Donnerstag, 16. September 2010

Warum wir nichts wissen, sondern nur glauben können

Gleich vorweg die provokante Kernaussage dieses Artikels: Es ist dem Menschen nicht möglich irgendetwas zu wissen. Jedes Menschen Leben basiert auf bloßem Glauben, niemand ist, auch nur theoretisch, in der Lage, ein Leben auf Grundlage von Fakten oder dem Verstand zu führen!
Die obigen Aussagen können sehr gut anhand der Kontroverse Atheismus – Theismus aufgezeigt werden. Dass die Annahme der Existenz eines Gottes ein Glaubenssatz ist, ist ohne weiteres einzusehen. Schwieriger ist es schon, wenn es sich um den Atheismus handelt. Behaupten die Jünger dieser Weltanschauung doch beharrlich, sie wären etwas anderes als Gläubige, und meist meinen sie damit dem Glauben überlegen zu sein. Dies ist eine völlig falsche Sicht der Dinge. Nähern wir uns also der Frage nach Gott. Jeder Mensch auf der Welt steht vor der Frage nach Gott und jeder muss diese Frage beantworten. Es ist eine sehr harte Frage, denn es gibt nur ein klares „Ja“ oder ein klares „Nein“, eine unentschiedene oder neutrale Position, gibt es nicht. Deshalb sind auch Agnostiker keine „Neutralen“, sondern Atheisten, die meist zu feig sind, sich dazu zu bekennen. Ihre Antwort zu Gott ist ein „Nein“. Verwenden wir also den Verstand und die Beobachtung. Können wir beweisen, dass es einen Gott gibt? Nein, das können wir nicht. Können wir beweisen, dass es Gott nicht gibt? Nein, das können wir auch nicht. Wir haben also diesbezüglich eine Pattsituation und stehen weiter vor der Frage.
Jetzt gehen viele Menschen folgendermaßen vor: Sie sagen, dass man Gott zwar nicht widerlegen könne, doch wer etwas behaupte, habe es zu beweisen. Und nachdem Gott nicht beweisbar sei, könne man ihn nicht annehmen. Hört sich verständlich an. Doch hat dies mit der Wahrheit nichts zu tun. Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, auch wenn sie nicht bewiesen werden kann. Viele Menschen entscheiden sich aus der eben genannten Überlegung heraus für ein „Nein“ gegenüber Gott. Dieses „Nein“ beruht aber bewusst oder unbewusst auf der Anwendung der Wissenschaftlichen Methode, die fordert, dass Wahrheiten bewiesen werden müssen. Wie rechtfertigt man aber die Anwendung der wissenschaftlichen Methode auf Gott? Man kann es nicht rechtfertigen, denn derjenigen, der dies tut macht Gott zu einem Objekt der wissenschaftlichen Betrachtung. So jemand Macht Gott kleiner, als seinen eigenen Verstand. Ein solcher Gott ist aber nicht Gott, sondern eine menschliche Schöpfung (in diesem Fall macht der Mensch sich sogar selbst zum Gott). Das ist aber niemals Gott, sondern eine Karikatur eines Gottes, von so einem Gott hat die Religion nie gesprochen. Es gibt keinen Beweis, dass die wissenschaftliche Methode zu Wahrheit führt oder ihr auch nur nahe kommt. Ja man kann nicht einmal sagen, dass die wissenschaftliche Methode eine fortschrittlichere oder günstigere Methode der Erkenntnis sei, als irgendein anderes (früheres) System. Die Anwendung der Wissenschaft, ist selbst keine Entscheidung, die aus der Wissenschaft getroffen wird, sondern eine Glaubensentscheidung, nämlich des Glaubens an die Wissenschaft selbst. Es ist klar, dass die Wissenschaft ihre Grenzen dort hat, wo der menschliche Verstand seine Grenzen hat. Doch wie geht der Mensch mit den Dingen um, die über den Verstand hinausgehen? Darauf bleiben viele eine Antwort schuldig.
Der (intellektuelle) Atheismus beruht hauptsächlich auf der Anwendung der wissenschaftlichen Methodik auf Gott. Der Atheist entscheidet sich für eine „Nein“ und es gibt verstandesmäßig keine besseren Gründe für ein „Nein“ als für ein „Ja“. Atheismus ist ein Glaubenssystem, denn er beruht ebenso auf einer Annahme, wie der Glauben, die Anwendung des Erkenntnissystems kann nämlich nicht selbst bewiesen werden. Und selbst wenn es bewiesen werden könnte, müsste das System, aufgrund dessen jenes System gewählt worden wäre, selbst bewiesen werden usw. Das ergibt eine endlose Kette. Aber so verhält es sich mit allen Dingen im menschlichen Leben. Die Entscheidung für ein „Nein“ kann nicht als „überlegen“ angesehen werden wie die Entscheidung für ein „Ja“.
