Samstag, 29. Mai 2010

Aurelius Augustinus (354 – 430)

Einst ging Augustinus am Strand des Meeres entlang und sinnierte über das Wesen Gottes nach. Da sah er einen kleinen Jungen, der Wasser aus dem Meer in eine kleine Sandgrube goss, die er gegraben hatte. Als Augustinus ihn fragte, was er da mache, antwortete dieser er schöpfe das Meer in die Grube. Auf die Frage, ob der Junge Glaube mit seinem Vorhaben Erfolg zu haben, gab dieser zur Antwort, es gelänge ihm wohl eher, als dass Augustinus das Wesen Gottes erfassen könne.

Diese kleine Legende über den Heiligen Augustinus sagt viel über seine Suche nach Gott aus, aber auch seine letztendliche Demut, die ihn einsehen ließ, dass das Unaussprechliche, das Unerfassbare sich dem menschlichen Geist entzieht und doch hat der aufrichtig Suchende die Gewissheit von Gott, die dem Nicht-Glaubenden unverständlich bleiben muss. Augustinus ist den meisten Menschen zumindest dem Namen nach bekannt. Vielen sind auch seine „Confessiones“, seine große Lebensbeichte, ein Begriff. Schonungslos geht er darin mit sich selbst ins Gericht und liefert damit nicht nur ein herausragendes Werk der Weltliteratur, sondern schuf auch eine neue Gattung der Literatur – die Autobiographie. Wer war dieser Augustinus? Führte er bereits von Kindesbeinen an ein gottgefälliges, frommes und rechtschaffenes Leben? War er dem Herrn immer schon zugetan? Mitnichten! Sein Leben verlief über lange Zeit in eine ganz andere Richtung.

Aurelius Augustinus wurde am 13. November 354 im nordafrikanischen Tagaste geboren. Er war römischer Abstammung, sein Vater Patricius blieb über den größten Teil seines Lebens hinweg Heide, die Mutter, die heilige Monica, war jedoch Christin. Die Mutter war es auch, die dem Knaben das Christentum nahe brachte. Doch auf den Wunsch des Vaters hin, sollte Augustinus eine weltliche Laufbahn einschlagen. Augustinus wandte sich nun ganz dem weltlichen Leben zu und bereitete der Mutter so nicht geringe Sorgen. Es sollte lange dauern, bis er sich zum Glauben an Jesus Christus bekannte. Der Junge studierte zuerst in seiner Vaterstadt und führte seine Studien in Karthago weiter. So erhielt er eine lateinische Bildung. Bald jedoch gab sich Augustinus immer mehr den weltlichen Ausschweifungen hin, besuchte allerlei Vergnügungen, nahm an Orgien teil und lebte in wilder Ehe, aus der ihm auch ein Sohn geboren wurde. Beruflich machte er zuerst Karriere als Lehrer der Rhetorik in Karthago. Vor allem Cicero war dabei sein großes Vorbild.

Eine ausgeprägte Schönheitsliebe und der brennende Wunsch nach Wahrheit und Selbsterkenntnis führten zu allerhand Irrwegen. So schloss er sich etwa den Manichäern an. Sein beruflicher Weg führte ihn nach Rom, wo er seinen Ruf als Orator weiter ausbaute und bald darauf wurde er auch nach Mailand berufen. Mailand wurde für ihn zum Ort der Umkehr. Das Interesse an der unsichtbaren Welt brachte Augustinus dazu seinen Fokus zu ändern. Großen Einfluss hatte dabei der Bischof von Mailand, Ambrosius. Augustinus begann nun ernsthaft mit dem Studium der Bibel, jedoch mit sehr großer Skepsis, einerseits, da sie ihm als literarisches Werk nicht hoch stehend genug war, andererseits aber auch, weil sein Stolz ihn daran hinderte sein Leben Jesus anzuvertrauen. Allmählich begann die Botschaft in ihm zu reifen, Berichte anderer Leute, die zum Christentum konvertiert waren, unterstützten seine Verwandlung. Eines Tages meditierte er im Garten seines Hauses, als er eine Stimme vernahm, die ihm gebot zu lesen. Er schlug die Bibel auf und vor ihm lag der Römerbrief des Apostel Paulus. Die Stelle die ihm ins Auge fiel war jene, die besagt, nicht im Fleische, sondern in Jesus Christus ist das Heil zu finden (Röm. 13,13). Dies war der Moment der Umkehr, er wurde nun zum wahren Christen. 387 ließ er sich von Ambrosius taufen.

Er zog über Rom zurück in seine afrikanische Heimat, verkaufte alle Güter seiner Familie und verteilte den Erlös an die Armen. Daraufhin gründete er eine Klostergemeinschaft mit guten Freunden, an deren Spitze er nun stand. Bischof Valerius von Hippo weihte ihn zum Priester, setzte ihn zunächst als seinen Stellvertreter ein und als der alte Bischof starb, übernahm Augustinus dessen Bischofsamt. Die größten Schwierigkeiten bereiteten dem neuen Bischof die vielen Sekten und häretischen Ansichten der damaligen Zeit (Manichäer, Arianer, etc.), neben den Heiden und deren Gebräuchen selbstredend. Er setzte seinen genialen Verstand und seine überragende Redekunst ein, um dem rechten Glauben zum Sieg zu verhelfen. Er schrieb unaufhörlich theologische Schriften und unterhielt einen regen Briefverkehr. Neben den „Bekenntnissen“ ist vor allem seine Schrift „Der Gottesstaat“ von überragender Bedeutung. Augustinus wurde so zu einem grundlegenden Denker des Abendlandes, der Theologie, Moral und Ethik, Politik aber auch Mystik und Philosophie maßgeblich beeinflusste. Augustinus starb am 28. August (Jahrtag) 430 im Bischofsamt von Hippo Regius. Seine Asche wurde in San Pietro in Ciel d’Oro (bei Pavia) beigesetzt. Augustinus ist der Patron der Theologen, der Buchdrucker und Bierbrauer. Augustinus ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch Menschen, die ganz dem „frommen“ Leben abgeschworen haben, immer noch „bekehrt“ werden können. Einen ähnlichen Fall finden wir bei Saulus von Tarsus, der nach seiner Bekehrung als der Heidenapostel Paulus seine übergroße Berühmtheit erlangte. Niemals können wir Menschen darüber urteilen, welchem Herz von Gott seine Gnade erwiesen wird. Selbst bei Menschen, die vom Heil sehr weit entfernt sind, kann noch eine Umkehr erfolgen – das sollten wir nicht vergessen.

