Montag, 27. Dezember 2010

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr

Die letzten Tage eines Jahres sind immer von einer ganz besonderen Stimmung geprägt. Die Festlichkeiten zu Weihnachten sind abgeklungen und es stehen Silvester und Neujahr bevor. Es ist eine Zeit, in der die meisten Menschen zur Ruhe kommen, im Kreise der Liebsten verbringen, und das Vergangene Revue passieren lassen. Man erinnert sich vielleicht an die Kindheit, and die Dinge, die man gerne getan hat, was einen überrascht hat, wie Weihnachten gewesen war und welche Geschenke man bekommen hat. Vor allem aber sind die Gedanken auch bei den lieben Menschen, die nicht mehr unter uns weilen. Ein Blick ins Familienalbum lässt Gefühle wieder hochkommen, die das ganze Jahr über schlummerten. Es ist eine Zeit, die sentimentaler ist, als jede andere im Jahr. Und das ist auch gut so.
Man erinnert sich and die guten Vorsätze, die man beim letzten Jahreswechsel gefasst hat und man sieht mit einem kritischen Auge auf Soll und Haben, das, was daraus geworden ist. Dabei bemerkt fast ein jeder, dass nicht alles, was man sich vorgenommen hatte auch in Erfüllung ging. Manches war bloßer Wunschtraum, nicht oder nur wenig durchdacht, anderes konnte sich aufgrund von unerwarteten Wendungen des Schicksals nicht erfüllen und wieder anderes stellte sich als weniger bedeutsam heraus, als man ursprünglich annahm. Aber auch das Positive soll nicht vergessen werden. So sind doch auch einige Glücksfälle eingetreten, manches hat sich weitaus besser entwickelt als vermutet wurde und nicht selten hat der eine oder andere auch eine große freudige Überraschung erleben dürfen.
Dann wieder sind die Gedanken auch bei der Welt und den Menschen, denen es nicht so gut geht wie einem selbst. Man bedauert dann und wünscht sich, dass die Welt eine bessere werde, fühlt sich selbst aber hilflos und vermeint nichts tun zu können. Manches Gebet wird gesprochen, doch glaubt man selbst nicht dran, dass es erhört werden könnte, zumindest hat man das Gefühl, dass in der Vergangenheit nur allzu viele Gebete auf ein offenes Ohr beim Höchsten trafen. Natürlich wissen wir im Grunde es besser, doch vermögen wir nicht zu bemessen, wie sich die großen Dinge im Generalplan Gottes verhalten und deshalb erscheint uns die Welt oft sinnlos und ohne Ziel. Wenn ein Mensch von einem rein naturalistischen Weltbild ausgeht, dann ist das Leben fürwahr absurd, richtig und falsch, Wahrheit und Lüge sind dann völlig relativ und vom weitest möglichen Standpunkt aus, macht im Grunde keine Sache irgendeinen Sinn. Nur allzu oft haben Wissenschaft und Philosophie versucht uns diese traurige Weltsicht schmackhaft zu machen – glücklicherweise ohne Erfolg. Und so mag es auch in Zukunft so bleiben.
Die Zeit bis zum 31. Dezember ist oft auch wie eine leere Periode, in der der einzelne sein eigenes Leben hinterfragt. Zwischen reichhaltigen Mahlzeiten und Besuchen bei Verwandten und Freunden, schleicht sich das Gefühl der Unzufriedenheit ein, die im Alltag aufgrund der großen Hektik kaum merkbar ist, da sie überdeckt wird durch die vermeintlichen Notwendigkeiten des Lebens. In Wahrheit sind diese oft nur eine Flucht vor der Realität. Es gibt eine Art Faulheit des Geistes, die sich in übergroßer Aktivität zeigt. Gerade die Fleißigsten und Aktivsten, sind zuweilen die faulsten Menschen. Was ich damit sagen will? Wer sich die Zeit und Ruhe nimmt, gerade in diesen Tagen, sich zu fragen „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“, „Wohin gehe ich?“ oder „Was ist der Sinn meines Daseins“, weiß genau, wovon ich hier schreibe.
„Produziere mehr und konsumiere weniger!“, das empfehle ich für das neue Jahr. Wer immer nur konsumiert (wobei wir alle zu diesem Verhalten erzogen worden sind), wird abhängig und hat immer weniger Kontrolle über sein Leben. Gerade der Wohlstand unserer Gesellschaft hat bei vielen Teilen der Bevölkerung (namentlich bei einem Großteil der Jungend) zu Unglück geführt. Es ist paradox, aber gerade aufgrund des Wohlstandes ist vielen von uns das Glück abhanden gekommen. Wahres Glück kommt davon, dass man etwas erreicht, dass man etwas ist und nicht, weil man etwas hat. Die Freiheit liegt zu einem guten Teil darin, nicht wie ein Kind nur zu empfangen, sondern vor allem zu geben. Und das ist es, was ich mit Produzieren meine. Dabei geht es um alle Bereiche des Lebens vom privaten bis zum beruflichen. Etwas herzustellen, etwas für andere zu tun, erfüllt einen nicht nur mit einem Gefühl der Genugtuung und einem Sinn für das eigene Dasein, sondern es verschafft einem auch mehr Freiheit und damit, das sei gar nicht verschwiegen, auch mehr Macht. Allerdings eine Macht, die nicht darauf aufbaut andere zu beherrschen oder mehr zu haben, sondern mehr zu sein und diese Art von Macht macht die Welt zu einem besseren Ort.
Wenn einer schwermütig oder gar depressiv ist, dann gibt es nichts Besseres, als einmal von der eigenen Person abzusehen und etwas für andere zu tun. Konzentration auf sich selbst verstärkt negative Stimmungen nur noch mehr. Das Positive kommt dann nur durch das Kümmern um den anderen, den Mitmensch. Das ist nicht nur die Botschaft, die uns Weihnachten einmal im Jahr gibt, sondern sie sollte in unseren Herzen alle 365 Tage lang präsent sein.
Möge das Jahr 2011 für alle Menschen ein gutes Jahr werden, ein Jahr, indem die Menschen mehr zu sich selbst finden und sich das Gute verwirklicht, zu dem wir alle in der Lage sind!

Montag, 22. November 2010

Konsumterror

„Alle Jahre wieder...“, so beginnt ein bekanntes Weihnachtslied. Doch heutzutage kommt wohl immer seltener das Christuskind, als vielmehr der „consumption man“, der stupide Durchschnittsbürger, der im Leben nichts anderes kennt als die materielle Welt um sich herum. Obwohl er sich darin alles andere als glücklich fühlt, scheint der Konsum für ihn das einzige zu sein, was ihm bis zu einem gewissen Grad eine Befriedigung gibt. Wie armselig muss das Leben eines Menschen sein, für den das Haben von großer Wichtigkeit ist?! Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit sieht man sie wieder überall, die Menschen, die nichts anderes im Kopf haben, als ihr schwer verdientes Geld in Waren und Dienstleistungen umzuwandeln. Fast 300 Euro soll der durchschnittliche Deutsche oder Österreicher im kommenden Monat für Weihnachtsgeschenke ausgeben, so die Prognose der Experten. 300 Euro, die viel vernünftiger verwendet werden könnten.
Die Freiheit des Menschen liegt gerade darin „Nein“ zu sagen, „Nein“ zu Konsum, „Nein“ zu den Dingen und letztlich auch „Nein“ zu den meisten Menschen um ihn herum. Wie soll jemand frei sei, der in notweniger Verbindung zu Dingen oder Menschen steht? Ist Freiheit nicht gerade die Ungebundenheit, das Nichtbrauchen von irgendetwas außer sich selbst? Ich meine dem ist genau so. Die meisten erkennen überhaupt nicht die Ketten, die sie fesseln und leben in der Illusion freie Menschen zu sein – als ob es so etwas, wie einen freien Menschen auf dieser Welt gäbe? Nun, ich übertreibe ein wenig, denn es gibt sie schon die freien Menschen, doch sie sind äußerst rar und machen nicht viel Aufhebens um sich, ja sie werden vom normalen Bürger als „seltsam“ oder gar als „Sonderlinge“ angesehen.
Glücklich sind die Menschen, die Weihnachten überhaupt nicht feiern und diese Tage begehen wie alle anderen des Jahres. Der ursprüngliche Sinn dieses Festes ist ohnehin verloren gegangen und in der Bibel steht auch nichts von einem Tannenbaum, den man in seiner Wohnung aufstellt. Sinnloserweise werden ganze Plantagen von Christbäumen gepflanzt, nur um dann für ein oder zwei Wochen in einer warmen, trockenen Stube vor sich hinzuverdorren. Dazu die Heuchelei! Die Familien kommen zusammen, freuen sich künstlich, singen schmalzige Lieder und schlagen sich die Wampen voll und nicht selten kommt dazu eine nicht ganz unerhebliche Menge an Hochprozentigem, ohne welchem, das gestehe man vielen zu, die Festtage nicht zu überstehen wären. Nie gibt es in Familie mehr Spannungen als zu den Festtagen und gerade diese böten eine große Chance zu erkennen, was eigentlich falsch zwischen den Menschen läuft. Freunde sucht man sich aus, doch mit der Familie ist man geschlagen, ein Leben lang, man muss sie nehmen wie sie ist, auch wenn man keines ihrer Mitglieder liebt. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Menschen so verbogen werden diejenigen zu lieben, mit denen sie gemeinsame Vorfahren haben. Wohlwollen wird zur Pflicht, die wahren Gefühle eines Menschen spielen dabei keine Rolle. Mütter und Väter erziehen ihre Kinder so, dass diese sie und die anderen Verwandten lieben. Dass dies in Wahrheit oft gar nicht der Fall ist, wir durch eine künstliche Schicht an „Rollenspielen“ überdeckt, so dass nach außen hin alles harmonisch und schön aussieht. Der Schein zählt mehr als das Sein! So funktioniert jede Gesellschaft. Und gerade aus der seelischen Not heraus, die die Folge eines solchen falschen Verhaltens ist, speisen sich allerlei Abhängigkeiten. Der Mensch, der nicht er selbst sein kann, muss Anhaftungen an Dinge und Menschen entwickeln, anders kann er nicht überleben. Der Konsum, in seiner ausgeprägteren Form, ist nur eine der Auswirkungen dieser, ich denke, man kann es durchaus so nennen, ausgewachsenen Neurose!
Ein Vorschlag für dieses Jahr: Weihnachten und Neujahr einfach verschlafen und am dritten oder vierten Jänner wieder aufwachen: Dann ist der Spuk vorbei und man ist nichts anderes als gut ausgeruht für das neue Jahr!

Freitag, 29. Oktober 2010

Narzissmus

Narzissmus ist etwas, das im Verhalten von Menschen, vor allen in der westlichen Kultur, nicht selten zu beobachten ist. Ja unsere Gesellschaft fördert bis zu einem gewissen Grad narzisstische Bestrebungen, denn ohne sie ist ein Fortkommen kaum möglich. Was passiert aber, wenn der Narzissmus die gesamte Persönlichkeit bestimmt, wenn es daneben nichts anderes mehr gibt und die Person ein echter Narzisst geworden ist? Dann spricht man von der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung – davon handelt dieser Artikel.
Was versteht man unter einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung? Die von der WHO herausgegebene Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) fordert für die Klassifizierung der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung (neben den allgemeinen Voraussetzungen für Persönlichkeitsstörungen) mindestens fünf der folgenden Punkte:

• Sich selbst für grandios halten, die eigene Wichtigkeit enorm übersteigern
• Ist von starken Phantasien (Macht, Geld, Erfolg, Schönheit etc.) beherrscht
• Glaubt an die eigene Einzigartigkeit, die weit über das Normalmenschliche hinausreicht
• Hängt exzessiv von der Bewunderung anderer ab.
• Extrem hohe Ansprüche stellen, verlangt Sonderbehandlungen
• Ausbeuterisch in zwischenmenschlichen Beziehungen. Andere Menschen sind Quellen, um zu überleben, um die anderen selbst geht es überhaupt nicht.
• Eklatanter Mangel an Empathie (im Extremfall gar nicht vorhanden)
• Empfindung von sehr großem Neid oder der Glaube andere seien neidig auf einen
• Arroganz, Hochmut

