Donnerstag, 30. September 2010

Gott und Mensch

Das wahre Verhältnis von Gott zum Menschen ist nur schwer vorzustellen und alle unsere Versuche dieses zu beschreiben bleiben unvollständig, ganz egal, was wir auch unternehmen wollen. Sicher ist, dass wir uns nur annähern können und eine solche Annäherung wird am besten über Metaphern betrieben. Eine solche Metapher möchte ich hier nur vorschlagen.
Man stelle sich vor die Welt ist ein Drama, ein Theaterstück, das von einem Dramatiker geschrieben wurde. Nehmen wir an es handelt sich um das Stück „Faust“ vom Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Wir Menschen befinden uns nun vorgestellt in der Position der Hauptfigur, des Gelehrten Doktor Faust. Dieser schaut sich in seiner Welt um, macht sich seine Gedanken und zieht seine Schlüsse daraus. Doch wie kann er Gewissheit über irgendeine Sache erlangen? Woher kann er wissen, dass das, was er sich vorstellt, mehr als Schall und Rauch, eine bloße Ansammlung von Ideen ist? Auf sich alleine gestellt, vermag er dies niemals zu wissen, denn alles, was er je wissen könnte beruht auf Annahmen, Annahmen über seine Welt und seine Sinneswahrnehmungen. Ja, es geht noch weiter, denn er hat nicht einmal einen echten Beweis für seine eigene Existenz! So geht es ja auch uns Menschen, denn keiner von uns vermag mit absoluter Sicherheit zu sagen, dass er nicht ein, sagen wir, Schmetterling ist, der davon träumt ein Mensch im 21. Jahrhundert auf einem Planten namens Erde zu sein.
So kann nun „Faust“ sich allerhand Überlegungen machen über seine Existenz, seiner Herkunft, den Sinn seines Daseins und sein Weiterleben bzw. Nichtweiterleben nach seinem Tod. Aber, welche Gedanken ihm dabei auch immer kommen mögen, so wäre er auf sich alleine gestellt doch niemals in der Lage mit Sicherheit sagen zu können, dass er von einem Autor geschaffen wurde. Zwar mag ihm sein Verstand, seine Phantasie und Kreativität auch diese Idee eingeben, doch bliebe diese allerdings eben eine metaphysische Vorstellung, nicht zu unterscheiden von einer bloßen Phantasie. Auch der Mensch befindet sich dergestalt im Universum stehend. Zwar kann er sich Gott vorstellen, doch weiß er aus sich selbst heraus niemals, ob es einen solches wirklich gibt, Gott bleibt Gedanke und wird nicht zur Realität. In diesem Stadium befinden sich alle Religionen, die einen Gott annehmen aber niemals eine tatsächliche Verbindung mit einem solchen hatten.
Und hier kommt das Entscheidende bei den Offenbarungsreligionen dazu. Christentum, Judentum und Islam sind solche Offenbarungsreligionen, denn alle drei nehmen für sich in Anspruch, dass Gott sich ihnen gezeigt habe. Beim Judentum dem Abraham, dem Moses, beim Christentum durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und beim Islam durch das Wort Gottes, das Buch, der Koran, wurde. Tatsächlich ist es so, dass nur durch eine solche Offenbarung der Mensch Gewissheit darüber erlangen kann, dass er von einem Schöpfer, Gott, geschaffen wurde.
Bleiben wir bei unserem Beispiel Faust. Woher weiß Faust nun, dass Goethe ihn geschaffen hat? Wir haben bereits gezeigt, dass er das selbst nicht wissen kann. Es ist überhaupt nur denkbar, wenn ein Kontakt zwischen Goethe und Faust stattfindet. Goethe müsste sich also selbst in sein Stück „hineinschreiben“, um Faust mitzuteilen, dass er dessen Schöpfer ist. Jetzt stellen wir uns vor, Goethe hätte so etwas getan, er hätte Faust ein Buch mit Regeln übergeben, wie die Menschen sich in seinem Stück verhalten sollten, wie sie erschaffen wurden und was die Zukunft des Stückes sein wird. Faust erhält also vom „Schöpfer“ ein solches Buch und zeigt es den anderen Menschen seiner Welt (Mephisto, Margarethe, Kaiser, Kanzler, Hexen etc.). Wie reagieren dies nun auf seine Behauptung, sie seine Dramenfiguren und ein Schöpfer namens Goethe hätte sie allesamt geschaffen? Manche würde wahrscheinlich ohne weiteres Faust glauben (vor allem, wenn sie ihm wohl gesonnen sind), andere wiederum wären strickt dagegen (seine Gegner) und wieder andere wäre stark im Zweifel, könnten sich aber nicht entscheiden (Agnostiker). So sieht heute auch die Situation auf der Erde aus.