Dienstag, 25. Mai 2010

Thomas von Aquin (1225 – 1274)

Der Heilige Thomas von Aquin war einer der herausragendsten Geistesgrößen des Mittelalters und wahrscheinlich die einflussreichste Person in der Philosophie und mehr noch der Theologie des 13. Jahrhunderts. Über all die Jahrhunderte hindurch wurden und werden seine Werke gelesen und gelten zu dem Größten, was der menschliche Geist je hervorgebracht hat. Seine bedeutendsten Schriften verfasste er mit unglaublicher Anstrengung und einem schier übermenschlichen Arbeitspensum in den letzten Jahres seines nicht all zu langen Lebens. Am bekanntesten unter diesen Schriften sind „Summa contra gentiles“ und mehr noch seine „Summa theologica (oder theologiae)“. Der dritte Teil dieser „Summa theologica“ wurde erst nach seinem Tod 1274 fertig gestellt, jedoch in Übereinstimmung mit seinem eigenen Design. Wer war dieser große Mann, zu dem Generationen von Gelehrten emporblicken und der nicht nur unter den Heiligen einen besonderen Platz einnimmt, sondern auch in der Gelehrtenwelt seinen überragenden Rang hat?

Geboren wurde Thomas von Aquin 1225 auf der Burg Roccasecca bei Aquino in Mittelitalien. Der Abstammung nach war er aus niederem Landadel (Lehensherrn aus gräflichem Geschlecht). Er studierte bereits als Kind bei den Benediktinern auf dem berühmten Bergkloster Monte Cassino in Latium. Später studierte er in Neapel, welches die erste staatliche Universität des Abendlandes besaß. Er trat mit 18 Jahren, 1243, in den Dominikanerorden ein. Gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Elternhauses ging er nach Paris, um dort seine Studien fortzusetzen. Dabei wurde er Schüler des berühmten Scholastikers, Albertus Magnus. Er folgte Albertus Magnus, als dieser nach Köln berufen wurde. Später, 1252, kehrte Thomas nach Paris zurück, um dort bis 1261 zu unterrichten. 1256 erhielt er seine Magisterwürde. In Paris entstanden auch die ersten Werke, einige Kommentare zu den frühen Kirchenvätern. Dann wurde er unter Urban IV an den päpstlichen Hof nach Rom geholt. Thomas wechselte mehrmals zwischen Italien (unter anderen wieder Neapel) und Frankreich (vor allem Paris) hin und her. Seine Pflichten und Berufungen ließen ihn kaum länger als zwei bis drei Jahren an einem Ort verweilen. Zwischen 1259 und 1264 entstand sein bedeutendes Werk „Summa contra gentiles“, in dem er vor allem die Frage der Heiden behandelt. Daran schließt sich der Beginn seines Werkes „Summa theologica“ an, an dem er lange Zeit arbeitete und das trotz zahlreicher anderweitiger Verpflichtungen (Lehre und Dominikanerorden). In den letzten Jahren vor seinem Tod schrieb er noch zwölf umfangreiche Kommentare zu Aristoteles.

1272 kehrte Thomas nach Neapel zurück, um dort eine Ordenshochschule einzurichten. 1274 berief Gregor X. den Generalrat nach Lyon, zu dem auch Thomas von Aquin geladen war. Er starb jedoch am 7. März auf dem Weg dahin in der Zisterzienserabtei von Fossa-nuova, südlich von Rom, an Erschöpfung. Seine sterblichen Überreste wurden in Toulouse begraben. Bald wurde der Heiligsprechungsprozess eingeleitet. 1323 sprach Papst Johannes XXII. Thomas von Aquin heilig.

Die Philosophie Thomas von Aquins steht in Zusammenhang mit der im 13. Jahrhunderts besonders stark vertretenen Auseinandersetzung mit den Werken des (Heiden) Aristoteles. So war es zu dieser Zeit auch nicht ungefährlich dessen Werke zu lesen und zu studieren. Vor allem die diversen Übersetzungsversuche brachten viele Kontroversen mit sich. Thomas von Aquin zeichnet sich durch einen sehr überlegten und, heute würde man sagen „fairer“ Stil aus. Er stellt mehrere Positionen gegenüber, ohne dabei überheblich zu sein oder eine von vorne herein eine Interpretation im Sinne des Christentums vornehmen zu wollen. Was bemerkenswert an Thomas ist, dass er meist größeren Wert auf die gedankliche Nachvollziehbarkeit als auf direkte Offenbarung der Wahrheit legte. Natürlich befinden wir uns noch in der Mitte des 13. Jahrhunderts und deshalb wird auch noch von „Wahrheit“ im Wissenschaftlichen Sinne gesprochen. Heute ist uns klar, dass die Wissenschaft nicht in der Lage ist Wahrheiten zu liefern, sondern lediglich Theorien, die eine Zeit lang bestehen, bis sie von einer neuen Theorie abgelöst wird. Trotzdem gibt es heute immer wieder Wissenschaftler, die anstatt zu forschen und sich um die Wirklichkeit zu kümmern, lieber Politik betreiben und ihre Theorien als „Wahrheiten“ verkaufen. Ein Beispiel für so eine Vorgehensweise finden wir bei Richard Dawkins, der die „Evolutionstheorie“ als „Wahrheit“ darstellt und dabei alles tut, um Religionen in den Schmutz zu ziehen. Dabei schaden solche Leute am aller meisten der Wissenschaft selbst. Ein Thomas von Aquin hätte sich keiner ernsthaften Diskussion entzogen, doch wäre er wohl nicht auf ein primitives polemisches Niveau herunter gestiegen.

