Samstag, 24. Juli 2010

Das Weltbild des Teilhard de Chardin – Abschluss – Teil 6/6

Das Buch „Der Mensch im Kosmos“ wurde vor mehr als siebzig Jahren geschrieben und erst nach dem Tod Teilhard de Chardins veröffentlicht. Trotzdem hat sein Weltbild nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Wir wissen heute zwar weitaus mehr über die Welt der „kleinen Teilchen“, haben eine Fülle an prähistorischen Funden gemacht, die TdC noch unbekannt waren. Doch an der grundsätzlichen Richtigkeit seiner Ansichten konnte bislang nicht gerüttelt werden. Wir Menschen operieren immer mit Vorstellungen, die uns die Navigation durch das Universum und unser Leben helfen. Das Weltbild von TdC bietet einen wunderbaren Rahmen, indem der Mensch innerhalb des Gesamten seinen Platz finden kann, der ihm dabei hilft seine Aufgabe in der Welt zu finden, der Sinn und Zweck nicht nur dem individuellen Leben, sondern der ganzen Menschheit zu geben vermag. Und das ganze ohne dogmatische Glaubenssätze, die entweder vollständig angenommen oder völlig verworfen werden müssen. TdC selbst hat mit diesem Werk dazu beigetragen Wissenschaft und Religion, wenn auch noch nicht mit einander versöhnt, so doch einander sehr nahe heran geführt zu haben. Verständigen Personen fällt es leichter beide existieren zu lassen, als das eine für das andere aufgeben zu müssen. Ich möchte nur nebenbei erwähnen, dass der eigentliche Grund dafür warum Menschen mit der Wissenschaft bzw. der Religion Schwierigkeiten haben meist in der eigenen Erziehung liegt. Allzu oft wird blinder Gehorsam gefordert, es gibt kaum ein Kind, das eine glückliche Kindheit hatte. Zwar sind die meisten Menschen davon überzeugt, dass ihre Kindheit schön war, und ihre Seele verlangt danach dies zu sehen, doch, was Psychologen seit längerem wissen, dringt auch allmählich in die Köpfe der Menschen ein: Die Kindheit ist im Grunde die schrecklichste Zeit des Lebens, in der dem Kind aberzogen wird sich selbst zu trauen, selbst zu denken und zu fühlen. Der Mensch ist fast ausschließlich ein Ergebnis von Dressur und Teil dieser Dressur ist die eigene Kindheit als schön zu sehen und die Eltern zu ehren. Die Wahrheit ist das genaue Gegenteil davon! Die Weltbilder, die jemand vertritt, hängen direkt mit der Erziehung (was für ein schreckliches Wort im Grund) zusammen. So erklärt sich auch zum Teil, so viel Abneigung gegen die Vereinigung von Wissenschaft und Religion. Lassen wir uns nicht täuschen! Der Mensch vertritt im Leben seine Position aus seinem Unbewussten heraus. Der Verstand hat dann nur geschickt eine Erklärung zu liefern, um die ganze Sache gerechtfertig aussehen zu lassen. Meist glaubt der Mensch selbst daran „gute Gründe“ für seine Einstellung zu haben. Und die hat er auch, sie liegt aber nicht in seiner verstandesmäßigen Erklärung, sondern in der Liebe des kleinen Kindes und dessen Abhängigkeit von den Eltern, die es dazu bringen nicht die Wahrheit zu sehen, weil es Vater und Mutter so lieber ist. Das war nur ein kleiner Exkurs in den Bereich der Erziehung und die Verderbtheit der Kindheit. Ich werde in den nächsten Tagen eine neue Serie zu diesem Thema beginnen.

Der britische Wissenschaftler Rupert Sheldrake hat vor einigen Jahren bereits erkannt, dass es eine Art „unsichtbares Netz“ geben muss, dass Lebewesen derselben Art miteinander verbindet. Er nannte dieses Netz „morphogenetisches Feld“. So scheinen Informationen innerhalb dieses Netzes ausgetauscht zu werden, zwischen Angehörigen derselben Art, die miteinander nie in körperlichen Kontakt kommen. Eine Finkenart in Neuseeland etwa entwickelte eine neue Fertigkeit beim Netzbau und kurz darauf konnte dieselbe Fertigkeit bei Vögeln in Europa studiert werden, obwohl die Vögel in Neuseeland nie Kontakt zu ihren Artgenossen in Europa hatten. Es spricht vieles dafür, dass es auch eine Art morphogenetisches Netz der Menschen gibt. Unser Bewusstsein ist wahrscheinlich miteinander verbunden und potenziell könnte jeder Mensch mit jedem anderen Menschen, ohne körperlichen Kontakt und technische Hilfsmittel (Video, Internet, Telefon, etc.), Kontakt aufnehmen. Wie sich die Forschung hier weiter entwickelt, wird man sehen, doch die Ansätze sind viel versprechend.