Doch das „Buch“, das uns der Schöpfer (Gott) übergeben hat, nämlich die Bibel, beinhaltet, wenn man sie genau liest, Erklärungen für jeden der zweifelt. Auch die Welt selbst ist mit der Vernunft erfassbar und wenn das Herz nicht verstockt ist und man wirklich „seine Hausaufgaben“ macht, dann erkennt man, dass dieser Schöpfer uns tatsächlich mitgeteilt hat, dass wir von ihm geschaffen sind. Um Gott zu erfahren müssen wir jedoch aufhören zu sehr auf die linke Gehirnhälfte (Sitze der Ration) alleine zu vertrauen und uns der ganzheitlich erfassenden rechten Gehirnhälfte ebenso bedienen. Atheisten sind keine Menschen, die wirklich wissen, dass es Gott nicht gibt. Es sind Menschen, die persönliche Gründe haben gegen Gott zu sein, beziehungsweise ein hohes Interesse daran haben, dass es Gott nicht gibt. Denn dem offenen Herzen und auch dem weisen Verstand ist Gott leicht zugänglich. Tatsächlich müssen Atheisten viel mehr glauben, als Menschen, die an Gott glauben. Ein Atheist ist ein Mensch der Lotto spielt mit einem einzigen Tipp und tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen für höher einschätzt, als jene zu verlieren. So verquert kann das Denken sein, wenn man sich der allumfassenden Erkenntnis verschließt!
Gott respektiert den freien Willen des Menschen, deshalb wird Gott sich niemals so zeigen, dass er sich einem aufdrängt, auch dem Verstand nicht, wie etwa 5 + 5 = 10 ist. Die Möglichkeit auch „Nein“ zu Gott zu sagen bleibt immer bestehen. Es ist ein Irrtum anzunehmen der freie Wille würde die Allmacht Gottes einschenken. Das ist eben gerade nicht der Fall. Der freie Wille ist nicht Einschränkung der Allmacht Gottes, sondern Ausdruck der Liebe zu seinen Geschöpfen. Gott möchte keine Sklaven, sondern Kinder, die ihn aus freien Stücken heraus lieben. Deshalb entsteht auch so viel Verwirrung, wenn es um das Leid in der Welt geht, welches nicht von Gott kommt, sondern durch den missbräuchlichen Gebrauch des freien Willens des Menschen entsteht. Egal, was ein Mensch glaubt, ob er nun Gott für wahr hält oder nicht, auch der Atheist hat folgende Kategorien für seine Annahme: Intellektuelle, persönliche und soziale Gründe.
Wer alles bis auf den Grund erforscht, über den Verstand, das Gefühl und den Willen hinausgeht, der kommt zur wahren Erkenntnis und diese besteht darin zu erkennen, dass es eine Gott gibt, der alles erschaffen hat, in dem alles ist und außerhalb dessen nichts existiert. Was dies wirklich bedeutet, frei von Raum und Zeit zu sein, vermag unser Verstand uns nicht zu sagen, denn diese sein eben dessen Grenzen; doch im Vertrauen auf den Allmächtigen können wir in Gewissheit unser Leben leben und wenn wir den Heiland Jesus Christus akzeptieren und anerkennen, dass er für unsere Sünden gestorben ist und am dritten Tag leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist, dann werden wir nicht verloren sein, sondern das ewige Leben haben. Das ist es, was ich aufrichtig glaube!

Donnerstag, 16. September 2010

Warum wir nichts wissen, sondern nur glauben können

Gleich vorweg die provokante Kernaussage dieses Artikels: Es ist dem Menschen nicht möglich irgendetwas zu wissen. Jedes Menschen Leben basiert auf bloßem Glauben, niemand ist, auch nur theoretisch, in der Lage, ein Leben auf Grundlage von Fakten oder dem Verstand zu führen!
