Mittwoch, 1. Juni 2011

Gott zu folgen heißt radikal zu sein

Wir leben in Zeiten, in denen gerade im Westen (in den meisten Regionen der Welt ist es anders) die Religion zu einer milden Philanthropie herabgewürdigt wurde. Anstatt die Wahrheit zu vertreten, geht es vermehrt darum zu gefallen, beliebt und populär zu sein, den Menschen zu sagen, was sie hören wollen. Doch wahre Religion ist radikal, ist aufwühlend, ist ein Stein des Anstoßes, ist ein Stachel im Fleisch der selbstgefälligen und selbstgenügsamen Masse! Richtig und falsch sind nicht verhandelbar, sind nicht den Umständen und nicht der Zeit unterworfen. In der Bibel steht, man solle die Dinge prüfen und das Gute behalten. Das Gute soll man behalten, nicht das, was einem gefällt, was beliebt! Heute wird dies aber oft genau so gehandhabt, dass man sich aussuchen könne, was einem gefiele und das sei dann auch das Gute. Der Mensch macht sich selbst zu Maßstab für richtig und falsch und dies ist ein Größenwahn, eine Vermessenheit, die nicht zum Heil, sondern zum Unglück führt. Im Grunde müsste man dies aus der Erfahrung der Geschichte erkennen, denn dies ist seit uralten Zeiten hinreichend belegt, doch aus der Geschichte lernen allenfalls immer nur einzelne, nicht jedoch die Menschheit als Ganzes.

Es ist richtig, dass die meisten Götter, die die Menschen in der Geschichte angebetet hatten, Projektionen ihrer eigenen Wünsche, Ängste und Befürchtungen waren, Gestalten, die im menschlichen Geist entstanden und nirgendwo sonst. So sind die Götter der Antike, wie etwa Zeus, Ares, Poseidon oder Aphrodite, nichts weiter als Gestalten mit menschlichen Charakterzügen und Aussehen, die mit größerer Macht und Fähigkeiten ausgestattet wurden, als der Mensch, dem Menschen aber sehr ähnlich waren. Allmählich verblassten diese Götter im Leben der Menschen, wurden von immer mehr Leuten als menschliche Schöpfungen enttarnt und wurde dadurch nicht selten zum Gespött. Beim Gott der Bibel, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, handelt es sich jedoch nicht um eine solche Menschenschöpfung. Gott ist eben kein abstrakter Begriff, keine metaphysische Idee. JHWH ist eben kein Gottesbegriff, einer Konstruktion des menschlichen Geistes, der die Möglichkeit der freiwilligen Selbstsuspension der Vernunft nicht kennt. Der Gottesbegriff ist nur ein Scheingebilde des Glaubens, etwas das dem menschlichen Verstand selbst unterliegt und deshalb nie größer sein kann als der Mensch selbst. Wer Gott als Begriff sieht, der kann ihn nicht achten und nicht lieben und er hat es niemals mit dem wahren, real existierenden Gott zu tun. Wer den Begriff studiert kommt bald zur Überzeugung, dass Gott ziemlich klein sein muss und ein solcher Gott wäre die Anbetung nicht wert. Wer Gott nur als Begriff des eigenen Denkens sieht, kann keine Beziehung zu ihm haben, eine Abstraktion ist keine Person und eine Beziehung dazu wäre Selbstbetrug, kein solcher Mensch könnte authentisch an seinem Projekt „Leben“ arbeiten, er müsste dazu sich selbst verleugnen, er müsste immer das Gefühl haben mit einer Lüge zu leben und folglich wäre eine Menge an Anstrengung notwendig, um einen Glauben an ein solches „Luftgespenst“, das er Gott nennt aufzubringen.