Jedenfalls waren das Hochmittelalter, und vor allem das 13. Jahrhundert, die Zeit in der es allmählich zu einer Umorientierung kam. Während die Antike und das frühe Mittelalter von Platons Philosophie geprägt war, so änderte sich dies nun mehr zugunsten des Aristoteles. Das heißt aber auch, dass damit die Naturkräfte selbst und auch die Materie eine größere Bedeutung erlangten. Während Platon die Seele in den Mittelpunkt stellt und die Körperlichkeit als untergeordnet, ja teilweise sogar in ihrer Existenz anzweifelt, ist die Philosophie des Aristoteles hingegen mehr an der „Dinglichkeit“ orientiert. Platon ist mehr der „echte“ Philosoph, der Vergeistigte, während Aristoteles, der Praktiker, den man, man möge mir diesen Ausdruck verzeihen, als „Mechaniker“ bezeichnet werden könnte. Thomas von Aquin bemühte sich intensiv darum zu zeigen, dass ein Großteil dessen, was Aristoteles lehrte, mit dem christlichen Dogma übereinstimmte. Bemerkenswert ist die Kunst zu systematisieren, die Thomas von Aquin auszeichnete. Er lehnte auf der einen Seite die Augustinische Lehre ab, dass die Wahrheit eine Angelegenheit des Glaubens sei. Auf der anderen verwarf er aber auch die Lehre, die vor allem von Averroes vertreten wurde, die Glauben und Wahrheit völlig von einander trennte und keinen Zusammenhang zwischen den beiden erblicken konnte.

Über die „Summa theologica“ werde ich zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher schreiben. Der Platz wäre hier niemals ausreichend und in dieser Kurzbiographie stelle ich auch nicht den Anspruch detaillierte Informationen zu liefern. Der Jahrestag des Heiligen Thomas von Aquin wird am 28. Jänner (katholisch) gefeiert.

Sonntag, 16. Mai 2010

Reifer Glaube

Die spirituelle Reife des Menschen entwickelt sich in der Regel viel langsamer, als die biologische Reife. Letztere stellt sich meist von selbst ein, während die geistige, nicht nur intellektuelle und seelische Reife, sich nur durch aktives Tun des Menschen selbst einstellt. Auch ist der Prozess nie abgeschlossen, sondern die Entwicklung läuft über das ganze Leben hindurch ab. Jedoch kommt es sehr oft vor, dass ein Mensch auf einem bestimmten Niveau über lange Zeit, wenn nicht sogar sein ganzes Leben lang, verbleibt. So kann es geschehen, dass ein Mensch im mittleren Alter immer noch ein kindliches Glaubensbild in sich trägt. Kein Wunder, dass es Menschen gibt, die daraus ableiten, dass Glauben überhaupt etwas Kindisches sei. In Wahrheit könnte jedoch nichts ferner liegen, denn der reife Glaube unterscheidet sich vom noch nicht gereiften Glauben, wie eine Eichel von einer ausgewachsenen Eiche. Der Glaube eines kleinen Kindes unterscheidet sich von dem der Jugend, des mittleren Alters und des Alters ganz erheblich. Ich möchte dies am Vergleich von zwei Gedichten zeigen, die Johann Wolfgang von Goethe geschrieben hat: „Prometheus“ und „Grenzen der Menschheit“

Prometheus
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Musst mir meine Erde
Doch lassen stehn
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch, Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wusste, wo aus noch ein,
Kehrt ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär’
Ein Ohr, zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden da droben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängstigten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehen,
Weil nicht alle
Blütenträume reiften?
Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

Grenzen der Menschheit
Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Über die Erde sät
Küss ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
Treu in der Brust.
Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgendein Mensch.
Hebt er sich aufwärts
Und berührt
Mit dem Scheitel die Sterne,
Nirgends haften dann
Die unsichern Sohlen,
Und mit ihm spielen
Wolken und Winde.
Steht er mit festen,
Markigen Knochen
Auf der wohl gegründeten
Dauernden Erde,
Reicht er nicht auf,
Nur mit der Eiche
Oder der Rebe
Sich zu vergleichen.
Was unterscheidet
Götter von Menschen?
Dass viele Wellen
Vor jenen wandeln,
Ein ewiger Strom:
Uns hebt die Welle,
Verschlingt die Welle,
Und wir versinken.
Ein kleiner Ring
Begrenzt unser Leben,
Und viele Geschlechter
Reihen sie dauernd,
An ihres Daseins
Unendliche Kette.