Wie sieht nun konkret das Verhalten eines Narzissten (im pathologischen Sinne) aus? Narzissten haben ein Selbstbild, das auf eigene Grandiosität und Unbesiegbarkeit, Allmacht oder Allwissenheit aufbaut. Sie vermeiden es aber diese von ihnen behaupteten Qualitäten unter Beweis zu stellen. Der Narzisst ist darüber erhaben, Beweise liefern zu müssen. Er vermeidet den Wettbewerb und stellt sich als über solche Dinge erhaben dar. Der Narzisst betrachtet andere als Quellen für sein Leben, die er nach Belieben ausbeuten kann, da diese ihm eine Art „Tribut“ schulden, ohne, dass er dafür in irgendeiner Weise eine Gegenleistung zu erbringen hätte. Er ist oft sadistisch veranlagt, verwendet den Sadismus aber mehr dazu andere willfährig zu machen, nicht, weil er Freude am Schmerz des anderen empfindet, so wie der reine Sadist. Andere Menschen sind Objekte, keine Subjekte, haben sie ihre Aufgabe erfüllt, werden sie „entsorgt“ und durch andere Quellen ersetzt. Der Narzisst hat keine echte Bindung zu anderen Menschen und trauert auch nicht um andere, selbst wenn sie sterben sollten. Die Körpersprache des Narzissten ist dominant, arrogant, erhaben, er versucht sich überlegen darzustellen, vermeidet echten Körperkontakt, kann aber oft sehr lange Augenkontakt halten, dabei behält er aber immer eine Distanz zu anderen, er ist nie verbindlich. Er spielt soziale Verbundenheit vor, ist aber zu Teamarbeit unfähig und spielt den Intellektuellen, den Professor, derjenige in der Gruppe, der niemals emotional eingebunden ist, sondern alles aus einer überlegenen Position heraus analysiert. Das gibt ihm das Gefühl über anderen zu stehen. Darauf angesprochen gibt der Narzisst vor über großen Gleichmut zu verfügen, ein kühler Kopf zu sein und dergleichen. In Wahrheit jedoch ist ein Narzisst ein sozialer Idiot, dem Empathie völlig fehlt, auch wenn er oft charmant sein kann und anderen Mitgefühl und Anteilnahme vorspielen kann. Der Narzisst ist ein Opportunist, er investiert Gefühle immer nur, um von anderen etwas zu bekommen, nie weil ihm am Wohl der anderen etwas liegt.
Narzissten verlangen meist eine Sonderbehandlung, bessere Konditionen als andere, bessere Plätze im Restaurant, bevorzugte Behandlung und wollen meist mit Chefs, nicht mit Angestellten reden, das wäre unter ihrer Würde, so glauben sie. Der Narzisst übernimmt keine Verantwortung für sein Leben, sein Unwohlsein führt er auf das Verhalten der anderen, der Welt, auf die unguten Umstände und Zeiten in denen er lebt zurück. Er gibt sich als der „einsame Wolf“, dessen Idee irgendwann von der Geschichte anerkannt werden würden. Er gibt vor eine Art Genie zu sein, aber die Welt sei zu „dumm“ dies zu erkennen. Gewöhnliche Tätigkeiten sind ihm verhasst, Routine lehnt er ab, er braucht Unterhaltung. So besitzt er auch kein Durchhaltevermögen und kann keine langfristigen Pläne fassen. Narzissten idealisieren andern und werten sie dann hinterher ab. Sie loben, wen sie brauchen für ihr übergroßes Bedürfnis nach Ansehen und Bewunderung. Haben sie den anderen aber „ausgesaugt“, dann wendet sich der Narzisst brutal ab und lässt den anderen mit seinem Leid alleine.
Narzissten sprechen manchmal von sich selbst in der dritten Person, sie sprechen von ihrem Leben wie vom Leben eines anderen. Sie denken viel, wobei die Gedanken immer nur um sie selbst kreisen, doch fühlen sie nicht, sie sind emotional verkrüppelt. Sie sehen ihr Leben wie in einem Film ablaufen, wobei der Film meist einem Alptraum gleicht, aber der Narzisst fühlt den Schmerz nicht, er ist dissoziiert, lebte fast wie außerhalb von seinem Körper. Seinen Körper empfindet der Narzisst als ein Werkzeug, dass er verwenden kann, aber er hat kein echtes Integrationsgefühl, der eigene Leib ist wie etwas Fremdes für ihn, das wahre Selbst, so meint er, sei viel edler und über solche Dinge, wie Materie erhaben. Der Narzisst hat eine Meinung von sich selbst, die mit der Realität nicht übereinstimmt, er schmückt sich oft mit fremden Lorbeeren und macht die Leistungen anderer herunter, um selbst besser dazustehen. Dabei wertet er nicht unbedingt offensichtlich ab, sondern er kann anderen ein peinlich übertriebenes Lob aussprechen, das im Effekt wie eine Beleidigung wirkt – genau das, was der Narzisst in Wahrheit möchte.
Narzissten leiden an Aufmerksamkeitsdefiziten, sie leben meist nur in ihren eigenen Gedanken und nehmen in der Umwelt nur das wahr, was sie gerade brauchen, um etwas zu erreichen. Andere Menschen an sich sind ihnen gleichgültig. Sie meiden Menschen, die Probleme haben, um nicht um Hilfe gefragt zu werden. Um Hilfe zu bitten ist für den Narzissten erniedrigend. Doch er ist völlig abhängig von anderen, hat viel weniger Selbständigkeit, als normale erwachsene Menschen, deshalb muss er andere in Situationen bringen in denen er berechtigt ist von ihnen etwas zu fordern, ohne dass es so aussieht, als wäre der Narzisst bedürftig. Narzissten rationalisieren und idealisieren ihr Leben, ihre Fehlschläge werden der Umwelt zugeschrieben, sie selbst bleiben perfekt, auch wenn sie nichts leisten. Narzissten haben kaum persönliche Grenzen und können so auch jene anderer Menschen nicht respektieren, für sie ist jeder andere eine potentielle Quelle für ihre narzisstische Versorgung und der Narzisst sieht auch gar keinen Grund, warum nicht jeder andere bereitwillig für ihn (kostenlos) zur Verfügung stehen soll. Er fühlt sich berechtigt von der Welt alles zu fordern, ohne etwas zurückzugeben. Er ist ein Mensch, der nur nimmt und nichts zurückgibt!
Narzissten sind meist sehr reaktiv, sie sind todernst und vertragen keine Scherze über sich. Sie selbst sind oft zynisch und sarkastisch gegenüber anderen, dulden aber nicht den kleinsten Scherz über sie selbst. Sie sind aufbrausend und geraten sehr leicht in Rage über Dinge, die bei einem gesunden Menschen höchstens zu einer kleinen Unstimmigkeit führen würde. Der Narzisst hat auch das Gefühl nicht menschlich zu sein, mehr eine Art höheres Wesen, das auf die Erde gekommen ist, um die einfachen Menschen zu studieren. Er fühlt sich ständig missverstanden. Oft sind sie paranoid, schizoid, antisozial und nicht selten selbstzerstörerisch, Süchte und Perversionen kommen bei ihnen oft vor. Narzissten peinigen aber meist nur den engen Kreis ihrer Familie und ihres sozialen Netzes, eben jene Quellen, aus denen sie ihre Versorgung beziehen. Für die Umwelt sehen solche Menschen meist recht normal aus, vielleicht mit kleinen Abweichungen. So täuscht der Narzisst die ganze Welt, meist sein ganzes Leben lang.
Narzissten sehnen sich oft nach Halt und finden den etwa in einer Religion oder einer strickten Ideologie. Sie unterwerfen sich dann und gehorchen den Regeln einer Institution strickt. Narzissten können nicht wirklich reife Entscheidungen treffen und sind sehr leicht verführbar von totalitären Systemen. So sind der Nationalsozialismus und der Kommunismus für Narzissten sehr attraktiv, denn so brauchen sie nicht zu denken, unterwerfen sich strickten, absoluten Regeln und gelten trotzdem als erwachsene Menschen. Die Welt des Narzissten besteht im Grund nur aus der Phantasie, sie leben nicht in der Realität, diese auszuhalten würde einem kompletten seelischen Zusammenbruch gleichkommen. Die Distanz zwischen sich und der Welt ist überlebenswichtig für sie. Bei Problemen driften diese Menschen in die Phantasiewelt ab. Narzissten sind wie Kinder, sie brauchen andere um ihre Ziele zu erreichen. Typisch ist auch, dass sie bei Frust die Ursache dafür vernichten wollen. Narzissten haben kein privates Selbst. Während die meisten Menschen in der Gesellschaft bestimmte Rollen spielen (Beruf, Alltag, Nachbarschaft, Gemeinde, etc.) gibt es doch einen reservierten exklusiven Bereich für die Familie und Freunde. Narzissten haben so etwas nicht, sie sind immer die gleiche Rolle, ihr Leben spielt sich auf einer Bühne ab und sie stehen ständig unter Beobachtung (meist von ihren Eltern durch das übergroße Über-Ich). Sie glauben die normalen Regeln und Gesetze gälten für sie nicht. Tatsächlich ist „Normal-Sein“ für Narzissten etwas der schlimmsten Dinge, die sie sich vorzustellen vermögen.
Was die Sexualität betrifft, so ist diese bei Narzissten hochgradig gestört. Der Narzisst sehnt sich zwar nach nichts so sehr, wie nach Liebe, doch seine Unfähigkeit zu Intimität verunmöglicht ihm eine gesunde Beziehung. So verwendet der Narzisst andere nur zum eigenen Lustgewinn, der Partner ist ein Objekt und Sex nur dazu da sein körperliches Bedürfnis zu befriedigen, egal was er auch sagen mag, mag er noch so charmant und „einfühlsam“ wirken, im Grunde geht es dem Narzissten um nichts anderes, als Sex zur Befriedigung seiner narzisstischen Bedürfnisse zu verwenden. Er ist nie demokratisch, kann den Partner nie als Menschen akzeptieren, fordert Bewunderung, Anbetung (manchmal unter Anwendung von Sadomasochismus, um den Partner willfährig zu machen). Narzissten sind autoerotisch, nichts turnt sie mehr an, als sie selbst. Auch für Inzest sind sie sehr anfällig, denn ihre eigene Familie ist ihnen selbst (genetisch) am ähnlichsten. Sexuelle Perversionen und Paraphilien sind häufig.
Der Narzisst ist ein Versager, ein Verlierer, doch dies hindert ihn nicht daran an seine „Mission“ zu glauben, daran, dass er zu Größerem bestimmt ist. Zumindest glaubt er, dass er ein Anrecht auf ein leichtes Leben haben müsse. Zwar ist er kein grundsätzlicher Gegner von harter Arbeit (Narzisst sein ist selbst harte Arbeit), doch er lehnt es ab untergeordnete Tätigkeiten zu verrichten, unter anderen zu „dienen“. Erniedrigung ist für den Narzissten noch viel schwerer auszuhalten, als für andere Menschen, denn der Narzisst bezieht all seine Selbstachtung nur von außen, er hat keine innere Quelle dafür. Erniedrigung kommt für ihn einem Seelenmord gleich und bedroht seine ganze Existenz. Er wird dann oft wie ein Tier in Lebensgefahr reagieren. Aufgrund der mangelnden Selbstkontrolle können Narzissten leicht ausrasten und gewaltige Aggressionen zeigen, die für das Umfeld völlig unverständlich sind. Ist der Narzisst nicht mehr in der Lage seine innere Spannung zu kompensieren, kommt es oft dazu, dass er sich aus dem Leben völlig zurückzieht und keinen Kontakt mehr mit Menschen pflegt, die Welt ist für ihn ein gefährlicher Ort und scheinbar hat sich alles gegen ihn verschworen. Verschwörungstheorien sind recht häufig unter Narzissten anzutreffen. Manche werden schizoid arbeiten in abgeschlossenen, abgedunkelten Räumen mit Computer und Büchern und pflegen keine Sozialkontakte mehr. Der Narzisst kann trotz Fehlschlägen nicht mit seinem Verhalten aufhören, da aus seiner Sicht sein ganzes Dasein an seinem Verhalten hängt. Auch wenn er leidet, so hat er es sich doch gemütlich eingerichtet in seiner Misere und Veränderung ängstigt ihn noch viel mehr als das bekannte Leid.
Die Arroganz, die Abneigung gegen Routine und die Vorstellung zu allem berechtig zu sein, verhindern, dass der Narzisst Erfolg haben kann, er ist gesellschaftlich ein Idiot, selbst wenn er einen hohen IQ haben sollte. Dennoch sind Narzissten im Grunde dumme Menschen und recht gut vorhersehbar. Sie sind leicht zu manipulieren und werden oft Opfer von Betrug und Missbrauch. Auf der einen Seite fühlt sich der Narzisst allen anderen überlegen, übermächtig und bewundernswert, auf der anderen Seite aber spürt er seine Ohnmacht, seine Hilflosigkeit anderen und der Welt gegenüber.
Der Narzisst ist kein erwachsener Menschen, sondern ein kleines Kind, er ist niemals reif geworden er ist ein puer aeternus (Peter Pan, Dorian Grey). Die Seele wurde in der Kindheit durch Traumata in einen Schockzustand versetzt, so dass sie nicht mehr weiter wachsen konnte. Gleichzeit hat sich ein falsches Selbst aufgebaut, das von nun an das Leben dominierte und allmählich zur ganzen Persönlichkeit wurde.
Das Verhältnis zu anderen Menschen gestaltet sich für den Narzissten sehr problematisch. Ein besonderes ist jenes zu den Eltern. Meist sind die Eltern die Verursacher des Kindheitstraumas und nicht selten sind sie selbst Narzissten oder Co-Narzissten (Narzissten, die von einem Narzissten abhängig, co-abhänig, sind). Die Eltern sind die Quelle der Frustration, der Narzisst weiß das und hasst seine Eltern oft aus ganzem Herzen, selbst wenn er sich um sie kümmert und mit ihnen zusammenlebt. Sie sind ja die Ursache seines Traumas, seiner Störung, seines verpfuschten Lebens. Aber Narzissten sind nicht frei von ihren Eltern, sie sind an sie gebunden. Etwas Besonderes passiert, wenn die Eltern sterben. Der Narzisst braucht lebende Eltern, um sie hassen zu können, um ihnen Vorwürfe machen zu können, doch wenn sie sterben, verlassen sie ihn, was soviel heißt wie, dass er eine Quelle seiner narzisstischen Versorgung verliert. Für den Narzissten sterben seine Eltern nie, ihre Stimmen sind in seinen Geist eingebrannt und verfolgen und kontrollieren ihn auch noch nach ihrem Tod, meist bis zum Tod des Narzissten selbst. Sterben die Eltern, dann wird der Narzisst selbst wieder zum Kind, er fühlt sich wie eine Waise, wieder wurde er von den Eltern verraten.
Häufig kommt es vor, dass Narzissten nie von Zuhause ausziehen, sondern ewig bei den Eltern bleiben (bis diese sterben), sie weigern sich erwachsen zu werden und übernehmen keine Erwachsenenaufgaben (Beruf, Beziehung, Familie, etc.).
Das Verhältnis zu Kindern ist ebenso problematisch. Kinder verhalten sich wie Narzissten und das ist ein ganz normaler Teil der Entwicklung. Sie kokettieren um Aufmerksamkeit, halten sich für charmant und unbesiegbar, prahlen, tricksen und kommen damit durch, man verzeiht ihnen, ja oft werden sie noch ermutigt, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu bekommen. Der Narzisst ist im Grunde ein solches Kind, nur er ist erwachsen, bei ihm wird dieses Verhalten nicht mehr geduldet, er bekommt Probleme mit der Umwelt. Er hasst Kinder, er ist neidig auf sie, weil er sich selbst in ihnen sieht. Sie dürfen, was er nicht darf, sie bekommen, was ihm versagt wird. Neue Familienmitglieder werden von vielen Narzissten abgelehnt oder sie versuchen diese zu manipulieren, um von ihnen bewundert zu werden. In den ersten Lebensjahren darf ein Kind fordern, doch je älter es wird, desto mehr erwartet auch die Umwelt als Gegenleistung von ihm. Der Narzisst sieht dies niemals ein und bleibt ein Kind und hält sich auch berechtigt dazu, sein Leben lang fordern zu dürfen, ohne dass jemals etwas von ihm gefordert werden darf.
Der Narzisst hat keine echten Freunde. Er mag Bekanntschaften haben, doch Freundschaft erfordert Empathie und eine solche ist bei einem echten Narzissten kaum oder gar nicht vorhanden. Er nutzt Menschen aus, erkennt ihre Schwächen, übervorteilt, ist unzuverlässig, hält sein Wort nicht – keine Freundschaft kann so bestehen bleiben. Narzissten erkennen nie den Wert und die Fähigkeit anderer Menschen, für sie sind sie immer nur Objekte, die verwendet werden können, ganz nach belieben, ohne echten Wert.
In späteren Jahren werden viele Narzissten Geisteskrank oder begehen unter bestimmten Umständen Selbstmord. Es ist für sie die einzige Art zu überleben, die Realität kann nicht mehr ausgehalten werden. Ohne falsches Selbst ist der Narzisst einem derartigen Übermaß an Schmerzen ausgesetzt, dass er sich nicht mehr integrieren kann, er bricht psychisch völlig zusammen. Gewöhnlich beendet der Narzisst sein Leben einsam, alleine und tief verbittert.

