ganze „Gesetz“ und die Propheten. Das ist eine gewaltige Aussage. Gott ist kein Tyrann, kein ferner Gott, der angebetet werden will, sondern ein liebender Vater, ein persönlicher Gott, dem die Menschen lieb und teuer sind, der die Liebe der Menschen untereinander der Liebe zu ihm gleich stellt.

In einer zynischen Welt, wie wir sie heute oft vorfinden, mag man kaum an die Aufrichtigkeit glauben, mit der Menschen vorgeben ihren Nächsten zu lieben. Trotzdem hat es diese Liebe immer gegeben und es gibt sie noch heute. Menschen, die in liebevoller Hingabe für andere da sind, sind eine Tatsache. Ebenso Menschen, die ihr eigenes irdisches Dasein nicht in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stellen, sondern einem höheren Ziel dienen, die den Blick erweitern und das größere Ganze dem dummen Egoismus vorziehen. Genau das ist der Anspruch des Christentums. Nicht Menschen zu dienen, nicht auf den eigenen kleinen Horizont zu sehen, sondern weit darüber hinaus für den Unendlichen etwas zu schaffen. Und die Intensität mit der das Christentum im Guten in den Menschen wirkt, nimmt immer noch weiter zu. Der christliche Glaube lässt die Kulturen gedeihen.

Ich unterscheide hier zwischen Religion und Glaube. Religion ist für jede Gesellschaft sehr wichtig, denn kein anderes System vermag den Menschen emotional so vorteilhaft zu stimulieren. Dabei ist der Einzelne ein Teil von etwas Größeren. Dabei geht es keineswegs um eine Illusion oder eine „Seelentrösterei“ (der Mensch soll sich wichtig fühlen in einem riesigen Universum, das sich scheinbar nicht um ihn kümmert). Ich will hier aber mehr davon schreiben, was der Glaube durch den einzelnen und in der Welt bewirkt.

Das Christentum ist auf die Welt, auf die Schöpfung ausgerichtet. Es ist absolut lebensbejahend und steht dem Tod entgegen. Die Fülle, die Entfaltung, der Aufbau, das Gute und Edle ist es, was Gott will, wozu auch der Mensch berufen ist. Gott ist ein persönlicher Gott, keine metaphysische Idee, kein bloßer Gedanke, sondern eine reale Person. Der Mensch führt beim Beten keine Selbstgespräche, er hat ein echtes Gegenüber, jemand, der ihm antwortet. Der Mensch ist Gott gegenüber verantwortlich. Damit wird klar gestellt, dass niemand mit irgendeiner Sache davonkommt, selbst wenn nie ein Mensch davon erführe. Denn ohne Gott würde der Schwindler, der Betrüger, der Unredliche, der es fertig bringt von der irdischen Macht nicht erwischt zu werden, damit durchkommen. Dass dem nicht so ist, dessen ist sich der Gläubige gewiss.

Anders als viele glauben, ist der christliche Glaube nicht dualistisch. Der Teufel ist kein Anti-Gott, der mit Gott um die Seelen der Menschen und um die Schöpfung wetteifert. Der Teufel ist selbst eine Schöpfung Gottes und untersteht auch völlig der Autorität Gottes. Der Teufel kann nichts gegen Gott tun, was dieser ihm nicht selbst im Rahmen seiner Schöpfung zugesteht. Die Ansicht, dass Gut und Böse um die Welt wetteifern ist manichäisch und hat sich ein zeitlang im Orient und bis nach Rom hin gehalten. Doch ist es eine falsche Theologie, dies heute noch zu vertreten, weder das Christentum noch das Judentum können einen solchen Dualismus heute noch ernsthaft vertreten.