Es ist klar erkennbar, dass beide nicht denselben Geist, dieselbe Glaubenseinstellung ausdrücken. „Prometheus“ deutet auf einen „Stürmer und Dränger“ hin, eine jugendhafte Person, der es eine Zumutung zu sein schein, einen Gott über sich zu haben, die glaubt im Grunde mit wachem Verstand alles selbst in die Hand nehmen zu können. Wozu dann Gott? Von dieser Ablehnung gegen Gott, ist es nur ein kleiner Schritt zum Atheismus. Mag sein, dass Frust zu dieser Auffassung führt, mag sein, dass Gott nicht als gut, sondern als Tyrann aufgefasst wird. Ablehnung oder Leugnung Gottes, beides ist einem jedenfalls Recht. Prometheus zeigt sehr gut die Rebellion des (vor allem jungen) Menschen gegen einen Gott, gegen jemanden, dem man gegenüber verantwortlich ist, auch wenn man allen Menschen entkommen ist. Dass am Ende Rechenschaft über alles abzulegen ist, das erscheint untragbar. Das zweite Gedicht hingegen zeigt den reifen Glauben eines Menschen mit Lebenserfahrung, der wahrscheinlich viel durchgestanden hat und der endlich zur wahren Einsicht gelangt ist. Meist sind Menschen, die die Einstellungen von „Grenzen der Menschheit“ gewonnen haben auch die „Prometheuseinstellung“ gegangen und haben sie irgendwann hinter sich gelassen. Großer Zweifel ist nichts Schlechtes, im Gegenteil, gerade daraus kann der reife Glauben entspringen. Es zeigt, dass ein Mensch sehr in die Sache des Glaubens involviert ist. Vom durchdachten Atheismus zum echten Glauben ist es oft nur ein kleiner Sprung. Was es dazu braucht? Die Fairness und die Demut des Atheisten nun auch seine Zweifel anzuzweifeln. Der Atheist, der auch seinen Atheismus anzuzweifeln vermag, der kann diesen Entwicklungsschritt machen. Wenn es um Glauben geht, herrschen oft falsche Vorstellungen vor, die sich aus einem schlampigen Gebrauch des Wortes „glauben“ ergeben. So sagt einer zum Beispiel: „Ich glaube die Hauptstadt von Nicaragua ist Managua.“ Sagt er aber hingegen: „Ich weiß die Hauptstadt von Nicaragua ist Managua“, so ist das nicht dasselbe. Im zweiten Fall sprechen wir von wissen, im ersteren von „nur“ glauben. Glauben wird damit zu einer Restgröße für das Nichtwissen, die wir aber trotzdem für wahr halten. So gesehen, ist es leicht verständlich, den Glauben geringer zu schätzen. Wahrer Glaube hat aber damit nichts zu tun. Er entspringt sehr wohl auch dem Verstand, aber er geht darüber hinaus, da er das Gefühl, das Wollen und überhaupt das ganze Wesen des Menschen miteinschließt. Glauben ist das Ganzheitlichste, was es überhaupt gibt, er ist. Wahrer Glaube ist nicht nur eine Gewissheit, sondern sogar eine Übergewissheit. Zu glauben ist nicht nur vernünftig, es ist übervernünftig. Jeder weiß, dass die Wurzel aus 25 5 ist. Für den Gläubigen ist die Gewissheit, dass es Gott gibt, mindestens so stark wie die eben genannte Gewissheit. Sicher, der Nicht-Gläubige kann sich nicht wirklich vorstellen, wie einer zum Glauben kommt (mag er sich auch noch so viele Erklärungen zurecht legen). Doch er kann sich vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man ihm ein Beispiel nennt, so wie ich es oben mit der Wurzel aus 25 gemacht habe. Ich wünsche allen noch einen schönen Sonntag und gutes Gelingen in der nächsten Arbeitswoche.

Montag, 10. Mai 2010

Religiöse Toleranz – was ist das wirklich?

Gerade im religiösen Bereich, beziehungsweise im Bezug darauf, wird immer wieder verlangt, die einzelnen Parteien und Beteiligten mögen doch größere Toleranz üben. Die Intoleranz sei der Grund dafür, dass es so viele Unstimmigkeiten und Streit gäbe. Manche fordern gar, am besten wäre es, dass keiner mehr auf irgendeine Sache bestehen soll. Die Harmonie wird allem übergeordnet – freilich eine trügerische Harmonie, denn wenn einer dem anderen nachgibt, dann mag zwar im äußeren Harmonie herrschen, aber der Mensch hat sich dann im inneren selbst verraten und wird die Zeche dafür auch zu bezahlen haben. Was bei so einer Ansicht herauskommt, ist ein grauer Einheitsbreit ohne Ecken und Kanten, nicht Fisch, nicht Fleisch, keiner ist damit besonders zufrieden, aber man kann händchenhaltend durch die Straßen spazieren und fühlt sich wie die kleinen Kinder in Kindergarten. Wäre das nicht schön? Alle vereint, keine Streitigkeiten mehr, alle unter dem Dach eine Weltreligion light, denn klare Aussagen könnten überhaupt nicht mehr getroffen werden? Irgendwie wäre dann ja alles richtig.

So verführerisch das alles auch sein mag, es ist im Ergebnis kompletter Schwachsinn! Es gibt zum Beispiel auch die Ansicht, im Grunde würden doch alle Wege zum Ziel führen. Wer so denkt, hat sich mit der Sache überhaupt nicht beschäftigt! Die verschiedenen Religionen haben unterschiedliche Ziele und diese sind eben gerade nicht gleich, ja meist auch nicht miteinander vereinbar! Ich selbst habe lange Jahre hindurch den Buddhismus und das Christentum studiert. Alleine am Beispiel des Vergleiches dieser beiden Religionen lässt sich ganz klar zeigen, dass es eben nicht dieselben Ziele sind, die erreicht werden. Im Buddhismus kreist alles ums Leid und dessen Aufhebung. Buddha selbst hat gesagt, dass er nie etwas anderes gelehrt habe als das Leiden. Das Leid ist der Fetisch der Buddhisten, schließlich ist gemäß ihrer Ansicht (Erste Wahrheit) alles Leben Leiden! Das Leid soll nun beendet werden. Und das soll dadurch erreicht werden, indem alles verneint wird, alle Bedürfnisse, alle Triebe, alles Leben, alles was gut, schön und menschlich ist. Ist alles aufgehoben, dann erreiche man Nirwana. Nirwana ist aber keineswegs der Himmel, keine ewige Glückseligkeit. Diesem Irrtum darf man nicht unterliegen. Nirwana ist einfach das Verlöschen in der spirituellen Welt. Aber darüber hinaus geht der Buddhismus nicht, der Buddhismus hat mit dem Absoluten, dem Endgültigen nichts zu tun! Er weiß nicht einmal etwas davon. Der Buddhismus bleibt auf einer anderen Stufe, er dringt gar nicht bis zum Höchsten vor, sondern hat nie etwas davon erfahren.

Anders das Christentum. Das Christentum kennt die Welt, die die Buddhisten beschreiben, selbst ganz genau. Die spirituelle Welt ist auch für das Christentum eine Tatsache, doch ist sie nicht die Welt Gottes. Denn auch, und da haben die Buddhisten völlig Recht, diese spirituelle Welt unterliegt einem Wandel. Auch die Wesen die sich dort finden, sind vergänglich, wenn sie auch meist eine längere Lebensdauer haben als wir Menschen. Das Christentum kümmert sich aber vor allem um Gott und den Menschen. Gott ist aber weder in der materiellen, noch in der spirituellen Welt, sondern oberhalb von beiden in der ewigen Absolutheit. Das ist die Welt Gottes, das ist der Himmel. Es ist leicht zu sehen, dass es da keine Übereinstimmung gibt, die beiden Wege haben völlig unterschiedliche Ziele. Verlöschen (Nirwana) oder Himmel, sind zwei ganz verschiedene Dinge!