Der Kern des Narzissmus
All diese Betrachtung führen zur Fragen, was denn im Grunde im Zentrum der Narzissmus steht. Welche Grundhaltung besteht im Kern der Persönlichkeit eines Narzissten? Der Narzisst ist ein Mensch, der keine Ahnung hat, wer er wirklich ist. Er kennt sein eigenes Wesen nicht. Das Selbst des Narzissten ist ein großes dunkles Loch! Ein falsches Selbst ist so übermächtig (durch das Über-Ich) geworden, dass es nicht einmal mehr einen Kampf mit dem echten Ich gibt, denn dieses wurde in der Kindheit verkrüppelt und das falsche Ich hat die Persönlichkeit eingenommen und vergewaltigt den Menschen nun permanent von innen heraus. Dies wird aber vom Narzissten nicht erkannt, denn er ist mit dem falschen Ich so vertraut, es ist ja sein Herr und Meister, dass er es für seine wahre Persönlichkeit hält. Er kann die Falschheit nicht erkennen. Der Narzisst ist ein Sklave, ein Sklave des falschen Ichs! Der Narzisst hat seine Selbstverwirklichung und sein Erwachsensein zugunsten eines Sklaventreibers (des falschen Selbst) aufgegeben. Depression, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht, die der Narzisst immer wieder spürt, durch seine Unfähigkeit erwachsen zu sein. Er empfindet große Scham, vor allem, wenn er sich mit Gleichaltrigen vergleicht, die es zu etwas gebracht haben.
Der Ursprung von pathologischem Narzissmus liegt in Kindheitstraumata. Die Dissoziation ergibt sich als Reaktion auf das Kindheitstraumas. Tief in inneren hasst der Narzisst sich selbst und zweifelt zutiefst an sich. Das ist auch der Kern der ganzen Persönlichkeitsstörung! Der Narzissmus ist eine Abwehr gegen diesen tief liegenden Selbsthass! Narzissmus ist eine Form von Posttraumatischer Belastungsstörung. Der Narzisst besitzt nicht seine eigene Seele oder seinen eigenen Körper, diese sind ihm durch das falsche Selbst genommen, dessen Sklave der Narzisst ist. Er hat keine Kontrolle über sich, deshalb ist er auch verwundert, wenn er für etwas zur Verantwortung gezogen wird, was er getan hat. Der Narzisst verliert sein Leben, mitsamt Vergangenheit und Zukunft an das falsche Selbst. Der Narzisst ist voller Minderwertigkeitsgefühle. Er weiß, dass er als erwachsener Mensch etwas leisten sollte und kann es doch nicht, er ist ein Kind in Körper eines Mannes oder einer Frau. Die Scham darüber ist grenzenlos. Der Narzisst findet zuweilen heraus, dass er ein Sonderling ist und er bekommt es mit der Angst zu tun: Angst davor, wie andere auf ihn reagieren und Angst davor, wie er selbst reagiert (nachdem er ja nicht Herr über sich selbst ist).
Der Missbrauch von Kindern kann auf dreierlei Arten zustande kommen. 1.) Verhätschelung des Kindes (das Kind wird süchtig danach) 2.) Vernachlässigung des Kindes 3.) eigentlicher Missbraucht (sexuelle, oder nicht sexuelle, emotional, physisch). Sexueller Missbrauch ist nicht typisch für das, was einem Narzissten in der Kindheit angetan wurde, sehr häufig jedoch ist der emotionale Missbrauch. Missbrauchte Kinder internalisieren die Stimmen des Missbrauchers. Ihr Leben verbringen sie damit Gegenstimmen dafür zu finden. Eltern sind Vorbilder und Kinder lernen von ihnen im positiven wie im negativen Sinne. Liebe lernen die Kinder von ihnen, sind die Eltern dazu nicht in der Lage, hat das Kind wahrscheinlich die allergrößten Schwierigkeiten mit Liebe und Intimität. Die Ursache für eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung liegt fast nie in einem einzigen traumatischen Akt begründet, sondern in einer längeren Serie von Missbräuchen (Süchtige Eltern, körperliche Züchtigungen, Erniedrigungen etc.). Wenn Eltern Kinder missbrauchen, dann werden sie selbst wieder zu Kindern, die versuchen mit ihrem eigenen Missbrauch umzugehen.




Therapie
Die Narzisstische Persönlichkeitsstörung gehört zu den psychischen Störungen, die am schwierigsten zu behandeln sind. Dies liegt vor allem daran, dass der Patient süchtig von seiner Störung ist, er liebt sie im Grunde sogar. In die Therapie kommt er nicht, um geheilt zu werden, sondern um mit den Lebensschwierigkeiten besser umgehen zu können – kurz: um ein besserer und erfolgreicherer Narzisst zu sein. Viele Therapeuten lehnen es ab Narzissten zu behandeln aufgrund der schlechten Erfolge und der Unwilligkeit der Patienten, zudem wird der Patient auch den Therapeuten erniedrigen, denn in seinen Augen ist er ja selbst eine Art „Kollege“ und verfügt mindestens über dieselben Fähigkeiten und dasselbe Wissen. Die meisten Narzissten lehnen eine Psychotherapie vehement ab. Nicht selten kann nur die Intervention von außen, zum Beispiel durch einen Gerichtsbeschluss, dazu führen, dass ein Narzisst überhaupt an einen Therapeuten gerät. Narzissten geben ihre Krankheit meist nur in großen Lebenskrisen zu und selbst dann fallen sie bald wieder in ihr altes Verhaltensmuster zurück, auch wenn sie bereits einiges an Therapie hinter sich haben.
Um an das wahre Selbst des Narzissten heran zu kommen ist sehr viel Anstrengung nötig. Viele Therapeuten haben es völlig aufgegeben dieses verkrüppelte Etwas hervorzukramen und dann damit zu arbeiten (das wahre Selbst ist meist nicht älter als fünf Jahre). Sie versuchen viel mehr ein völlig neues Selbst aufzubauen, ein neues wahres Selbst, mit dem der Patient besser in der Welt leben kann. In der Therapie muss der Narzisst einem anderen Menschen vertrauen, etwas, das er in der Regeln nicht kann. Er muss sich auch „unterordnen“ und anerkennen, dass der Therapeut mehr weiß und besser in der Lage ist ihm zu helfen, als er es selbst könnte. Er muss also die Überlegenheit eines anderen anerkennen – wie schwer dies für den Narzissten ist, ist aus diesem Text bisher bereits deutlich geworden. Der Narzisst wird von einem enormen Über-Ich beherrscht, das seine gesamte Persönlichkeit durchdrungen hat, ja im Bewusstsein des Narzissten seine Persönlichkeit ist.
Auch muss der Narzisst erkennen, dass er, wenn er gesund werden will, sich mit der „Normalität“ des menschlichen Daseins anfreunden muss. Normal zu sein ist für den Narzissten eine Erniedrigung, denn es heißt er muss so sein, wie die anderen, denen er sich bisher immer überlegen gefühlt hat. Bei der Therapie geht es darum, dass sich das wahre Selbst zeigen und entfalten darf und dass das Über-Ich eingebremst und wenn möglich ersetzt wird, damit das wahre Ich Kontrolle über die Persönlichkeit erlangen kann.
Am Anfang muss der Narzisst sich seiner selbst bewusst werden. Die typischen Rationalisierungen müssen aufgeben werden, der Patient erkennt die (erschreckende) Realität seines Leben. Dann beginnt der Narzisst sich selbst realistischer zu sehen. Dies geschieht durch die Hilfe von anderen Menschen, in dem diese ihm schonungslos und offen mitteilen, wie das Leben des Patienten aussieht (Freunde, Bekannte, etc.). Der Narzisst gibt nun die Quellen seiner Sucht (narzisstische Versorgung) auf. Dann ist der Patient so weit, dass er sich auf die eigentliche Therapie einlassen kann, und zwar mit der Absicht wirklich geheilt zu werden und nicht nur um ein „besser funktionierender Kranker“ zu sein.
Die Gefühle des Narzissten sind „eingefroren“, in Wahrheit ist er nur in einer Linie gebunden: an die Krankheit selbst, in sie investiert er all seine emotionale Energie. Vorsicht ist auch dort gebunden, wo der Narzisst zwar seine Störung zugibt, aber keine Verantwortung übernimmt, sondern nur die Störung selbst für sein Leben verantwortlich macht. Der Narzisst auf dem Weg der Besserung muss zugeben, dass die Krankheit durch ihn selbst verursacht wurde und dass er auch dafür völlig gerade stehen muss. Das Verständnis der Störung bringt noch keine Besserung. Es genügt nicht, dass der Patient über sie Bescheid weiß. Echte Heilung kann nur dort geschehen, wo der Narzisst beginnt wirklich zu fühlen, den Schmerz in sich zu spüren und auszudrücken und nicht mit Worten zu „bewältigt“. Am Ende der Therapie ist der Narzisst im besten Fall kein Narzisst mehr, sondern ein Mensch, der viele Jahre seines Lebens verloren (geopfert) hat auf dem Altar eines Götzen (falsches Selbst). Er kann nun trauern, erkennt, seine Unreife und kann in der Folge konstruktiv daran arbeiten wirklich erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Er erkennt dann seine Verwundbarkeit, aber er ist frei, frei sich selbst zu verwirklichen und sein Schicksal zu erfüllen.
Als wirksame Therapieformen haben sich 12-Stufenprogramme, EMDR (Eye Movement Desentizitation and Reprocession) und auch manchmal NLP herausgestellt. Man darf nicht vergessen, dass der Störung Traumata zugrunde liegen, deshalb sind gerade jene Methoden am ehesten Erfolg versprechend, die sich mit posttraumatischen Stress und ebensolchen Störungen beschäftigen.