Was nun die Achse der Evolution betrifft, so hat TdC sie in Jesus Christus erkannt. Die tangentiale Energie (Nächstenliebe) intensiviert die radiale Energie (Liebe zu Gott). Wer also dem „Weg Jesu“ folgt, der ist im Einklang mit der Entwicklung des Universums. Aber für jeden Menschen gilt, dass er nach bestem Wissen und Gewissen handelt muss. Doch das Gewissen kann sehr trügerisch sein. Bei den meisten Menschen ist es so stumpf und von der Gesellschaft, den Eltern etc. so korrumpiert, dass es seine Funktion fast vollständig verloren hat. Erst, wenn der Mensch sich befreien kann, dann kann er wieder erkennen, wer er eigentlich ist und sein wahres Gewissen erkennen und dann danach handeln. Hier liegt meines Erachtens nach einer der kritischen Punkte. Das „Gewissen der Welt“ mit dem „wahren Gewissen“ zu verwechseln. Jesus sagt dazu: „Seid in der Welt, nicht von der Welt!“. Wer sein Leben in der Welt lebt, so als ob er von dieser Welt wäre und nicht von Gott, der wird seinem eigentlichen Auftrag nicht gerecht und führt auch kein völlig wertvolles Leben. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Noch etwas möchte ich erwähnen. Wissenschaft ist oft eine Ablenkung gewesen vom einzigen, was der Mensch wirklich brauch: nämlich sich selbst. Wir erforschten die Gestirne, machten Erfindungen aller Art, haben die Welt technisiert, nur uns selbst sind wir immer noch ein Rätsel. Fortschritt kann der Mensch nur machen, wenn er herausfindet, wer er selbst wirklich ist, darauf haben wir in Zukunft den Schwerpunkt zu setzen. Sonst sind wir wie Kinder, die plötzlich Atomwaffen in den Händen halten. Es ist unbedingt notwendig, dass die Menschheit „erwachsen“ wird, sonst werden wir über kurz oder lang nicht mehr existieren! Der wahre Kampf auf der Welt findet im Geiste statt. Wir haben einen riesigen Fehler gemacht, als wir Gott und den Menschen getrennt haben. So war es ursprünglich nicht gedacht. Der wahre Sündenfall bestand darin, nicht Gott erkannt zu haben, sondern einen Gott im eigenen Geiste geschaffen zu haben und dieses Bild in den „Himmel“ hinauf projiziert zu haben und dann für wahr gehalten zu haben. Die Trennung von Gott und Mensch hat erst den Dualismus geschaffen, hat ein Oben und ein Unten entstehen lassen und damit auch Gut und Böse. Wir müssen erkennen, dass das Böse seinen Ursprung darin hat die (unverdorbene) Natürlichkeit des Menschen zu unterdrücken und irrige Annahmen von Generation zu Generation weiter zu geben. Das Böse ist ein Irrtum, nicht eine Entität im Universum! Wenngleich dahinter jedoch der Verführer steckt. So ist der Weg des Menschen durch die Entwicklung ein einziger Passionsweg. Zwar ist diese Geburt immer mit „Geburtswehen“ verbunden und dem damit einhergehende Leid, doch gerade der Mensch hat den größten Teil seiner Schmerzen selbst verursacht, findet sogar Gefallen daran und ergötzt sich, vor allem, wenn der Schmerz den anderen und nicht einen selbst trifft, daran.

Eine letzte Bemerkung möchte ich noch machen. Das Internet ist ein Chaos, eine großer Misthaufen mit ein paar Perlen darin. Die Struktur ist überfrachtet von Informationen, von denen ein Großteil schädlich oder unsinnig ist. Doch gerade das Internet bietet einen schönen Einblick in die Geisteshaltung des heutigen Menschen. Die Hemmungen, die beim direkten persönlichen Kontakt gegeben sind, verschwinden im Internet in der scheinbaren Anonymität. So glaube ich, dass wir hier ein der Wahrheit eher entsprechendes Bild bekommen über das, was in den Köpfen wirklich vor sich geht, da keine „Höflichkeitsregeln“ eine Zensur vornehmen. Das sollte uns allen zu denken geben. Werden wir es erleben, dass im Internet eine Ordnung einkehrt, dass Menschen sich nicht mehr daran ergötzen andere nieder zu machen, zu verführen, zu manipulieren? Die Entwicklung wird es zeigen. Ich für meinen Teil habe aber trotz allem meinen leisen Optimismus anzumelden. Der Mensch ist im Grund viel besser, als er sich zeigt, er weiß es nur selbst nicht. Man hat ihm etwas Anderes beigebracht.

1 Kommentar:

  1. Gerhard Lässer25. Juli 2010 um 09:49

    Interessante Ansicht. Ich habe nie darüber nachgedacht, das Wissenschaft und Glaube (bzw. Religion) sich einmal treffen könnten. Ich hielt die beiden vor unabhängig voneinander, ja sogar für Konkurrenten. Eine tiefere Beschäftigung mit der Thematik ist auf jeden Fall angebracht. Eine wirklich schöne Serie. Ich glaube fast, dass ich mir das Buch kaufen werden.

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