Das Christentum ist auch die Religion der Freiheit schlechthin! Das Christentum ist die Religion der Aktivität. Der Mensch ist nicht nur Geschöpf, sondern Mitschöpfer. Gott ist kein Polizist, der dem Menschen ständig auf die Finger klopft, wenn er etwas falsch macht. Gott ermutigt den Menschen etwas zu wagen, etwas zu tun. Geht der Mensch in die Irre, dann holt ihn Gott schon wieder zurück. Er möchte, dass wir unsere Sünden bekennen, das heißt aber vor allem, dass wir völlig ehrlich sind in allen Dingen. Die Lüge blockiert den Menschen. Gerade darin liegt die psychologische Freiheit die das Christentum bereithält. Man kann Fehler machen, man kann sündigen, es wird einem vergeben, die Last kann „auf den Herrn“ geworfen werden. Der Mensch ist frei von allen Lasten auch von seiner Vergangenheit, nichts wird einem mehr vorgehalten, wenn man Buße getan hat. Welche Religion hat diese Kraft der Befreiung? Menschen mögen Dinge ewig vorhalten, Gott hält einem gar nichts vor, das vergeben wurde! Das ist die psychische Freiheit. Es gibt aber auch eine „weltliche“ Freiheit, nämlich jene von den menschlichen Herren. Zwar mag jemand in eines anderen Dienst stehen, doch dient er ihn Wahrheit Gott und damit einem höheren Ziel. Nach außen hin mag dies kein Unterschied machen und von anderen gar nicht erkannt werden, für den einzelnen ist es jedoch ein Unterschied wie Tag und Nacht. Selbst die banalste Tätigkeit bekommt eine höhere Bedeutung, wenn sie für Gott verrichtet wird. Ganz nebenbei hat dies auch ganz profane Auswirkungen. Die Qualität der Arbeit ist besser und die Zufriedenheit mit dem Leben wird gesteigert. Die Psyche ist belastbarer und durch die Wirren des Lebens geht man ohne echten Schaden hindurch. Ein Mensch, der fest im Glauben steht (Luther sagt, der Glauben ist seine „feste Burg“), der kann durch nichts erschüttert werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass deshalb auch ein Mensch, der nie aus dem Glauben fällt, nie an einer Neurose, Psychose oder Persönlichkeitsstörung leiden wird. Das Christentum fordert also zu Aktivität auf, etwas in der Welt zu schaffen und „fruchtbar“ zu sein, in jeder nur erdenklichen Hinsicht. Deshalb ist das Christentum keineswegs wissenschaftsfeindlich. Thomas von Aquin zeigte auf, dass Glaube und Vernunft sich gegenseitig suchen. Es ist gerade das Christentum, das den Menschen aufruft Gottes Werke zu untersuchen, darüber nachzudenken und seine Schlüsse daraus zu ziehen.

Den meisten Religionen ist es nicht möglich sich an die modernen Anforderungen der Wissenschaft und der Welt, wie sie sich im 21. Jahrhundert darstellt anzupassen. Viel zu eng sind die mythischen Vorstellungen, der Pessimismus und die Passivität. Nicht so beim Christentum. Freilich gibt es auch hier bestimmt Menschen, die lieber einen engen Rahmen vertreten und sie werden ebenso die allergrößten Probleme mit der Welt bekommen. Nicht aber so bei demjenigen, der den Geist des Christentums in einem höheren Maße in sich aufgesogen hat. Mit der Weite des Alls, mit der unendlichen Kleinheit der elementarsten Teilchen, so wie wir sie nun erkennen, steht das Christentum nicht im Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Darin zeigt sich umso mehr Gottes Größe. Sicherlich ist diese Ansicht nicht zwingend und es ist möglich ohne Staunen und ohne Gedanke an Gott die Großartigkeiten das Universums zu betrachten, doch bleibt dies nur dann so, wenn der Mensch auf den Verstand alleine beschränkt bleibt. Erfasst der Mensch den Kosmos mit all seinem Wesen, dann bleibt ihm nichts anderes als zu staunen. Die größten Wissenschaftler haben zu dieser zweiten Sicht tendiert. Wie Einstein sagte gibt es Menschen die der Natur gegenüber mit Staunen begegnen und solche für die nichts erstaunenswert ist.

Gerade das Christentum bietet die Weite und Verbundenheit, die für die Entdeckung der Welt und des Kosmos vonnöten ist. Trotz seiner organischen Kleinheit würde der Christ nie auf die Idee kommen unbedeutend zu sein, nie käme er zu einem nihilistischen Standpunkt, denn er ist sich gewiss, von Bedeutung zu sein, weil sein Schöpfer ihn bedingungslos liebt. Mit dieser Gewissheit tritt man ganz anders an die Welt heran, als ohne sie, das leuchtet jedem ein. Gerade durch die Erforschung der Welt und durch das Schaffen des Christen drückt er seine Liebe zu Gott aus. Gerade durch das Christentum kann das unendlich Große mit dem unendlich Kleinen „versöhnt“ werden. Eine auf Liebe gegründete Synthese, die auf einen transzendente Pol ausgerichtet ist, das ist es, was sowohl den Schutz allen Seins, als auch dessen Fortentwicklung gewährleistet. Welche andere Religion oder Denkrichtung kann sich damit messen? Das Christentum schöpft nicht nur einfach aus der Vergangenheit. Denn es ist seinem Grunde nach nicht irgendwann im Laufe der Zeit durch die Menschen entstanden, sondern war von Anfang an, als Himmel und Erde geschaffen wurden. Es ist der Same, der von der ersten Sekunde der Existenz von irgendeiner Sache bereits zugegen war und die Schöpfung bei ihrer Entwicklung begleitet, bis zum Ende allen Seins. Es ist eben dieser höchste Punkt, dieses transzendentale Gegenüber, auf das alles hin ausgerichtet ist. Der Heilige Augustinus schreib dazu: „Du oh Herr hast uns zu dir hin erschaffen und deshalb ist unser Herz unruhig, bis es ruht in dir.“ Damit ist treffend ausgedrückt, was den Menschen in seinem inneren antreibt. Aber nicht nur den Menschen, sondern die gesamte Schöpfung vom kleinsten Teilchen bis zur größten Galaxie. Dieser Punkt ist es, der wie ein heller Sonnenstrahl die Wolkendecke durchbricht, den Menschen aus seiner Einsamkeit herausreißt und uns erkennen lässt, dass es einen wahrnehmbaren Einfluss eines Anderen gibt, der außerhalb des Universums seine „Wohnstatt“ hat und dabei doch ganz in seiner Schöpfung ist. Und genau damit stimmt das Christentum überein. Es wird wohl nicht von Zufall die Rede sein können.