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Leben ohne Sex

Wie gesegnet sind doch die Menschen, die es zu vollbringen vermögen ein Leben ohne die übergroße Last der Sexualität zu leben? Ist es nicht so, dass der gewöhnliche Mensch, kaum, dass er in die Pubertät gelangt ein Bedürfnis verspürt sich eben auch im sexuellen Bereich aktiv zu bewegen? Wie schändlich dies auch vom gesund empfindenden Erdenbürger gesehen werden mag, so beschämend ist es doch zu beobachten, was der Mensch in der Praxis daraus macht und welchen schändlichen Praktiken er sich dann am Ende, trotz aller Gewissensbisse hingibt. So sinkt das Alter der ersten sexuellen Aktivität ständig und wenn man bösen Zungen glauben darf, dann sind es bereits Personen unter vierzehn Jahren die des Geschlechtsverkehrs teilhabend wurden. Doch die eigentlichen Probleme beginnen noch viel früher und die Übersexualisierung der Gesellschaft hat ein Maß erreicht, dass jede Moral mit Füßen tritt und den Zeiten von Sodom und Gomorra gleicht. Wäre es da nicht Recht und billig, wenn die Menschheit das gleiche gerechte Schicksal erlitte, wie die perversen Einwohner jener beiden Städte, die in gutem gerechtem Zorn mit Feuer und Schwefel für immer vom Erdboden vertilgt wurden? Denn alle Menschen sind Sünder und keiner verdient das Himmelreich, alle Menschen verdienen, dass Übel sie vom Tag der Geburt bis zu Grade unaufhörlich quält und dass ihnen Angenehmes nicht widerfährt.
So stellt sich in Anbetracht der üblen Umstände in der sich die Welt heute befindet die Frage, was denn das richtige Verhalten des Menschen wäre. Und da ergibt sich nur der weise Rat des Apostel Paulus, der uns zur ewigen Keuschheit aufruft. Denn der heilige, gute Mensch enthält sich aller sexuellen Handlungen und Gedanken, doch wer sich nicht beherrschen kann und der Sexualität bedarf, für den ist es besser er nimmt sich ein Weib, heiratet und praktiziert dann seine Gelüste in dieser von Gott nicht für unwert befundenen Gemeinschaft, als dass er ohne verheiratet ist sexuellen Handlungen nachgeht. Freilich ist dies nur die zweitbeste Wahl, denn zum Zölibat sind nicht nur die Priester berufen, sondern grundsätzlich alle Nachfolger Christi, alle Erretteten und gerechten Menschen. Doch nicht eine äußere Pflicht, sondern die innere Einstellung soll dies bewirken, denn was wäre ein gerechter Dienst am Herrn, wenn er nicht aus dem Herzen käme, sondern durch äußere Umstände und äußeren Druck auferlegt?
Was sind nun die Vorteile, die damit verbunden sind keinerlei Sexualität zu praktizieren? Es sind deren mannigfaltige und bei genauerem Studium erkennt jeder, der Verstand hat, dass ein solches Leben zu den wertvollsten zählt, die es geben kann. Das zölibatäre Leben stärkt die Willenskraft, die Energie und die Kontrolle, die jemand über sein Leben hat in sehr beträchtlichem Maße. Es wird keine unnütze Zeit an das andere Geschlecht verschwendet und der Mensch ist in seiner Ganzheit offen für Gott und dessen Offenbarungen und Wunder im eigenen Leben. Anstatt um die Aufmerksamkeit des Mannes oder der Frau, die man begehrt zu buhlen, ist alles auf das Ewige und wahrhaft Wertvolle ausgerichtet. Man stelle sich vor ein Priester wäre verheiratet und hätte Kinder, dann ginge eine nicht unbeträchtliche Zeit für diese drauf, die dann im Dienste am Allmächtigen fehlt, eine Schande, die nicht zu rechtfertigen wäre. Zudem macht ein zölibatäres Leben einen viel glücklicher und die Selbstachtung erreicht Höhen von denen die sexuell aktiven Menschen nur zu träumen wagen – glücklich wer von Gott mit einer kaum vorhandenen Libido ausgestattet wurde!
Auch ist die Gesundheit zölibatärer Menschen viel besser als jene von Sexualpraktikanten, es gibt keine Gefahr von Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten – Seuchen, die in der Menschheit um sich greifen und immer schon eine Strafe für sexuelle Aktivität waren. Nicht zu vergessen ist auch die erhöhte Würde des sexuell nicht aktiven Menschen. Katholische Priester werden heute oft auch deshalb angegriffen, weil Menschen sich ihnen unterlegen fühlen – hier haben wir echte Heilige, die sich auf einen schweren Weg begeben haben und die den Unzüchtigen ein Ärgernis sind. Aber gerade die Kritik beweist die Rechtschaffenheit der Heiligen. Wer keine Sexualität praktiziert, begeht auch keine sexuelle Sünde – keinen außerehelichen Geschlechtsverkehr, keine Masturbation, keine Pornographie und ähnliches, die Reinheit des Herzens bleibt erhalten, die bei allen Menschen, die sexuell aktive sind nicht aufrecht erhalten bleiben kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass es keineswegs leicht ist seine sexuellen Aktivitäten völlig einzustellen. Es beginnt damit, dass man alle seine Handlungen diesbezüglich einstellt, doch auch wenn jeder Geschlechtsverkehr, jede Selbstbefriedigung und Pornographie aus dem Leben verschwunden ist, so dauert es doch meist eine ganze Weile, bis auch die Phantasien und Bilder im Kopf verschwunden sind. Hier heißt es auf Posten stehen und standhaft bleiben. Doch auch dieses Übel findet ein Ende und nach vielleicht ein bis zwei Jahren völliger Abstinenz verschwinden auch die geistigen Bilder, die sexuellen Gelüste verschwinden vollkommen und man erfährt eine Freiheit wie nie zuvor im Leben. Dank sei Gott dem Herr, der einen von der Sexualität völlig zu befreien vermag und einem Glückseligkeit zu schenken vermag, wie sie gewöhnliche Menschen leider in ihrem Leben niemals erfahren!
Die spirituelle Reife kann nicht zunehmen solange ein Mensch sexuell noch aktiv ist. Selbst Osho, der fragwürdige hinduistische Guru und Menschenverführer, hat erkannt, dass ab dem Alter von 42 Jahren kein Mensch mehr sexuelle aktiv sein sollte. Es liegt auf der Hand, dass Sexualität ab einem bestimmten Alter nicht nur nicht mehr angemessen, sondern geradezu abscheulich ist (niemand will sich 50jährige im Bett vorstellen!). Zucht und Ordnung, Disziplin und Erhabenheit nehmen zweifellos zu, wenn man der Sexualität entsagt. Die Lebensqualität erreicht neue Höhen und die Lebensfreude kennt keine Grenzen mehr.
Sex schädigt auch die Intelligenz, denn das Gehirn wird ständig mit chemischen Botenstoffen überschwemmt, die die Aktivitäten auf die Reproduktion lenken, anstatt auf wirklich wertvolle menschliche Tätigkeiten. Das Fleisch ist zwar nicht schlecht, doch steht es weit unter dem Geist, der das eigentlich Entscheidende ist.
Im Ergebnis spricht so vieles gegen und so gut wie gar nicht für die ausgelebte Sexualität. Aber wir leben in verruchten Zeiten und so nähern wir uns zweifelsohne der Endzeit. Doch wer standhaft bleibt, der wir seinen Lohn erhalten und für alles entschädigt werden, was er entbehren musste, wobei die Sexualität nicht dazu gehört. Diese nicht zu praktizieren ist eine grandiose Erleichterung und keine Last. Am gesegnetsten sind zweifellos die asexuellen Menschen, denen Gott in seiner Güte die Begierde ganz genommen hat, auf dass sie seine Heiligen werden, an denen er sein Gefallen hat. Schande über alle, die der Sexualität noch bedürfen und Ehre all jene, die die Kraft gefunden haben, sie nicht mehr zu praktizieren! Mögen die Menschen aufwachen, erkennen in was für extrem schlechten Zeiten wir leben und sich für Glück und Enthaltsamkeit entscheiden, auf dass unser Planet ein besserer werde.

Donnerstag, 30. September 2010

Gott und Mensch

Das wahre Verhältnis von Gott zum Menschen ist nur schwer vorzustellen und alle unsere Versuche dieses zu beschreiben bleiben unvollständig, ganz egal, was wir auch unternehmen wollen. Sicher ist, dass wir uns nur annähern können und eine solche Annäherung wird am besten über Metaphern betrieben. Eine solche Metapher möchte ich hier nur vorschlagen.
Man stelle sich vor die Welt ist ein Drama, ein Theaterstück, das von einem Dramatiker geschrieben wurde. Nehmen wir an es handelt sich um das Stück „Faust“ vom Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Wir Menschen befinden uns nun vorgestellt in der Position der Hauptfigur, des Gelehrten Doktor Faust. Dieser schaut sich in seiner Welt um, macht sich seine Gedanken und zieht seine Schlüsse daraus. Doch wie kann er Gewissheit über irgendeine Sache erlangen? Woher kann er wissen, dass das, was er sich vorstellt, mehr als Schall und Rauch, eine bloße Ansammlung von Ideen ist? Auf sich alleine gestellt, vermag er dies niemals zu wissen, denn alles, was er je wissen könnte beruht auf Annahmen, Annahmen über seine Welt und seine Sinneswahrnehmungen. Ja, es geht noch weiter, denn er hat nicht einmal einen echten Beweis für seine eigene Existenz! So geht es ja auch uns Menschen, denn keiner von uns vermag mit absoluter Sicherheit zu sagen, dass er nicht ein, sagen wir, Schmetterling ist, der davon träumt ein Mensch im 21. Jahrhundert auf einem Planten namens Erde zu sein.
So kann nun „Faust“ sich allerhand Überlegungen machen über seine Existenz, seiner Herkunft, den Sinn seines Daseins und sein Weiterleben bzw. Nichtweiterleben nach seinem Tod. Aber, welche Gedanken ihm dabei auch immer kommen mögen, so wäre er auf sich alleine gestellt doch niemals in der Lage mit Sicherheit sagen zu können, dass er von einem Autor geschaffen wurde. Zwar mag ihm sein Verstand, seine Phantasie und Kreativität auch diese Idee eingeben, doch bliebe diese allerdings eben eine metaphysische Vorstellung, nicht zu unterscheiden von einer bloßen Phantasie. Auch der Mensch befindet sich dergestalt im Universum stehend. Zwar kann er sich Gott vorstellen, doch weiß er aus sich selbst heraus niemals, ob es einen solches wirklich gibt, Gott bleibt Gedanke und wird nicht zur Realität. In diesem Stadium befinden sich alle Religionen, die einen Gott annehmen aber niemals eine tatsächliche Verbindung mit einem solchen hatten.
Und hier kommt das Entscheidende bei den Offenbarungsreligionen dazu. Christentum, Judentum und Islam sind solche Offenbarungsreligionen, denn alle drei nehmen für sich in Anspruch, dass Gott sich ihnen gezeigt habe. Beim Judentum dem Abraham, dem Moses, beim Christentum durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und beim Islam durch das Wort Gottes, das Buch, der Koran, wurde. Tatsächlich ist es so, dass nur durch eine solche Offenbarung der Mensch Gewissheit darüber erlangen kann, dass er von einem Schöpfer, Gott, geschaffen wurde.
Bleiben wir bei unserem Beispiel Faust. Woher weiß Faust nun, dass Goethe ihn geschaffen hat? Wir haben bereits gezeigt, dass er das selbst nicht wissen kann. Es ist überhaupt nur denkbar, wenn ein Kontakt zwischen Goethe und Faust stattfindet. Goethe müsste sich also selbst in sein Stück „hineinschreiben“, um Faust mitzuteilen, dass er dessen Schöpfer ist. Jetzt stellen wir uns vor, Goethe hätte so etwas getan, er hätte Faust ein Buch mit Regeln übergeben, wie die Menschen sich in seinem Stück verhalten sollten, wie sie erschaffen wurden und was die Zukunft des Stückes sein wird. Faust erhält also vom „Schöpfer“ ein solches Buch und zeigt es den anderen Menschen seiner Welt (Mephisto, Margarethe, Kaiser, Kanzler, Hexen etc.). Wie reagieren dies nun auf seine Behauptung, sie seine Dramenfiguren und ein Schöpfer namens Goethe hätte sie allesamt geschaffen? Manche würde wahrscheinlich ohne weiteres Faust glauben (vor allem, wenn sie ihm wohl gesonnen sind), andere wiederum wären strickt dagegen (seine Gegner) und wieder andere wäre stark im Zweifel, könnten sich aber nicht entscheiden (Agnostiker). So sieht heute auch die Situation auf der Erde aus.
Doch das „Buch“, das uns der Schöpfer (Gott) übergeben hat, nämlich die Bibel, beinhaltet, wenn man sie genau liest, Erklärungen für jeden der zweifelt. Auch die Welt selbst ist mit der Vernunft erfassbar und wenn das Herz nicht verstockt ist und man wirklich „seine Hausaufgaben“ macht, dann erkennt man, dass dieser Schöpfer uns tatsächlich mitgeteilt hat, dass wir von ihm geschaffen sind. Um Gott zu erfahren müssen wir jedoch aufhören zu sehr auf die linke Gehirnhälfte (Sitze der Ration) alleine zu vertrauen und uns der ganzheitlich erfassenden rechten Gehirnhälfte ebenso bedienen. Atheisten sind keine Menschen, die wirklich wissen, dass es Gott nicht gibt. Es sind Menschen, die persönliche Gründe haben gegen Gott zu sein, beziehungsweise ein hohes Interesse daran haben, dass es Gott nicht gibt. Denn dem offenen Herzen und auch dem weisen Verstand ist Gott leicht zugänglich. Tatsächlich müssen Atheisten viel mehr glauben, als Menschen, die an Gott glauben. Ein Atheist ist ein Mensch der Lotto spielt mit einem einzigen Tipp und tatsächlich die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen für höher einschätzt, als jene zu verlieren. So verquert kann das Denken sein, wenn man sich der allumfassenden Erkenntnis verschließt!
Gott respektiert den freien Willen des Menschen, deshalb wird Gott sich niemals so zeigen, dass er sich einem aufdrängt, auch dem Verstand nicht, wie etwa 5 + 5 = 10 ist. Die Möglichkeit auch „Nein“ zu Gott zu sagen bleibt immer bestehen. Es ist ein Irrtum anzunehmen der freie Wille würde die Allmacht Gottes einschenken. Das ist eben gerade nicht der Fall. Der freie Wille ist nicht Einschränkung der Allmacht Gottes, sondern Ausdruck der Liebe zu seinen Geschöpfen. Gott möchte keine Sklaven, sondern Kinder, die ihn aus freien Stücken heraus lieben. Deshalb entsteht auch so viel Verwirrung, wenn es um das Leid in der Welt geht, welches nicht von Gott kommt, sondern durch den missbräuchlichen Gebrauch des freien Willens des Menschen entsteht. Egal, was ein Mensch glaubt, ob er nun Gott für wahr hält oder nicht, auch der Atheist hat folgende Kategorien für seine Annahme: Intellektuelle, persönliche und soziale Gründe.
Wer alles bis auf den Grund erforscht, über den Verstand, das Gefühl und den Willen hinausgeht, der kommt zur wahren Erkenntnis und diese besteht darin zu erkennen, dass es eine Gott gibt, der alles erschaffen hat, in dem alles ist und außerhalb dessen nichts existiert. Was dies wirklich bedeutet, frei von Raum und Zeit zu sein, vermag unser Verstand uns nicht zu sagen, denn diese sein eben dessen Grenzen; doch im Vertrauen auf den Allmächtigen können wir in Gewissheit unser Leben leben und wenn wir den Heiland Jesus Christus akzeptieren und anerkennen, dass er für unsere Sünden gestorben ist und am dritten Tag leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist, dann werden wir nicht verloren sein, sondern das ewige Leben haben. Das ist es, was ich aufrichtig glaube!