Die obigen Aussagen können sehr gut anhand der Kontroverse Atheismus – Theismus aufgezeigt werden. Dass die Annahme der Existenz eines Gottes ein Glaubenssatz ist, ist ohne weiteres einzusehen. Schwieriger ist es schon, wenn es sich um den Atheismus handelt. Behaupten die Jünger dieser Weltanschauung doch beharrlich, sie wären etwas anderes als Gläubige, und meist meinen sie damit dem Glauben überlegen zu sein. Dies ist eine völlig falsche Sicht der Dinge. Nähern wir uns also der Frage nach Gott. Jeder Mensch auf der Welt steht vor der Frage nach Gott und jeder muss diese Frage beantworten. Es ist eine sehr harte Frage, denn es gibt nur ein klares „Ja“ oder ein klares „Nein“, eine unentschiedene oder neutrale Position, gibt es nicht. Deshalb sind auch Agnostiker keine „Neutralen“, sondern Atheisten, die meist zu feig sind, sich dazu zu bekennen. Ihre Antwort zu Gott ist ein „Nein“. Verwenden wir also den Verstand und die Beobachtung. Können wir beweisen, dass es einen Gott gibt? Nein, das können wir nicht. Können wir beweisen, dass es Gott nicht gibt? Nein, das können wir auch nicht. Wir haben also diesbezüglich eine Pattsituation und stehen weiter vor der Frage.
Jetzt gehen viele Menschen folgendermaßen vor: Sie sagen, dass man Gott zwar nicht widerlegen könne, doch wer etwas behaupte, habe es zu beweisen. Und nachdem Gott nicht beweisbar sei, könne man ihn nicht annehmen. Hört sich verständlich an. Doch hat dies mit der Wahrheit nichts zu tun. Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, auch wenn sie nicht bewiesen werden kann. Viele Menschen entscheiden sich aus der eben genannten Überlegung heraus für ein „Nein“ gegenüber Gott. Dieses „Nein“ beruht aber bewusst oder unbewusst auf der Anwendung der Wissenschaftlichen Methode, die fordert, dass Wahrheiten bewiesen werden müssen. Wie rechtfertigt man aber die Anwendung der wissenschaftlichen Methode auf Gott? Man kann es nicht rechtfertigen, denn derjenigen, der dies tut macht Gott zu einem Objekt der wissenschaftlichen Betrachtung. So jemand Macht Gott kleiner, als seinen eigenen Verstand. Ein solcher Gott ist aber nicht Gott, sondern eine menschliche Schöpfung (in diesem Fall macht der Mensch sich sogar selbst zum Gott). Das ist aber niemals Gott, sondern eine Karikatur eines Gottes, von so einem Gott hat die Religion nie gesprochen. Es gibt keinen Beweis, dass die wissenschaftliche Methode zu Wahrheit führt oder ihr auch nur nahe kommt. Ja man kann nicht einmal sagen, dass die wissenschaftliche Methode eine fortschrittlichere oder günstigere Methode der Erkenntnis sei, als irgendein anderes (früheres) System. Die Anwendung der Wissenschaft, ist selbst keine Entscheidung, die aus der Wissenschaft getroffen wird, sondern eine Glaubensentscheidung, nämlich des Glaubens an die Wissenschaft selbst. Es ist klar, dass die Wissenschaft ihre Grenzen dort hat, wo der menschliche Verstand seine Grenzen hat. Doch wie geht der Mensch mit den Dingen um, die über den Verstand hinausgehen? Darauf bleiben viele eine Antwort schuldig.
Der (intellektuelle) Atheismus beruht hauptsächlich auf der Anwendung der wissenschaftlichen Methodik auf Gott. Der Atheist entscheidet sich für eine „Nein“ und es gibt verstandesmäßig keine besseren Gründe für ein „Nein“ als für ein „Ja“. Atheismus ist ein Glaubenssystem, denn er beruht ebenso auf einer Annahme, wie der Glauben, die Anwendung des Erkenntnissystems kann nämlich nicht selbst bewiesen werden. Und selbst wenn es bewiesen werden könnte, müsste das System, aufgrund dessen jenes System gewählt worden wäre, selbst bewiesen werden usw. Das ergibt eine endlose Kette. Aber so verhält es sich mit allen Dingen im menschlichen Leben. Die Entscheidung für ein „Nein“ kann nicht als „überlegen“ angesehen werden wie die Entscheidung für ein „Ja“.
So sieht man, dass die Wissenschaft selbst auf einer Annahme beruht, nämlich, dass die wissenschaftliche Methode zur Wahrheit führe, zumindest eher als andere Systeme. Das kann aber selbst nicht bewiesen werden. Allenfalls noch in Bezug auf die uns umgebende Welt, niemals jedoch über das über die Materie hinausgehende. Das leichteste ist es dann zu sagen, dass es etwas Solches gar nicht gäbe. Doch das läuft ins Leere, denn dann müsste man wieder die Nichtexistenz beweisen, was wiederum nicht geht. Zu sagen: „Etwas kann nur als wahr angesehen werden, wenn es bewiesen werden kann“, ist ein Dogma ein Glaubenssatz, kein Wissen! So sieht man deutlich, dass auch die Wissenschaft und in ihrer Folge auch der Atheismus nicht auf Wissen, sondern auf Glauben beruht.