Das Christentum ist programmatisch auf die Vollkommenheit hin ausgerichtet („Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist“ – Matthäus 5,48). Freilich ist dies nicht deskriptiv zu verstehen, denn kein Mensch kann dem entsprechen. Es wäre auch völlig falsch dies so anzunehmen. Niemand ist schuldhaft, weil er nicht vollkommen ist, das hieße schuldhaft zu sein, weil man ein Mensch ist. Gott ist gerecht und deshalb ist ein Mensch niemals Schuld an einer Sache, die er nicht anders machen konnte. Aber einen Hinweis gibt es doch. Menschen sind unvollkommen, Gott aber ist vollkommen. Es ist ohne weiteres zu sehen, dass es deshalb zwischen dem Menschen und Gott eine Kluft gibt. Diese Kluft wird Sünde genannt. Ein unvollkommenes Wesen kann nicht zu einem vollkommen Wesen aus sich selbst heraus gelangen, weshalb die Überbrückung der Kluft nur vonseiten des Vollkommenen geschehen kann. Gott tat dies, indem er seinen Sohn (Vollkommenheit) in die Welt kommen ließ, welcher durch sein Opfer die Trennung hinweg nahm, so dass für alle nun eine „Brücke“ über den Abgrund existiert. Ich denke dies ist die beste bildhafte Erklärung für das, was das Christentum im Kern aussagt: Jesus Christus ist der Weg zu Gott!

„Ein Atheist kann Gott genauso wenige finden, wie ein Dieb einen Polizisten finden kann“. Diese Worte stammen aus dem Mund eines bekannten Amerikanischen Predigers. Ich denke, dass es ein sehr guter Vergleich ist. Der Atheist ist stolz, er möchte sich selbst zum Gott erheben und hasst den Gedanken, dass nicht er die Regeln machen kann und noch mehr, dass er gerichtet werden wird. So gefällt es ihm und er legt sich seinen Glauben seinen eigenen Wünschen gemäß zurecht: Dieser Glaube heißt dann Atheismus. Die Bibel sagt, dass wer nicht an Gott glaubt ein Narr ist. Eine Beleidigung? Könnte man vielleicht annehmen, doch Gott gedenkt nicht Menschen zu beleidigen. Vielmehr ist damit gemeint, dass derjenige, der nicht an Gott glaubt, der Weisheit entbehrt. Weisheit offenbart sich dem Demütigen, denn sie kommt nicht durch den Verstand alleine. Nur wer ein „erweichtes“ Herz hat, dem kann sie sich zeigen. Der Stolze kann niemals weise genannt werden. Weisheit aber ist eine Gnade, nicht etwas, das der Mensch sich selbst zulegen kann, weder durch Studium, noch durch Lebenserfahrung. Wer aber dieser Gnade zuteil geworden ist, der erkennt auch deren Ursprung und den dahinter stehende Schöpfer. Das Böse entspringt der Unwissenheit des Menschen, denn bei richtigem Verständnis zeigt sich, dass die Gebote Gottes kein Tyrannenwerk, sondern vernünftig sind und Freiheit, Glück und Erfolg mit sich bringen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ein mit Gott gelebtes Leben ein Leben ist das Erfüllung bringt. Und dies ist das Größte, was im Diesseits erreicht werden kann. Alles andere ist eine Frage des Jenseits.

Was ist also der „Benefit“ des Christentums. Da gibt es zwei Ebenen. Die eine bezieht sich auf das Diesseits, die andere auf das Jenseits. Im Diesseits bietet das Christentum eine persönliche Beziehung zu Gott durch Jesus Christus. Das heißt der Mensch bekommt Antworten auf die Frage: 1.) Wer bin ich? 2.) Woher komme ich? 3.) Wohin gehe ich nach dem Tod? Und 4.) Was ist der Sinn meines Lebens? Die Qualität des Lebens nimmt zu, die Entropie im Geiste nimmt ab. Und letztendlich: im Jenseits führt die Annahme Jesu Christi und das Verweilen in seinem Wort zum ewigen Leben im Himmel. Wer könnte hierzu ernsthaft „Nein“ sagen?