Donnerstag, 16. September 2010

Warum wir nichts wissen, sondern nur glauben können

Gleich vorweg die provokante Kernaussage dieses Artikels: Es ist dem Menschen nicht möglich irgendetwas zu wissen. Jedes Menschen Leben basiert auf bloßem Glauben, niemand ist, auch nur theoretisch, in der Lage, ein Leben auf Grundlage von Fakten oder dem Verstand zu führen!
Die obigen Aussagen können sehr gut anhand der Kontroverse Atheismus – Theismus aufgezeigt werden. Dass die Annahme der Existenz eines Gottes ein Glaubenssatz ist, ist ohne weiteres einzusehen. Schwieriger ist es schon, wenn es sich um den Atheismus handelt. Behaupten die Jünger dieser Weltanschauung doch beharrlich, sie wären etwas anderes als Gläubige, und meist meinen sie damit dem Glauben überlegen zu sein. Dies ist eine völlig falsche Sicht der Dinge. Nähern wir uns also der Frage nach Gott. Jeder Mensch auf der Welt steht vor der Frage nach Gott und jeder muss diese Frage beantworten. Es ist eine sehr harte Frage, denn es gibt nur ein klares „Ja“ oder ein klares „Nein“, eine unentschiedene oder neutrale Position, gibt es nicht. Deshalb sind auch Agnostiker keine „Neutralen“, sondern Atheisten, die meist zu feig sind, sich dazu zu bekennen. Ihre Antwort zu Gott ist ein „Nein“. Verwenden wir also den Verstand und die Beobachtung. Können wir beweisen, dass es einen Gott gibt? Nein, das können wir nicht. Können wir beweisen, dass es Gott nicht gibt? Nein, das können wir auch nicht. Wir haben also diesbezüglich eine Pattsituation und stehen weiter vor der Frage.
Jetzt gehen viele Menschen folgendermaßen vor: Sie sagen, dass man Gott zwar nicht widerlegen könne, doch wer etwas behaupte, habe es zu beweisen. Und nachdem Gott nicht beweisbar sei, könne man ihn nicht annehmen. Hört sich verständlich an. Doch hat dies mit der Wahrheit nichts zu tun. Die Wahrheit bleibt die Wahrheit, auch wenn sie nicht bewiesen werden kann. Viele Menschen entscheiden sich aus der eben genannten Überlegung heraus für ein „Nein“ gegenüber Gott. Dieses „Nein“ beruht aber bewusst oder unbewusst auf der Anwendung der Wissenschaftlichen Methode, die fordert, dass Wahrheiten bewiesen werden müssen. Wie rechtfertigt man aber die Anwendung der wissenschaftlichen Methode auf Gott? Man kann es nicht rechtfertigen, denn derjenigen, der dies tut macht Gott zu einem Objekt der wissenschaftlichen Betrachtung. So jemand Macht Gott kleiner, als seinen eigenen Verstand. Ein solcher Gott ist aber nicht Gott, sondern eine menschliche Schöpfung (in diesem Fall macht der Mensch sich sogar selbst zum Gott). Das ist aber niemals Gott, sondern eine Karikatur eines Gottes, von so einem Gott hat die Religion nie gesprochen. Es gibt keinen Beweis, dass die wissenschaftliche Methode zu Wahrheit führt oder ihr auch nur nahe kommt. Ja man kann nicht einmal sagen, dass die wissenschaftliche Methode eine fortschrittlichere oder günstigere Methode der Erkenntnis sei, als irgendein anderes (früheres) System. Die Anwendung der Wissenschaft, ist selbst keine Entscheidung, die aus der Wissenschaft getroffen wird, sondern eine Glaubensentscheidung, nämlich des Glaubens an die Wissenschaft selbst. Es ist klar, dass die Wissenschaft ihre Grenzen dort hat, wo der menschliche Verstand seine Grenzen hat. Doch wie geht der Mensch mit den Dingen um, die über den Verstand hinausgehen? Darauf bleiben viele eine Antwort schuldig.
Der (intellektuelle) Atheismus beruht hauptsächlich auf der Anwendung der wissenschaftlichen Methodik auf Gott. Der Atheist entscheidet sich für eine „Nein“ und es gibt verstandesmäßig keine besseren Gründe für ein „Nein“ als für ein „Ja“. Atheismus ist ein Glaubenssystem, denn er beruht ebenso auf einer Annahme, wie der Glauben, die Anwendung des Erkenntnissystems kann nämlich nicht selbst bewiesen werden. Und selbst wenn es bewiesen werden könnte, müsste das System, aufgrund dessen jenes System gewählt worden wäre, selbst bewiesen werden usw. Das ergibt eine endlose Kette. Aber so verhält es sich mit allen Dingen im menschlichen Leben. Die Entscheidung für ein „Nein“ kann nicht als „überlegen“ angesehen werden wie die Entscheidung für ein „Ja“.
So sieht man, dass die Wissenschaft selbst auf einer Annahme beruht, nämlich, dass die wissenschaftliche Methode zur Wahrheit führe, zumindest eher als andere Systeme. Das kann aber selbst nicht bewiesen werden. Allenfalls noch in Bezug auf die uns umgebende Welt, niemals jedoch über das über die Materie hinausgehende. Das leichteste ist es dann zu sagen, dass es etwas Solches gar nicht gäbe. Doch das läuft ins Leere, denn dann müsste man wieder die Nichtexistenz beweisen, was wiederum nicht geht. Zu sagen: „Etwas kann nur als wahr angesehen werden, wenn es bewiesen werden kann“, ist ein Dogma ein Glaubenssatz, kein Wissen! So sieht man deutlich, dass auch die Wissenschaft und in ihrer Folge auch der Atheismus nicht auf Wissen, sondern auf Glauben beruht.
Der Mensch steht vor der Welt und muss Antworten geben. Es ist aber nicht einmal beweisbar, dass der Mensch selbst existiert. Wir nehmen es einfach an und sind uns dessen meist gar nicht bewusst. „Ich denke also bin ich“, ist kein Beweis für irgendetwas, auch nicht für die Existenz. Denn: „Ich denke, darum bin ich nicht“, ist von einem fundamentalen Standpunkt aus, genauso annehmbar. Deshalb spricht man in der Philosophie auch nicht mehr von Fakten oder der Wahrheit sondern nur noch von Theorien. Dass ich existiere, ist eine Theorie, keine Wahrheit. Keiner von uns kann beweisen, dass er nicht ein blauer Elefant ist, der träumt er sei ein Mensch. Dass dies uns so absurd erscheint, kommt daher, dass wir alle annehmen, dass wir existieren. Doch vom abstraktesten Standpunkt aus, den wir uns überhaupt noch denken können, kann der Mensch überhaupt keine Aussagen zu irgendetwas machen und der Traum des Elefanten ist dann auch überhaupt keine Absurdität mehr.
Was wir Wissen nennen ist etwas, das sich innerhalb eines angenommenen Systems abspielt. Dass 2 + 2 = 4 ist, kann auch nicht bewiesen werden. Um das zu tun, muss ich meinen Verstand, meine Logik verwenden (wobei ich annehmen muss, dass es so etwas überhaupt gibt, wie auch mich selbst, selbstredend). Unter dieser Annahme komme ich zum Ergebnis dass 2 + 2 wirklich 4 ist. Gehen wir aber unserem Leben auf den Grund, sehen wir, dass wir auf einem ganzen Berg von Annahmen stehen, die uns nicht bewusst sind. Die Philosophie trägt nun Schicht für Schicht ab und am Ende kommen wir zu Sokrates berühmter Erkenntnis „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. So ist es tatsächlich (nicht nur im übertragenen Sinn). Es lässt sich kein Mensch finden, der irgendetwas weiß, noch hat es einen solchen Menschen je gegeben. Die Grundlage jeden Lebens ist bloße Annahme (Glauben). Was wir Wissen nennen, sind nur Ableitungen aus Glaubenssätzen. Meist ist es jedoch so, dass dies nicht erkannt wird und Menschen deshalb meinen sie müssten sich für die als Wissen getarnten Glaubenssätze eines anderen entscheiden, weil sie dem nichts entgegen zu setzen haben.
Obwohl kein Mensch irgendetwas weiß, benehmen sich die Menschen aber im Leben so, als ob sie über Wissen verfügten. Ich glaube eine wichtige Aufgabe könnte es sein, allen zu zeigen, dass sie einsehen sollen, nichts zu wissen und auch sehen, dass auch sonst niemand etwas weiß. Es gibt nichts Schlimmeres als Menschen, die glauben sie hätten Wissen, oder die glauben, dass Wissen überhaupt existierte. Junge Menschen glauben meist sehr viel zu wissen (und wissen am allerwenigsten), doch je älter einer wird, desto eher wird er bereit sein, Dinge einfach anzunehmen, nicht aus Naivität heraus, sondern aus tieferer Einsicht in die Welt und mehr noch in sich selbst.
Noch ein kleines Beispiel zu den Religionen. Es gibt Leute, die sagen, alle Religionen hätten irgendwo Recht. Viele nicken, wenn sie so etwas hören, ohne diese Aussage zu hinterfragen. Wie kann jemand so eine Aussage treffen? So eine Person nimmt für sich in Anspruch, mehr zu wissen als alle Religionen zusammen, also selbst über überlegenes Wissen zu verfügen. Ähnlich ist die Aussage, dass die Religionen ihre Absolutheitsansprüche aufgeben müssten. So eine Aussage ist aber selbst wieder eine absolut Aussage und die Person, die sie trifft, tut selbst genau das, was sie die anderen vorwirft!
P.S.: Natürlich ist alles, was in diesem Artikel geschrieben wurde, selbst aus einer ganzen Reihe von bloßen Annahmen entstanden.

Montag, 6. September 2010

Michel de Montaigne (1533-1592)

Mit Michel de Montaigne begegnen wir einem der größten Denker des 16. Jahrhunderts, einem der bedeutendsten Franzosen überhaupt und einem Philosophen, der immer bodenständig blieb und der höchsten Wert auf die praktische Anwendbarkeit seiner Überlegungen legte. Seine Gedanken entstanden denn auch größtenteils aus der Beobachtung des Lebens, oft von recht einfachen Menschen, die er, obwohl aus dem Adel stammend, nicht geringer schätzte, als die „Edlen“. Sein tief humanistisches Denken bereitete unter anderem der Aufklärung den Boden. Viele seiner Ideen waren zu seiner Zeit bereits revolutionär und sind es bis heute geblieben. In Montaigne begegnet uns ein Freund und Vorbild, der uns praktisch in bedeutenden Lebensfragen beraten kann und praktikabel Lösungen anbietet.
Montaigne kam aus einer Kaufmannsfamilie, die erst vor kurzem zu großem Reichtum gelangt war. Der Vater kaufte östlich von Bordeaux das Schloss Montaigne, nachdem sich das Geschlecht nun auch benannte. Der vormalige Familienname lautete Eyquem. Der Vater begleitete den französischen König nach Italien und kam dort mit den Ideen der Renaissance in Berührung. Voller Begeisterung übernahm er selbst die Erziehung seines Sohnes Michel und ließ diesen Latein nach der Naturmethode erlernen. Bald sprach Michel diese Sprache genau so gut, wie seine Muttersprache und es wird berichtet es sei sogar vorgekommen, dass er in Erregung auf Lateinisch geflucht habe. Er wurde weiter in Bordeaux und Toulouse ausgebildet und etablierte sich als junger Mann als Rechtsanwalt. 1565 heiratete er. Aus der Ehe entsprangen sechs Kinder, von denen jedoch nur eines überlebte. 1568 starb Michels Vater und Michel erbte dessen Schloss und sonstige Besitzungen. Im Alter von 38 Jahren zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und widmete sich fortan dem Studium des Lebens, vor allem seines eigenen. Montaigne ist denn auch ein untypischer Philosoph, nicht nur insofern, als er sich genau so der Körperlichkeit des Menschen widmete, wie seines Geistes und praktische Ratschläge erteilte, sondern auch darin, dass er uns in seiner Philosophie am meisten über seine eigene Person berichtet.
Ab 1580 machte er Reisen nach Deutschlang und Italien. In dieser Zeit, trotz seiner Abwesenheit, wurde er zum zweiten Mal zum Bürgermeister von Bordeaux gewählt. Ab 1585 arbeitete er an seinen „Essais“ und lebte, so ruhig und zurückgezogen wie möglich, auf seinem Schloss. Er war ein Mann von rastlosem Bestreben, der stets bereit war alles zu hinterfragen; er konnte sich nicht mit einer fertigen Meinung begnügen, die er nicht bis in alle Einzelheiten untersucht hatte. Die Frage, die er sich ständig stellt lautete: „Was weiß ich?“; Damit trat er an die Welt und ihre Meinungen heran.
Montaigne untersuchte das Leben und stellte fest, dass der Mensch sich oft minderwertig fühlten und zwar aus drei Gründen: 1.) körperliche Nachteile, wie etwa Hässlichkeit, Übergewicht, Körpergröße oder andere Mängel, 2.) durch die Meinung anderer Menschen, die uns für ungenügend halten und 3.) durch das Gefühl mit dem Verstand einer Sache nicht gewachsen zu sein, das Empfinden von intellektuelle Minderwertigkeit.
Montaigne akzeptierte die Natur des Menschen und wies darauf hin, dass der Mensch viel Tierisches an sich hat und dass dies nichts Schlechtes sei, vor allem die Sexualität und die Geschlechtsteile sah er als positiv an. Wir sollten beim Körperlichen die Tiere zum Vorbild nehmen, die sich niemals schämen würden, sich niemals minderwertig fühlten, egal wie auch immer sie aussehen mögen. Das Schlimmste, was ein Mensch tun kann, ist sich selbst zu verachten, leider eine Fähigkeit des Geistes, der sich gegen seinen Körper stellen kann. Bis zu Montaigne glaubten Philosophen, dass der Mensch glücklich werden könne, weil er denken kann, weil er einen Geist hat. Montaigne hingegen fand heraus, dass gerade der Geist die Ursache für das Unglück des Menschen werden kann, vor allem durch die Erschaffung von innerer Idealvorstellungen und durch Vergleiche mit anderen, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen und sehr leicht zum Empfinden von Minderwertigkeiten führen kann. Das nächste Problem des Geistes ist, dass er sich einbilden kann, dass er wüsste, was richtig ist, uns arrogant macht und uns dazu bringt diese Ansicht auf andere Menschen zu übertragen, sie dazu zu bringen, die Welt so zu sehen, wie wir es tun.
Jede Kultur hat ihre Ansichten darüber, was normal ist, davon abzuweichen bringt einen sehr schnell in Konflikt mit ihr. Menschen entscheiden sehr schnell und ohne Reflexion, was richtig ist und was nicht und verfolgen die Nichtkonformen. Vorurteile bekämpft man sehr gut dadurch, dass man auf Reisen geht und sich andere Kulturen ansieht. So sieht man, dass „normal“ ein völlig relativer Begriff ist. Durch Reisen sieht man klarer, wie der eigene Glauben sich gebildet hat und wie er entstanden ist. Wenn man mit Vorurteilen anderer konfrontiert ist, ist Reisen eine gute Hilfe.
Wenn man sich minderwertig fühlt aufgrund dessen, was andere Menschen von einem denken, dann empfiehlt Montaigne, dass man sich die entsprechenden Personen auf der Toilettenschüssel vorstellt. Auch wenn einer auf dem Thron sitzt, sitzt er immer noch auf dem Hintern.
Montaigne kritisiert auch die Ansicht, dass akademische Qualifikation etwas mit Weisheit zu tun hat. Das Schulsystem belohnt das Lernen, nicht Weisheit. Es ist sehr leicht möglich dass einer völlig unweise ist, aber mehrere Doktortitel besitzt, genau so wie einer niemals eine höhere Schule besucht haben kann, aber sehr weise ist. Eine Dummheit unserer Gesellschaft ist es, dies nicht zu glauben und aus Titel und Auszeichnungen auf Fähigkeiten zu schließen. Es wird so verständlich, dass Menschen eher nach akademischer Qualifikation, als nach echter Weisheit streben. Ein Großteil der Akademiker ist nicht an der Wahrheit, sondern an Erfolg, Reichtum und Ansehen interessiert und dazu bedarf es keiner Weisheit.
Gegen die dritte Art von Minderwertigkeit, die intellektuelle wirken diese Überlegungen sehr gut. Jeder Mensch hat die Fähigkeit zu denken, jeder kann ein Philosoph sein, das heißt ein Mensch der seinen Verstand verwendet und durch Denken sich Freiheit von der Meinung anderer verschafft. Wer selbständig denken kann, der fühlt sich sicherer mit sich selbst und bedarf der Zustimmung der anderen nicht. Der Dumme braucht immer die anderen und ist deshalb der Sklave der Gesellschaft und ihrer Autoritäten.
Ein berühmtes Zitat von Montaigne lautet: „Ruhm und Geistsruhe können niemals Bettgenossen sein.“