So sieht man, dass die Wissenschaft selbst auf einer Annahme beruht, nämlich, dass die wissenschaftliche Methode zur Wahrheit führe, zumindest eher als andere Systeme. Das kann aber selbst nicht bewiesen werden. Allenfalls noch in Bezug auf die uns umgebende Welt, niemals jedoch über das über die Materie hinausgehende. Das leichteste ist es dann zu sagen, dass es etwas Solches gar nicht gäbe. Doch das läuft ins Leere, denn dann müsste man wieder die Nichtexistenz beweisen, was wiederum nicht geht. Zu sagen: „Etwas kann nur als wahr angesehen werden, wenn es bewiesen werden kann“, ist ein Dogma ein Glaubenssatz, kein Wissen! So sieht man deutlich, dass auch die Wissenschaft und in ihrer Folge auch der Atheismus nicht auf Wissen, sondern auf Glauben beruht.
Der Mensch steht vor der Welt und muss Antworten geben. Es ist aber nicht einmal beweisbar, dass der Mensch selbst existiert. Wir nehmen es einfach an und sind uns dessen meist gar nicht bewusst. „Ich denke also bin ich“, ist kein Beweis für irgendetwas, auch nicht für die Existenz. Denn: „Ich denke, darum bin ich nicht“, ist von einem fundamentalen Standpunkt aus, genauso annehmbar. Deshalb spricht man in der Philosophie auch nicht mehr von Fakten oder der Wahrheit sondern nur noch von Theorien. Dass ich existiere, ist eine Theorie, keine Wahrheit. Keiner von uns kann beweisen, dass er nicht ein blauer Elefant ist, der träumt er sei ein Mensch. Dass dies uns so absurd erscheint, kommt daher, dass wir alle annehmen, dass wir existieren. Doch vom abstraktesten Standpunkt aus, den wir uns überhaupt noch denken können, kann der Mensch überhaupt keine Aussagen zu irgendetwas machen und der Traum des Elefanten ist dann auch überhaupt keine Absurdität mehr.
Was wir Wissen nennen ist etwas, das sich innerhalb eines angenommenen Systems abspielt. Dass 2 + 2 = 4 ist, kann auch nicht bewiesen werden. Um das zu tun, muss ich meinen Verstand, meine Logik verwenden (wobei ich annehmen muss, dass es so etwas überhaupt gibt, wie auch mich selbst, selbstredend). Unter dieser Annahme komme ich zum Ergebnis dass 2 + 2 wirklich 4 ist. Gehen wir aber unserem Leben auf den Grund, sehen wir, dass wir auf einem ganzen Berg von Annahmen stehen, die uns nicht bewusst sind. Die Philosophie trägt nun Schicht für Schicht ab und am Ende kommen wir zu Sokrates berühmter Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. So ist es tatsächlich (nicht nur im übertragenen Sinn). Es lässt sich kein Mensch finden, der irgendetwas weiß, noch hat es einen solchen Menschen je gegeben. Die Grundlage jeden Lebens ist bloße Annahme (Glauben). Was wir Wissen nennen, sind nur Ableitungen aus Glaubenssätzen. Meist ist es jedoch so, dass dies nicht erkannt wird und Menschen deshalb meinen sie müssten sich für die als Wissen getarnten Glaubenssätze eines anderen entscheiden, weil sie dem nichts entgegen zu setzen haben.
Obwohl kein Mensch irgendetwas weiß, benehmen sich die Menschen aber im Leben so, als ob sie über Wissen verfügten. Ich glaube eine wichtige Aufgabe könnte es sein, allen zu zeigen, dass sie einsehen sollen, nichts zu wissen und auch sehen, dass auch sonst niemand etwas weiß. Es gibt nichts Schlimmeres als Menschen, die glauben sie hätten Wissen, oder die glauben, dass Wissen überhaupt existierte. Junge Menschen glauben meist sehr viel zu wissen (und wissen am allerwenigsten), doch je älter einer wird, desto eher wird er bereit sein, Dinge einfach anzunehmen, nicht aus Naivität heraus, sondern aus tieferer Einsicht in die Welt und mehr noch in sich selbst.
Noch ein kleines Beispiel zu den Religionen. Es gibt Leute, die sagen, alle Religionen hätten irgendwo Recht. Viele nicken, wenn sie so etwas hören, ohne diese Aussage zu hinterfragen. Wie kann jemand so eine Aussage treffen? So eine Person nimmt für sich in Anspruch, mehr zu wissen als alle Religionen zusammen, also selbst über überlegenes Wissen zu verfügen. Ähnlich ist die Aussage, dass die Religionen ihre Absolutheitsansprüche aufgeben müssten. So eine Aussage ist aber selbst wieder eine absolut Aussage und die Person, die sie trifft, tut selbst genau das, was sie die anderen vorwirft!
P.S.: Natürlich ist alles, was in diesem Artikel geschrieben wurde, selbst aus einer ganzen Reihe von bloßen Annahmen entstanden.

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