Der Mensch steht vor der Welt und muss Antworten geben. Es ist aber nicht einmal beweisbar, dass der Mensch selbst existiert. Wir nehmen es einfach an und sind uns dessen meist gar nicht bewusst. „Ich denke also bin ich“, ist kein Beweis für irgendetwas, auch nicht für die Existenz. Denn: „Ich denke, darum bin ich nicht“, ist von einem fundamentalen Standpunkt aus, genauso annehmbar. Deshalb spricht man in der Philosophie auch nicht mehr von Fakten oder der Wahrheit sondern nur noch von Theorien. Dass ich existiere, ist eine Theorie, keine Wahrheit. Keiner von uns kann beweisen, dass er nicht ein blauer Elefant ist, der träumt er sei ein Mensch. Dass dies uns so absurd erscheint, kommt daher, dass wir alle annehmen, dass wir existieren. Doch vom abstraktesten Standpunkt aus, den wir uns überhaupt noch denken können, kann der Mensch überhaupt keine Aussagen zu irgendetwas machen und der Traum des Elefanten ist dann auch überhaupt keine Absurdität mehr.
Was wir Wissen nennen ist etwas, das sich innerhalb eines angenommenen Systems abspielt. Dass 2 + 2 = 4 ist, kann auch nicht bewiesen werden. Um das zu tun, muss ich meinen Verstand, meine Logik verwenden (wobei ich annehmen muss, dass es so etwas überhaupt gibt, wie auch mich selbst, selbstredend). Unter dieser Annahme komme ich zum Ergebnis dass 2 + 2 wirklich 4 ist. Gehen wir aber unserem Leben auf den Grund, sehen wir, dass wir auf einem ganzen Berg von Annahmen stehen, die uns nicht bewusst sind. Die Philosophie trägt nun Schicht für Schicht ab und am Ende kommen wir zu Sokrates berühmter Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. So ist es tatsächlich (nicht nur im übertragenen Sinn). Es lässt sich kein Mensch finden, der irgendetwas weiß, noch hat es einen solchen Menschen je gegeben. Die Grundlage jeden Lebens ist bloße Annahme (Glauben). Was wir Wissen nennen, sind nur Ableitungen aus Glaubenssätzen. Meist ist es jedoch so, dass dies nicht erkannt wird und Menschen deshalb meinen sie müssten sich für die als Wissen getarnten Glaubenssätze eines anderen entscheiden, weil sie dem nichts entgegen zu setzen haben.
Obwohl kein Mensch irgendetwas weiß, benehmen sich die Menschen aber im Leben so, als ob sie über Wissen verfügten. Ich glaube eine wichtige Aufgabe könnte es sein, allen zu zeigen, dass sie einsehen sollen, nichts zu wissen und auch sehen, dass auch sonst niemand etwas weiß. Es gibt nichts Schlimmeres als Menschen, die glauben sie hätten Wissen, oder die glauben, dass Wissen überhaupt existierte. Junge Menschen glauben meist sehr viel zu wissen (und wissen am allerwenigsten), doch je älter einer wird, desto eher wird er bereit sein, Dinge einfach anzunehmen, nicht aus Naivität heraus, sondern aus tieferer Einsicht in die Welt und mehr noch in sich selbst.
Noch ein kleines Beispiel zu den Religionen. Es gibt Leute, die sagen, alle Religionen hätten irgendwo Recht. Viele nicken, wenn sie so etwas hören, ohne diese Aussage zu hinterfragen. Wie kann jemand so eine Aussage treffen? So eine Person nimmt für sich in Anspruch, mehr zu wissen als alle Religionen zusammen, also selbst über überlegenes Wissen zu verfügen. Ähnlich ist die Aussage, dass die Religionen ihre Absolutheitsansprüche aufgeben müssten. So eine Aussage ist aber selbst wieder eine absolut Aussage und die Person, die sie trifft, tut selbst genau das, was sie die anderen vorwirft!
P.S.: Natürlich ist alles, was in diesem Artikel geschrieben wurde, selbst aus einer ganzen Reihe von bloßen Annahmen entstanden.