Wie sieht es aber nun mit der religiösen Toleranz aus? Es ist verständlich, dass Toleranz niemals unbegrenzt sein kann, sondern irgendwo ihre Grenzen finden muss. Toleranz ist mehr als das bloße Dulden eines anderen, denn wer den anderen nur duldet, beleidigt ihn auf die Dauer. Am Anfang mag zwar das Dulden stehen, wenn es aber nicht zu einer Akzeptanz kommt, dann läuft es im Ergebnis auf eine Beleidigung hinaus. Wie schaut es aber nun mit der Toleranz zwischen den Religionen und auch den nichtreligiösen Gruppen aus? Toleranz kann nur bedeuten, dass man den anderen als Menschen akzeptiert, ihm seine Würde belässt und seine Leistungen schätzt.

Manchmal hört man die Forderung in Bezug auf religiöse Toleranz, Religionen sollen ihren Alleinheilsanspruch aufgeben. Das hört sich zuerst für manchen, nicht schlecht an, denkt man so könne man wohl leichter sich auf Augenhöhe begegnen. Dazu muss allerdings gesagt werden: Wenn die Behauptung man selbst haben den einzig richtigen Weg auf einer bloßen (menschlichen) Meinung beruht, dann sollte davon auch abgerückt werden können. Sollt jedoch diese Ansicht auf dem Glauben selbst beruhen (zum Beispiel weil eine Heilige Schrift dies so besagt), dann darf nicht gefordert werden diese Ansicht aufzugeben. Ist diese Ansicht selbst Glaubensinhalt, dann ist die Forderung des Abrückens davon unzulässig! Glauben ist Teil der Identität und wer vom anderen verlangt Glaubensinhalte aufzugeben, der greift seine Identität an. Das ist gleichbedeutend mit einem Angriff mit einer Waffe. Und einen solchen würde man auch niemals gutheißen. Wer den Glauben des anderen angreift, respektiert die Grenzen des anderen nicht!

Ich bin der Meinung, dass sich aber alle Menschen auf einer rein menschlichen Ebene sehr wohl treffen können. Ich kann den anderen als Menschen, als einen Bruder oder eine Schwester akzeptieren, ohne ein Über- oder Unterlegenheitsgefühl zu entwickeln. Auch wenn jemand der Meinung ist der andere habe nicht Recht, so ist trotzdem ein ordentlicher, ja sogar liebevoller Umgang, miteinander möglich. Nur darf niemals um der gegenseitigen Verständigung willen, ein Abrücken vom Glauben gefordert werden. Das wäre in jedem Fall unzulässig.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Das Phänomen des Glaubens

Wie ich bereits in meinem letzten Eintrag (Sonntag 2. Mai) geschrieben habe, gibt es drei Möglichkeiten, wie der Mensch auf die Frage nach dem Sinn des Lebens antworten kann. Ich möchte mich heute besonders mit der Antwort des Glaubens beschäftigen und zwar nicht in dem Sinne, dass es um einen bestimmten Inhalt des Glaubens, ein bestimmtes Bekenntnis, gehen soll, sondern um das Phänomen des Glaubens selbst. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass es sich beim Glauben um ein Phänomen handelt, denn alle Zeiten und alle Orte haben es gekannt und treffend sagte bereits der antike Orator Cicero, dass es ein nicht glaubendes Volk noch nie gegeben habe. Wo immer es Menschen gab, da hat man auch geglaubt. Doch, was ist glauben eigentlich? Wie entsteht er?

Kritiker des Glaubens führen verschiedene Punkte auf, die ihrer Meinung zutreffen. Da gibt es einerseits die Ansicht Glauben sei kindisch, unwürdig des Erwachsenen und vor allem modernen Menschen des 21. Jahrhunderts. Die Unfähigkeit zu glauben führt dann oft zur Gleichgültigkeit oder entschiedener Ablehnung des Glaubens. Auch ist es möglich, dass die eigene Überheblichkeit Glauben nicht zulässt, denn man denke nur an die Regeln der Religionen. Wenn nämlich die Bücher des Glaubens, Gottes Wort sind und vollkommen zutreffen, dann hat dies enorme Konsequenzen für den Menschen und seine Art zu leben und gar viele würden wohl nicht bestehen können. Viele Menschen haben ein persönliches Interesse daran, dass diese Schriften nicht wahr sind. Atheismus kann auch aus dem Wunsch entstehen, dass es Gott nicht geben möge (Sartre sagte etwa: „Wenn Gott existiert, ist der Mensch ein Nichts:“).

Am Beginn steht der Begriff „Glauben“ selbst. In der heutigen Zeit wird das Wort „glauben“ viel zu häufig für Dinge verwendet, die dem eigentlichen Sinn dieses Wortes nicht entsprechen. Meist wird damit „vermuten“ oder „annehmen“ gemeint, auf diese Weise ist glauben aber weniger als wissen. Denn „glauben“ ist dann eine Sammelbezeichnung für die Dinge, die man nicht weiß, die man aber, aus welchen Gründen auch immer, für richtig hält. Wahrer Glaube jedoch übersteigt das Wissen bei weitem, denn niemals wird beim Glauben der Verstand ausgeschaltete, niemals heißt Glauben Nicht-Denken! Im Gegenteil, gerade beim Glauben wird gedacht. Allerdings ist es damit nicht getan. Glauben ist eine ganzheitliche Erfahrung, die Denken, Fühlen und Wollen miteinschließt. Im Ergebnis ist der Glaube ein Geschenk, das der Mensch nur erhält, wenn er eine gewisse Demut walten lässt. Niemals kann Glauben erzwungen werden. Auch kann kein Mensch den anderen glaubend machen. Deshalb sprechen verschiedene Religionen auch davon, dass Gott im Menschen den Glauben erwecke. Tut er dies nicht, so kann der Mensch nicht glauben.