Fragen zur Weisheit (meine Fragen, nicht diejenigen Montaignes):

• Sind die Gefühle und Gedanken anderer Menschen von Bedeutung?
• Wie wird ein Mensch glücklich?
• Was soll man tun, wenn man verärgert, frustriert oder traurig ist?
• Wie führt man gute Beziehungen? Wie baut man sie auf? Wie beendet man sie?
• Warum leben Menschen ihr Leben auf die Art und Weise, wie sie es jeweils tun?
• Ist es besser erfolgreich und unehrlich zu sein oder wahrhaftig dafür einsam, arm und erfolglos?
• Hat Bildung etwas mit Weisheit zu tun?
• Was ist ein wertvolles Leben?
• Gibt es Menschen, die anderen gegenüber höherwertig sind?
• Ist es richtig Dinge als wahr anzunehmen, obwohl der eigene Geist sie nicht beweisen kann? Was ist dann die Grundlage dieser Annahme? Kann man sie vor seinem eigenen Gewissen rechtfertigen?
• Zählen Sie drei Dinge auf, die Sie für wahr halten, die Sie aber nicht begründen können.
• Was ist das Gewissen des Menschen? Wie entsteht es? Soll man immer darauf hören?
• Was ist der Maßstab, nachdem man das Leben und die Welt bemessen soll?
• Gibt es in der heutigen Zeit noch eine Rechtfertigung für Autoritäten? Und wenn ja, welche?
• Gibt es einen Zusammenhang zwischen Mehrheitsmeinung und Richtigkeit?

Freitag, 27. August 2010

Bewusster und unbewusster Wille

„Was der Mensch tut, das will er auch“. Auf diesen Umstand hat der Psychiater Alfred Adler immer wieder hingewiesen und für ihn war dies auch das entscheidende Kriterium der Beurteilung eines Menschen. Was zählt ist nicht, was ein Mensch über sich selbst meint, denn die Meinungen über sich selbst sind meist korrumpiert, anerzogen und haben wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Das einzig Wahre in Bezug auf die Beurteilung eines Menschen sind dessen Handlungen. Aus einer gewissen Anzahl von Handlungen, lässt sich auf den Lebensstil eines Menschen schließen und von diesem wiederum auf seine Einstellungen gegenüber sich selbst, den Mitmenschen und der Welt.

Nun fällt aber das, was ein Mensch bewusst von sich denkt, wobei es sich meist um das handelt, was man ihm als Kind beigebracht hat von sich zu denken, und dem, was ein Mensch wirklich (meist unbewusst) von sich hält, stark auseinander. Die Handlungen leiten sich, bis auf wenige Ausnahme, alle aus dem wahren Willen, der wahren Einstellung gegenüber sich selbst und die Welt ab. Weil aber so viele Handlungen, um nicht zu sagen beinahe alle, ihren Ursprung im Unbewussten haben, ist es kein Wunder, dass der Mensch sich meist oft selbst das größte Rätsel ist. Wie ist es zu erklären, dass einer meint inkompetent zu sein, dabei jedoch hervorragende Leistungen erbringt, was ihm auch durch seine Umwelt bestätigt wird, das dann jedoch nicht zu einer Änderung der Meinung dieses Menschen führt?

Täuschung funktioniert vor allem deshalb so gut, weil jede Gesellschaft darauf beruht, dass unter Erwachsenen jeder die Rolle akzeptiert, die er spielt, wenn dieser im Gegenzug die Rolle, die man selbst spielt annimmt. So leben wir in einer Welt von Schauspielern und wissen dies noch nicht einmal. Goethe und Shakespeare bemerkten beide, dass das Leben im Grunde nichts anderes als ein großes Theater sei, auf dem jeder manche Rollen spielt. Eric Berne („Spiele der Erwachsenen“) hat sich intensiv mit den „Spielen“ beschäftigt, die Menschen spielen. Diese sind verdeckte Transaktionen, die auf einem Schwindel beruhen, aber von beiden Seiten akzeptiert werden, da sie einen Spielgewinn daraus ziehen. So gibt es etwa ein Spiel mit dem Namen „Schlemihl“, das darauf beruht, dass einer ins Fettnäpfchen tritt, ein anderer sich darüber aufregt, der „Täter“ sich entschuldigt und diese Entschuldigung akzeptiert wird. Anders als bei einer echten Entschuldigung, handelt es sich hier jedoch um ein Verfahren, um sich nicht ändern zu müssen. Die Entschuldigung ist nur eine Spielhandlung, kein echtes Bereuen, in Wahrheit möchte, die sich entschuldigende Person dem anderen eins auswischen, darf seine Abneigung jedoch nicht offen zeigen (meist durch einen Kindheitsbefehl demzufolge er „nett“ sein zu muss). Deshalb wird dieser Umweg gewählt.

Spiele sind die intimsten Handlungen, zu denen die meisten Menschen fähig sind, da echte Intimität den meisten in der Kindheit aberzogen wird und sie somit für den Rest ihres Lebens dazu nicht mehr in der Lage sind (von entsprechenden therapeutischen Interventionen einmal abgesehen).

Wenn objektives Leben und bewusste Einstellung dazu nicht kongruent sind, dann liegt dieser Unterschied im Unbewussten. An das Unbewusste kommt man jedoch nicht ohne weiteres heran. Meist bedarf es dazu der Hilfe von anderen. Was sich durch ein wenig Nachdenken ins Bewusstsein befördern lässt, ist nicht unbewusst, sondern lediglich vorbewusst. Methoden um an das Unbewusste heran zu kommen sind etwas nach der klassischen Psychoanalyse die Freie Assoziation, die Traumdeutung und die Analyse der fehlerhaften Handlungen des Lebens des Klienten.

Freuds Erkenntnis, dass ein großer Teil des Lebens des Menschen nicht durch das Bewusstsein gesteuert wird, braucht uns nicht unbedingt zu beunruhigen. Lebenserfolg hängt recht wenig von der Kontrolle, als viel mehr von der Flexibilität (im Geiste) ab, mit der man in die Lage versetzt wird im jeweiligen Augenblick das „Richtige“ zu tun. Zwar ist noch niemals eine Gesellschaft darauf ausgerichtet gewesen, dass ihre Mitglieder dazu in die Lage versetzt worden wären (vor allem durch Sozialisation) – auch in Zukunft ist dies nicht zu erwarten – doch für den einzelnen gibt es Hoffnung, für die Gesamtheit der Menschen wahrscheinlich nicht. Ich denke dies ist Ansporn genug seine Energie auf sich selbst zu richten und nicht in der Welt sich sinnloser Zerstreuung hingeben. An der Wirklichkeit zu verzweifeln ist leicht, doch sie zu akzeptieren und die Änderungen in einem selbst vorzunehmen sehr schwer. Abraham Maslow hat in den 50er und 60er Jahren Untersuchungen über so genannte „Selbstverwirklichende Menschen“ angestellte und dabei unter 3000 College-Studenten keinen gefunden, der dafür getaugt hätte. Eine seiner Schlussfolgerungen daraus war, dass (psychisch) völlig gesunde Menschen in jungen Jahren nicht anzutreffen sind und sich allenfalls, wenn auch selten genug, solche Individuen erst in fortgeschrittenem Alter anzutreffen sind. Meine persönliche Beobachtung kommt zum selben Schluss. Nie habe ich jemanden unter 40 getroffen, der frei von Psychosen, Neurosen oder Persönlichkeitsstörungen gewesen wäre. Die Wunden der Kindheit heilen schlecht, wenn überhaupt und von selbst geschieht dies niemals. Aber bei einzelnen Personen ist es gelungen, das erscheint mir zumindest bis zu einem gewissen Grad, Hoffnung zu rechtfertigen.

Vielleicht ist das, was die Buddhisten als „Erleuchtung“ bezeichnen, die Auflösung des Unbewussten und der Übertrag aller Informationen aus demselben in das Bewusstsein? Eine Überlegung ist es allenfalls wert.

Montag, 16. August 2010

Sokrates (470-399 v. Chr.)

„Jener behauptet dass er etwas wisse, obwohl er nichts weiß. Ich weiß zwar auch nichts, habe aber nie behauptet etwas zu wissen“. Dieser berühmte Ausspruch des Mannes, der „die Philosophie vom Himmel auf die Erde herunter brachte“ wird auch verkürz mit „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ausgedrückt. Dieser Mann ist der möglicherweise größte aller Philosophen, auf den alle abendländische Philosophie zurückgeht: der Straßenphilosoph Sokrates.

Sokrates wurde um das Jahr 470 v. Chr. als Sohn des Steinmetz Sophronikos und der Hebamme Phainarete geboren. Er übernahm die Profession seines Vaters, hatte es jedoch praktisch in seinem Leben nicht ausgeübt. Sokrates kämpft tapfer als Hoplit im Peloponnesischen Krieg für seine Vaterstadt Athen. Diese Kriegszüge waren auch die einzigen Gelegenheiten bei denen er die Stadt Athen verließ. Ansonsten verbrachte er sein ganzes Leben in der attischen Metropole. 406 wurde er zum Prytanen gewählt, dem geschäftsführenden Ausschuss des Fünhunderterrates. Sokrates wurde, obwohl der sich während des Regimes der Dreißig Tyrannen für die Demokratie eingesetzt hatte, gerade von den Demokraten angefeindet, die ihn und seine Denkrichtungen als mitverantwortlich für den Niedergang Athens nach dem verlorenen Peloponnesichen Krieg betrachtete. Athen war schwer gedemütigt worden und die Suche nach einem Sündenbock war in der Person Sokrates erfolgreich gewesen. 399 wurde er, völlig schuldlos, zum Tode verurteilt. Die Anklage lautete auf Gotteslästerung und Verderben der Jugend. Obwohl es Sokrates ein leichtes gewesen wäre dem Tod zu entgehen, zum Beispiel einfach dadurch, dass er die Stadt verlassen hätte (woran er nicht gehindert worden wäre), entschloss er sich eher zu sterben. Im Beisein seiner treuesten Schüler und Bewunderer trank er den Schierlingsbecher und diskutierte mit diesen bis zuletzt. Das Thema: der Tod und was man darüber wissen konnte. Die Art seinen Tod in Kauf zu nehmen bestätigte seine Prinzipien von Wahrhaftigkeit und Liebe zur Wahrheit, die Sokrates selbst höher einstufte, als das Leben selbst.

Wovon er sein Leben lang gelebt hat ist nicht bekannt, er schien immer auf Urlaub gewesen zu sein. Wahrscheinlich hatte er ein gewisses Vermögen geerbt, dass ihm einen ausreichenden Lebensstil gestattet, was nur um so leichter fiel, da der Philosoph keinen ausschweifenden Lebenswandel führte, wie so manch anderer mit „zuviel Freizeit“ es in seiner Situation wahrscheinlich getan hätte. Jedenfalls hat Sokrates sich ganz der Wahrheit verschrieben. Im Kern jedoch ging es stets um den guten Lebenswandel. Wahrheit und Weisheit hatten letztendlich nur den Zweck ein wahrhaftiges Leben zu führen. Sokrates vermochte jeden in ein Gespräch zu verwickeln und er selbst liebte es jedem aufzuzeigen, dass er im Grunde gar nichts wisse, dass sein ganzes Wissen im Grunde nichts anderes war als bloße Meinungen, allenfalls durch den Verstand derart geschickt verpackt, dass man sie für echtes Wissen halten konnte. Einerseits stellte Sokrates so seine Mitmenschen beinhart bloß und zwar vor allem durch die Art Fragen zu stellen, die dazu führten, dass einer sich selbst ständig widersprach. Nicht Sokrates war es, der einen brüskierte, sondern sein Gegenüber tat es selbst. Dabei war Sokrates kein Spötter oder Sadist. Ihm ging es wirklich um die Wahrheit und darum, dass im Grunde niemand etwas wissen konnte, dass die Menschen aber zu dieser Einsicht erst gebracht werden mussten, denn in der Regel war und ist der einzelne sehr davon überzeugt etwas zu wissen, vor allem, wenn er über Bildung verfügt. Die Methode des Sokrates bestand nie darin einem anderen direkt zu widersprechen. Stets ging es darum die Aussagen des anderen indirekt zu widerlegen und zwar, wenn möglich, durch den anderen selbst. Man führt ein Argument so weit, bis es ad absurdum geführt wird und in sich selbst zusammen bricht. Das Ziel ist erreicht, wenn der Gegner nichts mehr zu sagen weiß oder sich nur noch in Floskeln oder Ad-Hominem-Angriffe flüchten kann.

Den einen war er ein Ärgernis, für die anderen war er ein Held. Sokrates war ein Phänomen, ein Athener Original, das man immer auf den öffentlichen Plätzen und Straßen antreffen konnte und einer, der immer zu einem „Schwätzchen“ aufgelegt war. Dass dieses Schwätzchen immer auf den Kern einer Sache zielen sollte, entging einem freilich, sofern man mit der sokratischen Art zu fragen noch nicht vertraut war. Das Orakel zu Delphi nannte ihn den weisesten Mann der Welt („keiner ist weiser als Sokrates“). Für Sokrates war der Weg und das Ziel des Lebens eins. Nicht das Leben selbst ist von Bedeutung, sondern die Lebensführung.