Montag, 6. September 2010

Michel de Montaigne (1533-1592)

Mit Michel de Montaigne begegnen wir einem der größten Denker des 16. Jahrhunderts, einem der bedeutendsten Franzosen überhaupt und einem Philosophen, der immer bodenständig blieb und der höchsten Wert auf die praktische Anwendbarkeit seiner Überlegungen legte. Seine Gedanken entstanden denn auch größtenteils aus der Beobachtung des Lebens, oft von recht einfachen Menschen, die er, obwohl aus dem Adel stammend, nicht geringer schätzte, als die „Edlen“. Sein tief humanistisches Denken bereitete unter anderem der Aufklärung den Boden. Viele seiner Ideen waren zu seiner Zeit bereits revolutionär und sind es bis heute geblieben. In Montaigne begegnet uns ein Freund und Vorbild, der uns praktisch in bedeutenden Lebensfragen beraten kann und praktikabel Lösungen anbietet.
Montaigne kam aus einer Kaufmannsfamilie, die erst vor kurzem zu großem Reichtum gelangt war. Der Vater kaufte östlich von Bordeaux das Schloss Montaigne, nachdem sich das Geschlecht nun auch benannte. Der vormalige Familienname lautete Eyquem. Der Vater begleitete den französischen König nach Italien und kam dort mit den Ideen der Renaissance in Berührung. Voller Begeisterung übernahm er selbst die Erziehung seines Sohnes Michel und ließ diesen Latein nach der Naturmethode erlernen. Bald sprach Michel diese Sprache genau so gut, wie seine Muttersprache und es wird berichtet es sei sogar vorgekommen, dass er in Erregung auf Lateinisch geflucht habe. Er wurde weiter in Bordeaux und Toulouse ausgebildet und etablierte sich als junger Mann als Rechtsanwalt. 1565 heiratete er. Aus der Ehe entsprangen sechs Kinder, von denen jedoch nur eines überlebte. 1568 starb Michels Vater und Michel erbte dessen Schloss und sonstige Besitzungen. Im Alter von 38 Jahren zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und widmete sich fortan dem Studium des Lebens, vor allem seines eigenen. Montaigne ist denn auch ein untypischer Philosoph, nicht nur insofern, als er sich genau so der Körperlichkeit des Menschen widmete, wie seines Geistes und praktische Ratschläge erteilte, sondern auch darin, dass er uns in seiner Philosophie am meisten über seine eigene Person berichtet.
Ab 1580 machte er Reisen nach Deutschlang und Italien. In dieser Zeit, trotz seiner Abwesenheit, wurde er zum zweiten Mal zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt. Ab 1585 arbeitete er an seinen „Essais“ und lebte, so ruhig und zurückgezogen wie möglich, auf seinem Schloss. Er war ein Mann von rastlosem Bestreben, der stets bereit war alles zu hinterfragen; er konnte sich nicht mit einer fertigen Meinung begnügen, die er nicht bis in alle Einzelheiten untersucht hatte. Die Frage, die er sich ständig stellt lautete: „Was weiß ich?“; Damit trat er an die Welt und ihre Meinungen heran.
Montaigne untersuchte das Leben und stellte fest, dass der Mensch sich oft minderwertig fühlten und zwar aus drei Gründen: 1.) körperliche Nachteile, wie etwa Hässlichkeit, Übergewicht, Körpergröße oder andere Mängel, 2.) durch die Meinung anderer Menschen, die uns für ungenügend halten und 3.) durch das Gefühl mit dem Verstand einer Sache nicht gewachsen zu sein, das Empfinden von intellektuelle Minderwertigkeit.
Montaigne akzeptierte die Natur des Menschen und wies darauf hin, dass der Mensch viel Tierisches an sich hat und dass dies nichts Schlechtes sei, vor allem die Sexualität und die Geschlechtsteile sah er als positiv an. Wir sollten beim Körperlichen die Tiere zum Vorbild nehmen, die sich niemals schämen würden, sich niemals minderwertig fühlten, egal wie auch immer sie aussehen mögen. Das Schlimmste, was ein Mensch tun kann, ist sich selbst zu verachten, leider eine Fähigkeit des Geistes, der sich gegen seinen Körper stellen kann. Bis zu Montaigne glaubten Philosophen, dass der Mensch glücklich werden könne, weil er denken kann, weil er einen Geist hat. Montaigne hingegen fand heraus, dass gerade der Geist die Ursache für das Unglück des Menschen werden kann, vor allem durch die Erschaffung von innerer Idealvorstellungen und durch Vergleiche mit anderen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen und sehr leicht zum Empfinden von Minderwertigkeiten führen kann. Das nächste Problem des Geistes ist, dass er sich einbilden kann, dass er wüsste, was richtig ist, uns arrogant macht und uns dazu bringt diese Ansicht auf andere Menschen zu übertragen, sie dazu zu bringen, die Welt so zu sehen, wie wir es tun.