In gewisser Weise leben Menschen die glauben und solche, die nicht glauben, nicht in derselben Welt. Zwischen Glauben und Nichtglauben gibt es einen Graben, der nicht einfach überbrückt werden kann. Für den Nichtglaubenden ist der Gläubige ein Rätsel. Es ist so, als ob ein „Schalter“ in ihm umgelegt wurde und sich eine Gewissheit eingestellt hätte, die nicht zu erklären ist. Sämtliche Erklärungsversuche laufen ins Leere, es sei denn man begnügt sich mit ein paar vorgefassten Ansichten, wie dass solche Leute wohl verrückt sein müssten. Doch kennt jemand eine Person aus persönlicher Erfahrung, die lange Zeit ihres Lebens nicht glaubend war und plötzlich glaubt, so kann man nicht einfach auf so eine „leichte Lösung“ zurückgreifen. Der Mensch hat sich nicht zurückentwickelt oder ist aus der Welt geflohen, sondern er hat einen Quantensprung gemacht, der dem anderen unbegreiflich bleibt.

Problematisch ist natürlich der unvollständige Glaube und auf ihm beziehen sich auch allerhand Kritiken. Ein nicht entwickelter Glaube ist leicht Aberglaube oder Irrglaube. Oft finden sich hier hartherzige Menschen, die mit aller Gewalt anderen ihr Weltbild aufdrücken wollen. Solche Irrgläubigen dienen dann als abschreckendes Beispiel für die Nichtgläubigen und der Glaube selbst kommt in Verruf. Wer aber nach dem Glauben fragt, der befindet sich bereits auf dem Weg zum Glauben, alles beginnt mit der Frage. Selbst der entschieden Nicht-Gläubige ist meist einer, der sich zutiefst nach dem Glauben sehnt aber kein Vertrauen fassen kann.

Der Anfang des Glaubens ist immer ein Öffnen für das Unbegreifliche, dies umfasst einerseits den Willensentschluss sich darauf einzulassen, andererseits die intellektuelle und emotionale Bereitschaft zu empfangen. Auch im Alltag kennt der Mensch den Glauben, zum Beispiel den Glauben an einen anderen Menschen. Wir brauchen das Vertrauen in andere Menschen, ansonsten könnte keiner von uns leben, ja wir wären nicht einmal auf die Welt gekommen. Der Glaube aber, von dem hier die Rede ist (religiöser Glaube) entsteht aus der Begegnung mit der Gottheit. Der Mensch weiß um die Gottheit, doch kann er sie „nicht schauen“, wie es die Bibel ausdrückt. Trotzdem hat der Mensch eine höhere Gewissheit, die weit über das hinausgeht, was er sonst an Gewissheiten kennt. Der Glaube ist nicht unvernünftig! Im Gegenteil: Der Glaube ist eine höhere Qualifikation von Vernunft, die das ganze Wesen des Menschen einschießt. Deshalb handelt es sich dabei auch um eine „leibhaftige“ Erfahrung und nicht um einen abstrakten Gedanken. Durch den Glauben wird Gott von einem metaphysischen Begriff zu einer real erfahrbaren Person. Man ist nicht mehr alleine, es steht einem ein „Du“ gegenüber, ein „Vater“, wenn wir im christlichen Sinne sprechen wollen. Weil der Mensch den Glauben nicht selbst herbeiführen kann, weil er nicht glauben kann, wenn er es sich auch noch so sehr wünschen mag, spricht man auch von der „Gnade“ glauben zu können.

Am Anfang des Glaubens steht das Denken, das vernunftmäßige Durchdenken. Darauf folgt die Entscheidung sich einzulassen und dann kommt der entscheidende Schritt, des sich Fallenlassens. Der Mensch besitzt einen freien Willen und dieser umfasst auch, dass er die Entscheidung gegen den Glauben treffen kann. Es steht im frei, sich nicht auf den Glauben einzulassen. Drum gibt es auch keinen Glauben ohne Willen.

In der Geschichte gibt es die unterschiedlichsten Schilderungen von Menschen, die plötzlich zum Glauben gebracht wurden. Einerseits gibt es die übernatürlichen Erscheinungen, wie sie die Bibel schildert (Saulus auf dem Weg nach Damaskus), Bekehrungen wie wir sie von Augustinus kennen, dramatische Ereignisse wie Krieg, Verwundungen, Verlust, Leid, die zum plötzlichen Glauben geführt haben. Bei den meisten Menschen geht dem Glauben jedoch eine längere Beschäftigung mit dem Sinn des Lebens voraus. Es wird viel nachgedacht, gelesen, Vorträge und Seminare besucht. Die Suche wird sehr ernsthaft und intensiv betrieben. Mitunter kann das Verlangen nach Sinn derart groß sein, dass ein gewöhnliches Leben gar nicht mehr möglich ist, bis der Hunger danach gestillt wurde. Die inneren Kämpfe, die einer hier auszufechten hat, sind nicht zu unterschätzen, derjenige, der zum Glauben gelangt wird wiedergeboren und ist danach ein völlig anderer Menschen. Am Alten kann nicht mehr festgehalten werden. Der Mensch verändert sich in seiner Gesamtheit, denn der Glaube ist nicht ein zusätzlicher Aspekt des Lebens, sondern das Leben selbst in allen Bereichen. Deshalb kann Glaube auch niemals Privatsache sein, er wird das Wesen des Menschen in allen Bereichen durchdringen und keine Entscheidung, keine Wahl, wird davon nicht tangiert werden. Irgendwann trifft der Mensch dann oft die Entscheidung sich einzulassen und von der bloßen Annahme einer Gottheit zur realen Erfahrbarkeit zu gelangen, indem der eigene Wille zurücktritt und sich die Bereitschaft für „dein Wille geschehe“ einstellt. Dann aber braucht es des Mutes, denn dieser nächste Schritt ist ein Sprung in die Leere, in den Abgrund ohne Boden, ein tiefes Vertrauen ist dafür nötig.