Es gibt auch einige Anekdoten von Sokrates, von denen nur eine hier erwähnt werden soll. Einst an einem sonnigen Tag begab sich der Philosoph wieder einmal auf die öffentlichen Plätze Athens, wie es seiner Gewohnheit entsprach. Dabei hatte er eine Laterne bei sich, die ein angezündetes Licht in sich barg. Darauf angesprochen, wozu er eine Laterne am helllichten Tag brauche antwortete er, er suche Menschen, habe bisher aber noch keinen finden können.

Sokrates selbst hat keine einzige Zeile hinterlassen. Es ist deshalb auch nicht leicht das Lehrgebäude Sokrates zu rekonstruieren. Was wir von ihm wissen, stammt vor allem von seinem bedeutendsten Schüler, Platon, der Sokrates in mehreren Dialogen auftreten lässt. Platon selbst wurde nicht nur mit seiner Philosophie, sondern auch als Person der Erbe des Sokrates. Aber nicht er alleine hat Anspruch die Lehre des Sokrates dargelegt und weiter gegeben zu haben. Auch Aristoteles schreibt über Sokrates, Xenophon war einer der besten Freunde Sokrates, ebenso der „Dandy“ Athens, Alkibiades. Sämtliche philosophischen Strömungen des Abendlandes gehen in irgendeiner Weise auf Sokrates zurück.

Zu erwähnen wäre noch das angeblich so schlechte Verhältnis Sokrates zu seiner Frau Xanthippe. Ihr Name wurde seither zum Synonym für ein garstiges Weib, einen Hausdrachen. Das meiste davon ist stark überzeichnet. Wenn das Verhältnis auch nicht immer harmonisch gewesen sein mag, so ist es doch übertrieben es als derart missgestaltet hinzustellen, wie dies die „Biographen“ des Sokrates, vor allem die früheren, gerne getan haben.

Mit Fug und Recht kann man Sokrates als einen der größten Menschen bezeichnen, die je gelebt haben, ein Licht in der Dunkelheit.

Aussagen über Sokrates

„Er war im Tode der Edelste, im Leben der Verständigste und Gerechteste.“
- Platon-

„Sokrates bricht mit der Tradition und holt, wie Cicero es zugespitzt gesagt hat, die Philosophie vom Himmel auf die Erde“.
- Bruno Snell –

„Ich bewundere die Tapferkeit und Weisheit des Sokrates in allem, was er tat, sagte und nicht sagte“
- Friedrich Nietzsche -

Mittwoch, 11. August 2010

Otto von Bismarck (1815-1898

„Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen unserer Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut!“ Dieser „Ausrutscher“ Bismarcks im Preußischen Reichstag, wurde zu einer seiner berühmtesten Aussagen. Viel wurde über diesen „Eisernen Kanzler“ geschrieben und seine Gestalt gehört zu einer der verklärtesten der moderner deutschen Geschichte. Als „Einiger Deutschlands“ und Visionär, als des Kaisers wichtigster Mann wurde er gefeiert. Und Millionen von Deutschen bewunderten ihn in Literatur und Geschichte, schauten andachtsvoll auf das berühmte Gemälde der Kaiserproklamation in Versailles 1871, auf dem eindeutig, der in weiß gekleidete Bismarck heraus sticht und nicht die im formellen Zentrum stehende Person König Wilhelms I. Wer ist dieser Mann, der zu den bedeutendsten Politikern des 19. Jahrhunderts gehörte und dessen Wesen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein strahlte?

Otto Eduard Leopold von Bismarck wurde 1815 geboren. Er war ein Junker und Landbesitzer in Schönhausen in Brandenburg. Aus einem konservativen und autokratischen Elternhaus stammend, war er demokratischen und liberalen Ideen nicht sehr zugetan. Doch besaß Bismarck genug Realismus, auch aus etwas, das ihm als „Übel“ erschien, für sich das Beste herauszuholen. Konnte man eine Entwicklung nicht verhindern, so wollte er sie doch so weit als möglich selbst steuern. Der Begriff „Realpolitik“ ist auch untrennbar mit dem Namen Bismarck verbunden.

Das erste große öffentliche Auftreten Bismarcks erfolgte im Zug der Revolution von 1848. Dem ersten, revolutionär gesinnten, Abgeordnetenhaus gehörte er allerdings noch nicht an. Doch im Oktober desselben Jahres wurde ein neues Haus gewählt, welches mehr royalistisch eingestellt war und dessen Mitglied der damals 33jährige wurde. Das Verhältnis zu König Friedrich Wilhelm war gespannt. Anfangs unterstützte Bismarck, nicht zuletzt aufgrund seiner Bewunderung für den Staatskanzler Fürst Metternich, die „Großdeutsche Lösung“ bei der Vereinigung der deutschen Staaten. In den frühen 50er Jahren jedoch, änderte er seine Meinung und befürwortete die „Kleindeutsche Lösung“, die Österreich ausschloss. 1859 wurde Bismarck Botschafter in St. Petersburg und 1862 in Paris. Jedoch nur für kurze Zeit. Der Kriegsminister Albrecht von Roon berief ihn durch die berühmt gewordene Depesche („Periculum in mora, Dépêchez-vous“) zurück nach Berlin. Noch im selben Jahr wurde Bismarck preußischer Kanzler, drängte den König, Wilhelm I., dazu die Armee zu reformieren, seine Ignoranz gegenüber der parlamentarischen Opposition aufzugeben und sich den realen Umständen zuzuwenden. Wilhelm war zögerlich bei seinen Entscheidungen und hörte entschieden zu viel auf seine Frau. Bismarck änderte dies und geriet dadurch naturgemäß in Konflikt mit der Königin.

Noch war er Österreich gegenüber, zumindest öffentlich, freundlich gesinnt. Zusammen mit Preußen besiegte es 1864 Dänemark. Die Gebiete Schleswig, Holstein und Lauenburg kamen zu Preußen beziehungsweise zu Österreich. Der Konflikt mit Österreich spitzte sich in der Folge jedoch zu und 1866 kam es schließlich zum Krieg, den Preußen fulminant für sich entscheiden konnte. Die berühmte Schlacht bei Königgrätz legt beredetes Zeugnis darüber ab. Es ging vor allem um die Vorherrschaft in deutschen Raum und in dem, auf dem Wiener Kongress (1814/15) gegründeten, Deutschen Bund, der von Österreich angeführt wurde. Nun aber hatte sich das Schwergewicht nach Norden verlagert und Preußen war jetzt die eindeutige Führungsmacht geworden. Die Staaten nördlich des Mains schlossen sich zur Norddeutschen Konföderation zusammen, die unter dem Vorsitz Berlins stand.

Einem Verwandten preußischen König wurde 1870 die Spanische Krone angeboten. Frankreich jedoch bestand darauf, dass dieser sie ablehnte. Eine Einkreisung durch die Deutschen war für Frankreich inakzeptabel und bald bahnte sich eine diplomatische Krise an. Dies war für Bismarck der Casus Belli. Er schrieb seine berühmte „Emser Depesche“ an König Wilhelm, der zur Kur weilte, und die mit „verschärften“ Worten (um)geschrieben war. Der Zweck war klar. Wilhelm sollte nicht mehr anders können, als Frankreich den Krieg zu erklären. So kam es auch. Frankreich wurde besiegt, vor allem in der großen Schlacht bei Sedan. Im Jänner 1871 wurde das Deutsche Reich im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles proklamiert, nach dem sich die süddeutschen Königreiche, Bayern, Baden und Württemberg den anderen deutschen Staaten angeschlossen hatten. König Wilhelm I. wurde zu Kaiser Wilhelm I. und Bismarck zum ersten Reichskanzler.

Nun wollte Bismarck das Erworbene absichern, denn ihm war bewusst wie sehr die neue Supermacht im Zentrum Europas das Gleichgewicht in Europa gestört hatte, und eine neue Ordnung sich aufgetan hatte, die nur zu gerne von anderen Staaten wieder umgestoßen worden wäre. Frankreich wollte Rache für den Verlust von Elsass-Lothringen, mit ihm war ein dauerhafter Frieden nicht zu erwarten. Österreich war verärgert, konnte aber so weit gebracht werden mit Deutschland 1879 den „Zweibund“ zu schließen. 1882 schloss sich das neu gegründete Königreich Italien an ("Dreibund"). 1887 schloss Bismarck mit Russland den so genannten „Rückversicherungsvertrag“, der dafür sorgen sollte, dass Deutschland in einem kommenden Krieg (und Bismarck sah diesen voraus) nicht von zwei Fronten gleichzeitig angegriffen wurde. Solange Victoria I. Königin (Großmutter von Kaiser Wilhelm II.) von England war, gestalteten sich die Beziehungen zu Deutschland gut bis freundschaftlich. Erst als Victoria 1901 starb und Edward VII. König wurde, wendete sich das Blatt. 1904 schlossen England und Frankreich sich zur „Entente Cordiale“ zusammen. Ein eindeutig gegen Deutschland gerichtetes Bündnis. 1878 fand in Berlin der größte diplomatische Kongress sein Wien statt. Es ging um die Neuordnung des Balkans. Bismarck triumphierte auf dem Kongress, wie einst Metternich in Wien.

Innenpolitisch kam es zu einem „Kulturkampf“ mit der katholischen Kirche, in dem es um die Frage des Erziehungswesens ging. Bismarck erließ gesetzte, die den Katholiken verboten in Ausbildungsfragen mitzureden. Doch bald arrangierte er sich mit den entsprechenden Kreisen im Parlament, sowie dem Heiligen Stuhl in Rom. Die Sozialdemokraten waren Bismarck ein Gräuel. Doch drängte ihn die „Soziale Frage“ dazu erste Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungssysteme zu errichten. Damit war ein Grundstein des Sozialstaates Deutschland gelegt worden, und das von einem Konservativen.

1888 starb Wilhelm I. und nach wenigen Wochen auch sein Nachfolger Friedrich III. so dass Wilhelm II. Kaiser wurde. Dieser hatte modernere Idee und stimmt auch außenpolitisch mit Bismarck wenig überein. Er kündigte den Rückversicherungsvertrag mit Russland. Nachdem die Spannungen der beiden Männer immer heftiger geworden waren, bat der Kaiser den Kanzler um seinen Rücktritt. 1890 reichte Bismarck diesen ein. Er wurde entsprechend angenommen.
Bismarck sah mit Schrecken den Ersten Weltkrieg voraus und die hoffnungslose Lage in die Deutschland geraten würde, wenn es von zwei Seiten angegriffen würde. Wie Recht er damit haben sollte, zeigte die Geschichte keine zwei Jahrzehnte nach seinem Tod.

Donnerstag, 5. August 2010

Die drei größten Illusionen des Lebens

Siegmund Freund brachte es auf den Punkt, als er beschrieb welche gewaltigen Schläge den modernen Menschen getroffen hatten und nun zu seinem Leid in einem ungeahnten Ausmaß beitrügen. Es sind dies Angriffe auf das Ego, auf das Weltbild, das sich der Mensch über Jahrtausende hinweg bewahrt hat und das erst durch die Wissenschaft und Forschung ins Wanken und endlich zu Fall gebracht wurde. Diese Angriffe waren: 1.) Kopernikus mit seinem Heliozentrischen Weltbild: Der Mensch konnte nun nicht mehr in der Vorstellung leben, die Welt sei das Zentrum des Universum. Durch die Astronomie der folgenden Jahrhunderte wurden die Dimensionen im All immer größer und die subjektive Empfindung des Menschen immer kleiner. Wie groß ist der Mensch schon im Verhältnis zu den gewaltigen Ausmaßen des Universums? 2.) Darwin mit seiner Evolutionstheorie. Der Mensch konnte sich nun nicht mehr als Krone der Schöpfung betrachten, zumindest nicht mehr in der alten, bis dahin vorherrschenden Form. Die Vorstellung mit den Affen gemeinsame Vorfahren gehabt zu haben, war für das Selbstverständnis des Menschen beinahe unerträglich. Und selbst heute noch bereitet dies einige Probleme, vor allem bei sehr unsicheren Menschen. Aber es gibt auch Menschen, die aus anderen Gründen berechtigte Zweifel an der Evolutionstheorie haben. 3.) Die Erkenntnisse Freuds selbst, nämlich insbesondere, dass nur ein sehr kleiner Teil dessen, was der Mensch glaubt beherrschen zu können, von ihm wirklich beherrscht werden kann. Das mächtige Unbewusste beherrscht viel mehr den Menschen, als der kleine Bereich, der uns bewusst ist. Der Mensch ist sozusagen gar nicht „Herr im eigenen Haus“.

Unabhängig von diesen Schlägen für das menschliche Ego jedoch, entdeckte Freud, dass es drei große Illusionen gibt, unter denen Menschen leiden. Der gesunde Mensch kommt allmählich so weit sie abzulegen und ohne diese Illusionen sein Selbstverständnis und seine Sicherheit zu erlangen. Der kranke Mensch jedoch wird an einer, wenn nicht an allen drei, wenn auch in unterschiedlichem Maße, festhalten. Die erste dieser Illusionen ist die Illusion unwiderstehlich zu sein. Es ist der Glaube im Grunde unbeschränkt attraktiv zu sein und zwar für alle Menschen. Wer also einen Mensche, der dieser Illusion unterliegt nicht für attraktiv hält, ist aus der Sicht des Illusionisten nicht ehrlich. Oder, was ebenso denkbar wäre, er ist nicht „ganz gescheit“, soll heißen, er befindet sich selbst im Irrtum. Interessanterweise sind es ja gerade die Menschen, die am weitesten von der Realität entfernt leben, die glauben die größten Realisten zu sein und den Irrtum überall in der Welt vermuten, bei jedem anderen nur nicht bei sich selbst. Es ist wie beim Geisterfahrer auf der Autobahn: Es sieht so aus, als ob man der einzige vernünftige Fahrer wäre und heute eben nur noch Geisterfahrer unterwegs seien.

Die zweite Illusion, die von Freud entdeckt wurde, ist jene zu glauben, man sei unsterblich. Es ist der kindliche Wunsch ewig leben zu können. Sterben, das tun immer nur die anderen. Ein solcher Illusionist glaubt, wenn er stürbe, dann stürbe mit ihm auch die ganze Welt. Er kann sich einfach nicht vorstellen, dass die Welt ohne ihn weiter bestehen kann. Bis zu einem gewissen Grad haben alle Menschen den Wunsch ewig zu leben, und wenn schon nicht ewig, so doch so lange wie möglich und das auch noch bei jugendlichem Aussehen.

