Donnerstag, 22. April 2010

Über die Schönheit

Jetzt, wo der Frühling in unser Land Einzug gehalten hat, ist es recht nahe liegend die Empfindung der Schönheit zu erleben. Alles blüht wieder von neuem auf, lebendige Farben erheben sich gegen einen sattblauen Himmel im strahlenden, warmen Sonnenschein. Die unterschiedlichsten Düfte erfüllen die Luft in den Gärten und die Tierwelt findet wieder reichlich Futter und viele Wald- und Wiesenbewohner freuen sich über Nachwuchs (zum Beispiel die Frischlinge im Wildpark ganz in meiner Nähe). Kurzum, es ist die rechte Zeit, um sich der Schönheit, nicht nur in der Natur, wieder einmal bewusst zu werden.

Schönheit ist eine Erfahrung, die alle Menschen in ihrem Leben machen. Sie ist in der Lage den Menschen über das bloß Materielle hinaus zu führen, darin liegt ihr größtes Potenzial, denn als äußeres Zeichen, kann sie uns ein inneres Wesen offenbaren. Doch auch die Schönheit hat eine dunkle, eine negative, Seite. Genauso, wie sie über den bloßen Schein hinausführen kann, kann die Schönheit uns auch in der materiellen Welt gefangen halten. Es kann zu einer Fixierung auf den schönen Schein kommen und dadurch wird der Mensch unfrei. Sehen, ohne Verstehen, kann nur zu so einem Ergebnis führen. Gerade das ist die große Gefahr, die sich in unserer Zeit derart breit gemacht hat. Anstatt das Göttliche in und hinter der Schönheit zu erkennen, wurde sie zu einem Kult um reine Äußerlichkeiten, der groteske Züge annimmt. Wie sehr die Menschen von ihrer eigenen Schönheit, ihrem eigenen Wesen, getrennt sind, sieht man gerade darin, dass allzu oft Idealen des Zeitgeistes nachgejagt wird. Die Unfreiheit, die darin liegt, ist ohne weiteres zu erkennen, sind es doch andere die darüber bestimmen, wie diese Ideal auszusehen haben und es ist der Großteil der Menschen, zumindest in der westlichen Welt, der sich diesen Idealen unterwirft.

Die Schönheit ist ein Mittel, das uns helfen kann das Wesen der Dinge zu erkennen, durch rechtes Erkennen, kann sie in unserem Leben aktiviert werden. Wenn wir nicht beim Schein stehen bleiben, dann können wir Befreiung erlangen, Befreiung von der Anhaftung an die Dinge. Schönheit ist eine Empfindung, die das Heilige im Menschen anspricht, es ist eine Erfahrung, die Menschen überall auf der Welt, unabhängig von Kultur und Zeitepoche, machen, im Kern trägt sie etwas Ewiges mit sich. Schönheit ist in jedem Fall ein positiv besetzter Wertbegriff. Es ist nicht verwunderlich, dass gerade der Kunst die Aufgabe zukam die Schönheit abzubilden, in all ihren Formen. Dass die Natur und natürlich der Mensch selbst, als Übungsobjekt dazu dienten, versteht sich von selbst. Doch gibt es keinen Bereich des menschlichen Lebens, indem nicht zumindest ein Quäntchen Schönheit auszumachen wäre. Freilich muss man dazu zuweilen sehr tief graben, wenn die Oberfläche uns ein völlig konträres Bild liefert.

Es wäre aber zu kurz gegriffen, wenn man davon ausginge, dass Schönheit alleine eine subjektive Empfindung wäre. Es lässt sich leicht feststellen, dass es Dinge gibt, die von den allermeisten Menschen als schön empfunden werden und zwar ohne, dass dies einer gesellschaftlichen Konvention oder dem Zeitgeist entspräche. In der Philosophie beschäftigt sich ein eigener Zweig, die Ästhetik, mit dem Begriff der Schönheit. Schönheit wurde immer schon als eine Eigenschaft von Menschen und Gegenständen aufgefasst. Darüber hinaus ist sie aber auch das Ergebnis des Urteils des Verstandes. Schönheit kann in diesem Sinne auch als „Schönheit des Denkens“ verstanden werden. Rechtes Denken, im Sinne von konstruktiver geistiger Beschäftigung, die auf Wohlsein ausgerichtet ist, Leid beendet und Glück herbeiführt, ist immer schönes Denken. Schön und Recht sind untrennbar miteinander verbunden. Kein Wunder, das Platon schon, das Gute, das Schöne und das Wahre in einem Zuge nannte und sie zu seinen Idealen erhob.

Schönheit ist also mehr als ein bloßes Geschmacksurteil. Es ist zynisch, wie viele Menschen behaupten, Schönheit läge nur im Auge des Betrachters. Es scheint, dass es Leute gibt, die sich einer wahren Beurteilung nach Maßstäben der Schönheit dadurch entziehen wollen, dass sie ein solches Urteil auf die reine Subjektivität verlegen und damit ein objektives Urteil verunmöglichen. Es ist eine Krankheit der Zeit, Schönheit nicht mehr als Schönheit erkennbar machen zu wollen. Am Ende ist alles schön oder hässlich zugleich. Es ist keine Frage, dass so der Dilettantentum und der Scharlatanerie Tür und Tor geöffnet sind – das kann niemals im Interessen einer Kultur sein, die für sich in Anspruch nimmt von Bedeutung zu sein.

Was den Streit um Geschmacksurteile betriff, so ist ein solcher nicht zielführend, ein Streit ist im Grunde ein Scheingefecht. Wenn als schön bezeichnet wird, was als angenehm empfunden wird, dann ist schön bei jedem etwas anderes. Und jeder hat Recht, denn was ich als angenehm empfinde, kann niemand in Abrede stellen. Mehr noch, es wäre eine persönliche Beleidigung, hieße es doch, dass ich entweder gar nicht wirklich empfände, was ich fühle oder dass ich nicht in der Lage wäre, zu wissen, was ich fühlte. Nach Kant hat ein ästhetisches Urteil sehr wohl Anspruch auf allgemeine Gültigkeit beanspruchen, da es zwar subjektiven Ursprungs sei, aber trotzdem auch über das Empfinden der anderen miturteilt. Über Schönheit als Empfindung könne man streiten, was naturgemäß über das Angenehme nicht möglich ist.

Das Wesentliche an der Schönheit ist, dass sie in ihrem Kern ein Mysterium trägt, das sich jeder rationalen Betrachtung entzieht, das nur direkt erfasst werden kann und selbst die schönsten Dichterworte können sie nicht beschreiben, sondern nur darauf hinweisen. Darin liegt die Stärke der Poesie. An der Art, wie eine Kultur zur Dichtkunst steht, kann auch darauf geschlossen werden, wie es um die Verbindung zur Schönheit als solche bestellt ist. Viel haben wir in der Vergangenheit über Schönheit gehört und vieles davon hat nicht gerade zur Klarheit beigetragen. Was aber letztendlich für den einzelnen von Bedeutung ist, ist das Empfinden der Schönheit im eigenen Leben, worin dies auch immer seinen Ursprung haben mag. In diesem Sinne kann ich nur sagen: „Wanderer öffnet deine Augen und Ohren, sieh und höre, was die Welt dir zu sagen hat, vereine deinen Geist mit dem der Welt und dir wird so manche verborgene Wahrheit kundgetan!“

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