Jede Kultur hat ihre Ansichten darüber, was normal ist, davon abzuweichen bringt einen sehr schnell in Konflikt mit ihr. Menschen entscheiden sehr schnell und ohne Reflexion, was richtig ist und was nicht und verfolgen die Nichtkonformen. Vorurteile bekämpft man sehr gut dadurch, dass man auf Reisen geht und sich andere Kulturen ansieht. So sieht man, dass „normal“ ein völlig relativer Begriff ist. Durch Reisen sieht man klarer, wie der eigene Glauben sich gebildet hat und wie er entstanden ist. Wenn man mit Vorurteilen anderer konfrontiert ist, ist Reisen eine gute Hilfe.
Wenn man sich minderwertig fühlt aufgrund dessen, was andere Menschen von einem denken, dann empfiehlt Montaigne, dass man sich die entsprechenden Personen auf der Toilettenschüssel vorstellt. Auch wenn einer auf dem Thron sitzt, sitzt er immer noch auf dem Hintern.
Montaigne kritisiert auch die Ansicht, dass akademische Qualifikation etwas mit Weisheit zu tun hat. Das Schulsystem belohnt das Lernen, nicht Weisheit. Es ist sehr leicht möglich dass einer völlig unweise ist, aber mehrere Doktortitel besitzt, genau so wie einer niemals eine höhere Schule besucht haben kann, aber sehr weise ist. Eine Dummheit unserer Gesellschaft ist es, dies nicht zu glauben und aus Titel und Auszeichnungen auf Fähigkeiten zu schließen. Es wird so verständlich, dass Menschen eher nach akademischer Qualifikation, als nach echter Weisheit streben. Ein Großteil der Akademiker ist nicht an der Wahrheit, sondern an Erfolg, Reichtum und Ansehen interessiert und dazu bedarf es keiner Weisheit.
Gegen die dritte Art von Minderwertigkeit, die intellektuelle wirken diese Überlegungen sehr gut. Jeder Mensch hat die Fähigkeit zu denken, jeder kann ein Philosoph sein, das heißt ein Mensch der seinen Verstand verwendet und durch Denken sich Freiheit von der Meinung anderer verschafft. Wer selbständig denken kann, der fühlt sich sicherer mit sich selbst und bedarf der Zustimmung der anderen nicht. Der Dumme braucht immer die anderen und ist deshalb der Sklave der Gesellschaft und ihrer Autoritäten.
Ein berühmtes Zitat von Montaigne lautet: „Ruhm und Geistsruhe können niemals Bettgenossen sein.“


Fragen zur Weisheit (meine Fragen, nicht diejenigen Montaignes):

• Sind die Gefühle und Gedanken anderer Menschen von Bedeutung?
• Wie wird ein Mensch glücklich?
• Was soll man tun, wenn man verärgert, frustriert oder traurig ist?
• Wie führt man gute Beziehungen? Wie baut man sie auf? Wie beendet man sie?
• Warum leben Menschen ihr Leben auf die Art und Weise, wie sie es jeweils tun?
• Ist es besser erfolgreich und unehrlich zu sein oder wahrhaftig dafür einsam, arm und erfolglos?
• Hat Bildung etwas mit Weisheit zu tun?
• Was ist ein wertvolles Leben?
• Gibt es Menschen, die anderen gegenüber höherwertig sind?
• Ist es richtig Dinge als wahr anzunehmen, obwohl der eigene Geist sie nicht beweisen kann? Was ist dann die Grundlage dieser Annahme? Kann man sie vor seinem eigenen Gewissen rechtfertigen?
• Zählen Sie drei Dinge auf, die Sie für wahr halten, die Sie aber nicht begründen können.
• Was ist das Gewissen des Menschen? Wie entsteht es? Soll man immer darauf hören?
• Was ist der Maßstab, nachdem man das Leben und die Welt bemessen soll?
• Gibt es in der heutigen Zeit noch eine Rechtfertigung für Autoritäten? Und wenn ja, welche?
• Gibt es einen Zusammenhang zwischen Mehrheitsmeinung und Richtigkeit?