Die dritte Illusion ist jene allmächtig zu sein. Viele Menschen glauben im Grunde nicht daran, als Mensch beschränkt zu sein. Der kindliche Zauberglaube ist nie ganz auszulöschen. Selbst heute noch gibt es viel Aberglaube, magische Ritualen, Brimborium, irrationale Vorstellungen etc. durchziehen auch heute noch die Gesellschaft. Es scheint so zu sein, dass es irgendwo einen „Trick“ geben müsse, dann würde sich offenbaren, dass wir Menschen im Grunde viel größere Wesen seien, wie wir landläufig glauben. Das Kind mag seine Allmachtsphantasien haben, als Erwachsener wird es lächerlich noch daran zu glauben.

Jeder kann selbst, wenn er sich unsere Welt ansieht, feststellen, wie sehr diese drei Illusionen bei den Mitmenschen, aber auch bei sich selbst (in vielen Fällen), anzutreffen sind. Ich unterlasse es hier auch Gedanken über die Gesellschaft als ganzes zu äußern. Das habe ich schon oft genug getan und das werde ich auch noch öfters tun, doch hier möchte ich die drei Illusionen einfach nur vorgestellt haben. Es obliegt nun jedem selbst, sich ein genaues Bild zu machen.

Donnerstag, 29. Juli 2010

Warum wir in einer Opfergesellschaft leben

Es gibt ein Phänomen in unserer Gesellschaft, dass Individuen, als auch ganze Gruppen, sehr häufig davon ausgehen, dass ihnen „etwas zustünde“. Dabei meine ich nicht berechtigten Ansprüchen, die sich aus Recht oder persönlichen Beziehungen ergeben, sondern die Vorstellung, dass die Welt einem etwas schulde. Im Englischen spricht man von „Entitlement-Society“. Jeder glaubt fordern zu können. Dabei wird aber vergessen, dass des einen Recht des anderen Pflicht ist. Und ist einem dies doch bewusst, so glaubt man trotzdem etwas haben zu dürfen. Ein Kampf um die Ressourcen setzt ein, der Gedanke des Mangels gebiert derartige Anschauung, die im schlimmsten Fall in richtigen Kriegen enden können. Ich selbst habe dies lange Zeit falsch verstanden und dachte, dass es in der menschlichen Natur eben einen natürlichen Trieb gäbe, der ihn veranlasste so viel als möglich zu haben und andere zur eigenen Befriedigung zu instrumentalisieren. Ich dachte, Gesetze sind vor allem dazu da, Chaos zu verhindern und die Menschen davor zu bewahren sich gegenseitig auszubeuten. Ich glaubte, mehr Moral würde das Problem lösen können. Wenn die Menschen nur „anständiger“ wären, dann wäre die Welt auch ein besserer Ort. Das ist eine traditionelle Ansicht und sie wird immer noch von einer großen Mehrheit der Menschen vertreten. Man traut dem Menschen selbst nicht recht und es scheint natürlich zu sein, dass auch der Schatten, das Böse, Teil des menschlichen Wesens sei. Kaum einer wird dem widersprechen. Man erkennt diese Ansicht leicht daran, dass Menschen Sätze mit „Heutzutage...“ beginnen und damit auf die Unmoral des Zeitgeistes anspielen wollen. Aber diese Menschen spielen Spiele, die darin bestehen, sich selbst als gerecht und die anderen als ungerecht darzustellen. Das zentrale Spiel trägt nach Eric Berne den Titel „Ist es nicht schrecklich?“ und wird vor allem auf gesellschaftlichen Zusammenkünften gespielt (z.B. Kaffeekränzchen).

Der Grund, warum ich diese Art von Spielen selbst lange Zeit nicht durchschauen konnte, liegt in meiner eigenen konservativen Erziehung. Ich bin der Erstgeborene und als solcher „Hüter der Tradition“ und ich fühlte mich bereits als Kind mehr zu der Wertschätzung der „Älteren“ hingezogen, als zur Vertretung meiner eigenen Generation. Dieser „Verrat“ war keinesfalls Teil meines eigenen Wesens, sondern der Rolle, die mir anerzogen wurde und die ich als solche nicht erkennen konnte. Kinder werden dazu erzogen die Defizite ihrer Eltern auszugleichen und „brav“ zu sein, anstatt authentisch. Der wahre „Verstoß aus dem Paradies“ hat nichts mit Adam und Eva zu tun. Es ist die Verbiegung der kindlichen Natur, bis es zu einem „funktionierenden“ Mitglied der Gesellschaft deformiert wurde.

Was Menschen tun und fühlen, hat sehr oft keinen Bezug zu der gegenwärtigen Situation und bei objektiver Betrachtung ist deshalb der Mensch nicht selten völlig irrational, ja geradezu dumm in seinem Verhalten. Mit dem „common sense“ kommt man hier nicht weiter. Man muss in die „private Logik“ (nach A. Adler) einsteigen, um zu verstehen, was in einem Menschen wirklich vor sich geht. Jeder Mensch handelt nämlich subjektiv logisch, zu jedem speziellen Augenblick, in dem eine Handlung vollzogen wird. Und ohne Hinwendung auf die Kindheit eines Menschen, ist dessen Verhalten nicht zu verstehen.

Dass Menschen sich so oft als Opfer fühlen, ist durchaus verständlich. Sie fühlen sich als Opfer anderer Menschen, der „Politik“, der „Wirtschaft“, der „Gesellschaft“, also meist ganz allgemein der „Umstände“. Solche Gebilde bilden eine wunderbare Projektionsfläche für die eigene Geisteshaltung und jeder kann darin eine Bestätigung für die eigenen Ansichten finden. Mit der Feststellung Opfer zu sein, haben die Menschen durchaus Recht. Allerdings irren sie in Bezug auf die Ursachen ihrer eigenen Misere. Die wahren Ursachen für das Gefühl Opfer zu sein, liegen in der Kindheit. Es hat nichts mit den gegenwärtigen Umständen zu tun, die nicht Ursache, sondern selbst Wirkung der Opferhaltung sind. Die wahre Ursache liegt in der Erziehung und dabei vor allem in der „schwarzen Pädagogik“, die Anwendung von Gewalt aller Art gegen Kinder. Damit ist nicht nur die körperliche Gewalt gemeint, sondern auch kaltes Verhalten gegenüber dem Kind. Gewalt besteht bereits in einen einfachen „Klaps“ auf den Hintern, nicht wegen des körperlichen Schmerzes, sondern wegen der Demütigung. Jede Liebe, die nicht bedingungslos gegeben wird, ist keine wahre Liebe, sondern ein Mittel der Manipulation.

Opfer fühlen sich mies, sie fühlen sich abhängig, ihnen fehlt etwas, sie sind betrogen worden. Durch die Selbstbezeichnung als Opfer wird jedoch dieser Zustand keinesfalls besser, sondern sie verharren noch mehr in ihrer Rolle und eine Änderung wird immer schwerer. Zudem haben Opfer das Gefühl im „Recht“ zu sein und nun ihrerseits austeilen zu dürfen, schließlich musste man selbst einstecken. Der „schwarze Peter“ wird weitergereicht, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht, meist ist dies nicht der Fall. Am stärksten tritt dies zutage, wenn man selbst Kinder hat. Egal wie sehr man sich auch geschworen haben mag, die eigenen Kinder nicht so zu erziehen, wie man selbst erzogen wurde, unbewusst wird man in ähnliche Muster verfallen. Das Kind in einem selbst, erkennt sich im eigenen Kind wider und erträgt es kaum, wenn dieses es „besser“ hat. Freilich bleibt gerade dies verborgen, so dass die meisten Menschen glauben mit Fug und Recht sagen zu können, sie würden ihre Kinder nicht missbrauchen.

Menschen kämpfen als Erwachsene vor allem deshalb um Ressourcen, weil sie ihre Kindheitsdefizite abzudecken suchen. Dabei sind Liebe und Respekt die beiden Dinge, an denen es auf der Welt am allermeisten mangelt. Und alles Streben nach Konsum, Titel, Ehrungen, Ansehen etc. ist die verzweifelte Suche des kleinen Kindes nach Liebe und Anerkennung. Wir haben uns ein Wirtschaftssystem aufgebaut, das vorgibt diese Mängel beseitigen zu können. Man kann also durchaus davon sprechen, dass ein Großteil unserer Welt einfach pervers ist, in beinahe allen Bereichen ist diese Perversion eingedrungen: Arbeit, Beziehungen, Konsum, Freizeit. Freud sprach bei Perversionen von „Gefühlsverlagerungen“. Damit trifft er den Nagel auf den Kopf: Man nimmt ein echtes Bedürfnis des Menschen, befriedigt es nicht, sondern lenkt es auf eine Ersatzbefriedigung, welche suchterzeugend ist, kurzweilig Befriedigung vorgaukelt und dann eine Leere zurück lässt, die dann zu einem umso größeren Mangelempfinden führt. Das ist der Kreislauf der Sucht, aber darunter fallen eine Vielzahl von menschlichen Verhaltensweisen (nicht bloß die traditionellen Süchte) und beinahe jeder Mensch ist irgendwo davon betroffen.

Zwei berühmte Beispiele von Menschen, die ihre Bedürfnisbefriedigung als Kind nicht erlangen konnten, sind Friedrich Nietzsche und Friedrich Schiller. Nietzsche verachtete, was er als Kind noch so sehr schätzte: die Wahrheit. Ebenso hasste er Frauen und deren Idol, Gott, sosehr, dass er diesen sogar für tot erklären musste. Nur die wahre Ursache seiner Leiden und auch seiner Geisteskrankheit, hat er nie herausgefunden, denn dieser Wahrheit durfte er sich nicht stellen: die brutale, herzlose Behandlung durch seine Mutter und seine Schwestern. Schiller war zeitlebens ein kranker Mann und starb auch recht früh. Er ist der große „Freiheitsdichter“ der deutschen Literatur. Der Kampf um die Freiheit war nicht nur der seiner Dramengestalten (Wilhelm Tell, Karl Mohr), sondern vor allem sein ganz persönliches Drama. Schiller durfte als Kind seinen Freiheitsdrang nicht ausleben, erhielt nicht die Liebe seiner Vaters, den er so sehr bewundert, und wurde in einer Kadettenschule brutal erzogen. Als „Die Räuber“ in Heilbronn uraufgeführt wurde, was das Stück ein Bombenerfolg. Viele Menschen konnten sich mit den Helden und deren Kampf um die Freiheit identifizieren. Einige Jahre später brach in Frankreich die Revolution aus und ihre Ideen überschwemmten ganz Europa. Zwar bekämpfte man das „Ancien Régime“, doch der wahre Kampf fand im Inneren statt. Niemand kam auf die Idee, dass die Kindheit und die Erziehung die Ursache für die Unfreiheit des Menschen bargen. Freud bemerkte zwar, dass seine Patienten als Kinder misshandelt wurden, wagte es jedoch nicht, die Erziehung anzugreifen, sondern blieb der alten Ansicht vom „Bösen“ im Menschen treu. Er wählte dafür jedoch die Bezeichnung „Triebe“. Erst im 20. Jahrhundert wagten Kinderpsychologen und –psychiater allmählich sich anzusehen, was wirklich hinter der Destruktivität, dem „Bösen“, steckt. Großartige Arbeit auf diesem Gebiet leistete, die im April verstorbenen, Alice Miller. Ihre Werke sollten von allen gelesen werden, die sich mit ihrer eigenen Kindheit und der Erziehung von Kindern im Allgemeinen befassen. Sie öffnen einem die Augen und man sieht, wenn man den Mut hat, Wahrheiten, die man selbst seit Jahren oder gar Jahrzehnten, vor sich selbst verborgen hat. Das Unbewusste musste schon für so vieles herhalten, wenn man menschliches Verhalten nicht erklären konnte, doch stehen die Chancen gut, dass wir diesen „dunklen“ Bereich mit immer mehr Licht erfüllen werden und eines Tages mag es uns vielleicht gelingen unseren Geist vollständig zu erleuchten und in keinen Illusionen mehr zu leben!

Alles, was dazu führt, dass ein Kind sich ungeliebt und nicht respektiert fühlt, und sei es nur für einen Augenblick, ist schädliche Pädagogik! Egal was geschieht ein Kind muss sich ununterbrochen geliebt und respektiert fühlen, völlig ungeachtet dessen, was es tut. Liebe und Respekt dürfen nicht als Mittel zur Erzeugung von Wohlverhalten verwendet werden. Der Mangel an Liebe ist der größte Feind der Freiheit. Für ein echtes Erleben von Freiheit ist es unbedingt notwendig den eigenen „Liebesspeicher“ gefüllt zu haben.

Es ist unbedingt notwendig, dass die Menschen die wahren Ursachen ihrer „Suche“ im Leben herausfinden. Es ist nicht „normal“ und „Teil der menschlichen Natur“ sich unbefriedigt zu fühlen. Im Grunde ist der Mensch von Natur aus so geschaffen, dass er nicht „aus sich selbst heraus fällt“. Dieses Herausfallen bewirkt eine Trennung, die lebenslang schmerzhaft empfunden wird, deren Ursprung in der eigenen Erziehung liegt. Dieser Zustand wird auch als „Sünde“ bezeichnet. Er ist aber der menschlichen Natur nicht an sich zu eigen, sondern wird künstlich bewirkt. Es ist Unsinn dem Menschen dies selbst zum Vorwurf zu machen und ihn „Buße“ tun zu lassen, damit erreicht man gar nichts, als Abhängigkeit von Ritualen und einem religiösen System. Nach dem Erkennen der Ursachen und der Umstände der eigenen Erziehung, kann der Mensch beginnen seine echten Gefühle zu fühlen und die Vergangenheit zu betrauern. So wird er auch in die Lage versetzt nicht mehr unbewusst zu handeln und zu tun, was seine Bedürfnisse auf eine taugliche Art befriedigt. Dann ist neurotisches Verhalten nicht mehr notwendig. Die „Perversionen“ finden ein Ende und der Drang wird in die gesunden Bahnen gelenkt. So erlangt der Mensch seine Freiheit zurück, vielleicht erlebt es sie so zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der dagegen spricht dies zu tun.