Eines muss hier noch erwähnt werden, nämlich dass der Glaube sich auch mit dem Lebensalter verändert. Der Glaube des Alters ist nicht derselbe, wie der Glaube des Kindes oder des Heranwachsenden. Entwickelt sich der Glaube nicht mit dem Lebensalter mit, dann kann er wirklich kindisch erscheinen. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Erwachsener spirituell noch den Glauben des Kindes hat und somit auch seiner Umgebung als unreif erscheint. Der Glaube spielt in die Lebensfragen hinein und ein nicht entwickelter oder stehen gebliebener Glaube, ist deshalb auch den Lebensaufgaben des Erwachsenen nicht gewachsen. Daraus aber den Schluss zu ziehen der Glaube selbst sei untauglich, wäre vermessen. Glauben entwickelt sich in jedem selbst und ist immer auch eine individuelle Angelegenheit, insofern, als zwischen der Gottheit und dem Menschen ein persönliches Verhältnis besteht und sich insbesondere die individuelle Mission des Menschen in der Welt aus dieser Beziehung ableitet. Der Glaube wächst aus den eigenen Erfahrungen und dem intensiven Nachdenken über den Glauben und die Glaubensregeln. Deshalb auch das Gebet. Gebet ist ein Gespräch mit der Gottheit, aber es ist mehr als ein Loben, Bitten oder Danken. Niemals ist es naives Anrufen einer Ungewissheit, derjenige, der solches tut, der ist im Glauben noch nicht angekommen und unterscheidet sich kaum von den primitiven heidnischen Gläubigen, die der Natur selbst Heilkraft zuschreiben und für die die Gottheit in irdischen Hüllen wohnt (Götzen).

Möglicherweise ist der Glaube Teil eine höheren Ganzwerdung der Menschen, auf dem Weg der Vervollkommnung durch Gott, ein Schritt weiter über das hinaus, was die Menschen waren, bevor zum ersten Mal der Funke des Glaubens in einem Menschen sich entfachte. Der Glauben ist nicht nur nicht unvernünftig, sondern überhaupt das Vernünftigste, was der moderne Mensch tun kann (Chesterton), bedenkt man den Hunger nach Sinn, der ja kein Fehler, sondern ordentlicher Bestandteil der Natur des Menschen ist. Deshalb konnte der Heilige Augustinus auch sagen: „Herr, du hast uns zu dir hin erschaffen und unser Herz ist unruhig, bis es weilt in dir.“

Sonntag, 2. Mai 2010

Die Suche nach dem Sinn des Lebens

Den meisten Menschen ist es nicht genug, zumindest nicht, wenn sie ihre Leben über einen längeren Zeitraum hinweg betrachten, einfach nur zu leben, ohne zu wissen, wohin es geht. Dabei geht es nicht nur um das Leben selbst von der Geburt bis zum Tod, also die Frage „Was mache ich in meinem Leben?“, sondern wohin führt das ganze. Es drängen sich Fragen auf wie „Woher komme ich?“, „Wohin gehe ich?“ oder „Was ist meine Berufung / Mission?“. Diese Fragen haben die Menschen seit jeher beschäftigt und es wurden auch viele Versuche gemacht sie zu beantworten. Aber unabhängig davon, wie die Antwort nun ausfiel, blieb doch immer die Tatsache der Frage selbst! Daran kam und kommt keiner vorbei.

Es hat auch immer Menschen gegeben, die sich ernsthaft diese Frage gestellt haben, aber dann zum Ergebnis kamen, dass die Frage selbst unsinnig sei. Anstatt dies Frage nun zu beantworten, haben sie einfach diese selbst für obsolet oder unvernünftig oder gar nicht beantwortbar erklärt. Manche scheinen mit diesem Ergebnis leben zu können. Doch für den größten Teil der Menschheit, ist dies völlig inakzeptabel und nicht erfüllend. Alles sträubt sich im inneren dagegen. Ginge es nur um den Verstand alleine, könnte damit durchaus ein Auslangen gefunden werden. „Stell keine derartigen Fragen, sondern lebe einfach dein Leben!“, könnte dann die Antwort lauten und ein weiteres Problem ergäbe sich somit nicht. Doch in Wahrheit erfüllt eine solche Antwort den Menschen ganz und gar nicht. Die Leere im Inneren bleibt und lässt sich nicht beseitigen. Wie kommt das? Der Mensch ist ein Lebewesen und damit etwas, das Entscheidungen trifft. Der Mensch ist durch Bedürfnisse gekennzeichnet und wir sehen, dass diese Bedürfnisse sinnvoll sind und dem Leben dienen. Wir haben Hunger damit wir essen. Dieser dient dazu unser Leben zu erhalten. Dann haben wir Bedürfnisse nach Liebe, Achtung, Wissen, Schönheit und einer ganzen Reihe anderer Dinge. Und wir sehen, dass einem Bedürfnis immer eine Erfüllung gegenüber steht. Das Bedürfnis ist sinnvoll. Das will natürlich nicht heißen, dass die Art und Weise wie der Mensch seine Bedürfnisse befriedigt, immer vernünftig ist. Wir wissen alle, dass dem oft nicht so ist. Doch die Tatsache des vernünftigen Bedürfnisses selbst bleibt. Wir erkennen das im Allgemeinen an. Doch gerade beim wichtigsten Bedürfnis, dem Bedürfnis nach dem Sinn des Lebens selbst, nach dem was über das irdische Dasein hinausgeht, behaupten manche, dieses sei nicht vernünftig, man solle sich darum nicht kümmern.

Diese Ansicht kann aus Faulheit entstehen. Vielleicht hat man sich nicht intensiv mit der Frage beschäftigt, sie ist einem lästig und man fühlt sich durch andere Menschen belästigt, die ständig diese Frage stellen. Oder aber, man hat lange gesucht, vieles ausprobiert und ist trotz all des eifrigen Bemühens, nicht zu einem Ergebnis gekommen. Die Frustration soll ein Ende haben und so entschließt man sich dafür die Frage selbst für unsinnig zu erklären. Und ist man arrogant genug, dann mag man sich überlegen fühlen und diejenigen, die noch suchen bedauern oder für unter einem selbst stehend betrachten.

Es gibt drei Möglichkeiten wie man die Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten kann, wobei nur zwei davon echte Antworten sind. Die erste Möglichkeit ist das Aufschieben der Frage. Dies ist die einfachste und angenehmste Antwort, wir sind kurzfristig erleichtert und können unser Leben so wie gewohnt weiter leben, die Ruhe ist nicht mehr gestört und der Seelenfrieden wieder (scheinbar) hergestellt. Natürlich ist das nur eine Scheinlösung und es ist nicht zu erwarten, dass die Frage nicht später wieder auftaucht. Im Ergebnis ist diese Antwort sehr menschlich und deshalb kann man solche Leute auch gut verstehen, die sich für diesen einfachen Weg entscheiden.

Dann gibt es diejenige Antwort, die den Sinn des Lebens verneint. Gerade in philosophischen Kreisen, hat sich bei vielen die Ansicht breit gemacht, welche aus Trotz gegenüber den Enttäuschungen des Lebens erwachsen ist. Der unbefriedigende Zustand wird kämpferisch bejaht. Das Leben sei zwar sinnlos, aber der Mensch müsse dieses Schicksal heroisch tragen. Der Mensch sei eben in die Welt hineingeworfen worden und Ungeborgenheit sei dem Menschen unausweichlich bestimmt. Der einzige Sinn im Leben sei jener, dass es keinen Sinn gäbe. Aufgabe sei es diesen Zustand zu akzeptieren und heldenhaft auf sich zu nehmen. Der Mensch bewundert sich dabei selbst und macht sich zum Zentrum seines Daseins. Viele halten diese Ansicht über das Leben sehr konsequent durch. Aber zu dieser Betrachtung gelangt man nur, wenn man die Erkenntnisse über den Sinn des Lebens aus der Umwelt ableitete, aus seiner eigenen Erfahrung, oder möglicherweise noch aus der Erfahrung der Menschheit als solche. So gibt es auch nichts über den Tod hinaus und wenn einer stirbt, dann bleibt alles so zurück, wie er es verlassen hat, es gibt keine Vollendung, alles bleibt offen und brüchig.

Dann gibt es die dritte Ansicht über den Sinn des Lebens und das ist jener Bereich mit dem sich all jene beschäftigen, die sich der Welt des Glaubens zugewandt haben. Das umfasst den Bereich der Religionen aber noch vieles mehr, das nicht unbedingt im Rahmen der organisierten Religionen ihren Platz findet. Der Glauben ist die einzige befriedigende Antwort auf die Sinnfragen des Menschen. Niemand, der im Rahmen der Sinnleugner bleibt, das heiß jene Menschen, die sich nur auf die Welt, wie sie sie sinnlich und verstandesgemäß erkennen, verlassen, kann zu wahrem Glauben kommen. Alles, was solchen Menschen bleibt, ist eine Illusion, die sie sich selbst bilden können, um ihre Leere zu füllen. Das ist ja ein Vorwurf, der der Religion immer wieder gemacht wurde. Doch wahrer Glaube ist keine Illusion, sondern gründet sich auf echte Erfahrungen, nicht auf Illusionen, Halluzinationen oder dergleichen. Niemals wird man einen Sinn des Lebens im mathematisch-naturwissenschaftlichen Sinne finden, denn der Sinn übersteigt den Verstand und hat mit Wahrheit, nicht so sehr mit Wissen zu tun! Doch zu aller Zeit hat es Menschen gegeben, die geglaubt haben, die reale Erfahrungen gemacht haben, die sie an einen persönlichen Gott glauben ließen. Freilich bleibt einem dies verschlossen, wenn man einen solchen Menschen nach seinen Erfahrung fragt und selbst kein solches Erlebnis je selbst hatte. Erfahrungen können nicht übertragen werden, darum wird ein Mensch nicht durch die Glaubenserfahrung eines anderen gläubig. Nein, denn ein solcher Mensch muss einem rätselhaft bleiben. Wer nicht glaubt, kann nicht verstehen, wie der Glaube sich für einen Gläubigen anfühlt, welche Erfahrungen er machte. Das ist die „Schwäche“, wenn es darum geht andere die nicht glauben seinen Glauben mitzuteilen. Entweder werden sie nicht verstehen, was da vor sich geht oder sie glauben möglicherweise sogar, dass mit einem etwas nicht in Ordnung sei. Das Beispiel von Glaubenden aller Zeiten kann einem aber sehr leicht vor Augen führen, dass es sich dabei nicht um „Verrücktheiten“, „Weltflucht“, „Aberglauben“, „Naivität“ oder dergleichen handelt. Wenn einer, der nicht glaubt, ehrlich zu sich selbst ist, muss er einfach vor einem Rätsel stehen, erklären kann er es sich nicht.

Thomas von Aquin hat geschrieben, dass der Mensch „fähig zum Unendlichen“ sei. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass dies stimmt. Der Glaube ist kein Aberglaube, sondern Realität, eine Realität erfahr-, aber nicht beweisbar (im herkömmlichen Sinne) ist. Wer der Wahrheit selbst Grenzen gesetzt hat, indem er enge Regeln der Wahrheitserkenntnis gesetzt hat, wird sie so nicht erkennen. Eine Sache muss hier aber noch ganz deutlich gesagt werden. Der Glaube ist ein Geschenk, nicht jedem wird er gegeben und der Mensch kann den wahren Glauben auch nicht durch einen eigenen Willensentschluss herbeiführen. Der Glaube kann durch keinerlei Handlungen, Gedanken oder Worte des Menschen selbst bewirkt werden. Gerade deshalb scheint es auch so schwer für viele Menschen zu sein, zu glauben.

Aber welche der drei Antwortmöglichkeiten einer auf die Frage des Sinnes des Lebens geben mag, immer ist es eine Entscheidung, die der Mensch selbst trifft. Der freie Wille des Menschen gibt ihm die Möglichkeit „ja“ oder „nein“ zum Glauben zu sagen. Welche Entscheidung haben Sie getroffen?!