Ganz anders verhält es sich bei JHWH. Hier hat der Glaubende es mit einem wirklichen Gott zu tun, einer, der sich auch in der Geschichte der Menschen zeigt, der sich ein Volk auserwählt und ihm real zur Seite steht, nicht als ein geistiger Beistand, der einem doch in realer Not nicht helfen könnte, nein! Gott ist da, sogar in körperlicher Gestalt, wie wir am Auszug der Kinder Israels aus Ägypten sehen können. Freilich darf die Erscheinung Gottes und das, was der Mensch von ihm erkennen und verstehen kann, nicht als Gott in seiner Gesamtheit verstanden werden. Trotzdem sind die Dinge, die er uns über sich offenbart hat wahr und wir dürfen deshalb nicht Dinge behaupten, die dieser Offenbarung eindeutig widersprechen. Was wir von Gott mitgeteilt bekommen haben entspricht der Wahrheit, doch Gott in seiner Gesamtheit geht darüber hinaus und davon wissen wir nichts. Doch eines ist gewiss: Gott hat einen Namen: JHWH (es sind dies die einzigen Buchstaben seines Namens, die wir kennen, denn das Hebräische kennt keine Vokale und so hat es seit der Zerstörung des Tempels in Jerusalem 70 n. Chr. niemanden mehr gegeben, der den Namen kannte – nur der Hohepriester kannte ihn durfte ihn zu Yom-Kippur im Allerheiligsten laut aussprechen). Durch diesen Namen bezeugt Gott, dass er eine reale Person und nicht eine Abstraktion, eine Kraft, die Schöpfung selbst oder eine Kraft oder ein Prinzip hinter der Schöpfung ist (wie etwa eine Quelle allen Seins).

Kein Glaube darf durch die Sinneswahrnehmung oder durch den Verstand begrenzt werden. Wer beim Verstand die Grenze ansetzt, der kann niemals eine Gotteserfahrung haben und kann nicht ein wahrer Gläubiger genannt werden, denn er selbst setzt den Maßstab. Ein Selbstverzicht der Vernunft ist aber immer notwendig, um wahren Glauben zu erlagen. Nur der Stolz des Menschen lässt diesen Selbstverzicht oft nicht zu. Deshalb darf eine Auslegung der Bibel auch nicht „vernünftig“ sein, sie muss weit darüber hinausgehen. So etwas die bei den Wundern, die Jesus vollbracht hat. Wunder sind Dinge, die der Lebenserfahrung widersprechen (zumindest ist dies bei den meisten Menschen der Fall), wir haben auch keine rationale Erklärung dafür, wie sie geschehen können, der Prozess ist durch unseren Verstand nicht nachvollziehbar. Daraus ergibt sich leicht der Schluss, dass es Wunder nicht geben könne. Dies ist aber im Grunde eine arrogante Position des Menschen, denn, dass jemand etwas noch nie gesehen hat und auch niemanden kennt, der dies hat, noch nachvollziehen kann, wie etwas geschehen kann, bedeutet in Bezug auf die Wahrheit gar nichts. Deshalb ist eine Sache nicht nicht wahr. Das wird aber leider oft vergessen. Wenn also etwa die Frage auftaucht, ob einer glaubt, dass Jesus tatsächlich etwa 20 – 25000 Menschen (5000 Männer sind genannt, es befanden sich bei ihnen aber auch ihre Familien, die nicht ausdrücklich genannt werden) mit zwei Broten und fünf Fischen satt gemacht hat, dann muss die Antwort des Gläubigen eindeutig „Ja“ lauten. Denn ansonsten geschieht die Beurteilung nicht aufgrund des Glaubens, sondern aufgrund des eigenen Geistes, der es sich nicht vorstellen kann. Heutzutage kommt dieses Verhalten aber sehr häufig vor, auch unter den Leuten die sich Christen nennen. Der Glaube aber hat das Recht die Ansprüche des systematischen Denkens zu verletzten. Das ist die zugrunde liegende Entscheidung, die man treffen muss, um wahrhaft glauben zu können.

Für das Leben in der Praxis hat dies gewaltige Folgen. Es bedeutet nämlich die Wahrheit rein zu vertreten, ohne Kompromisse einzugehen, auch wenn man keine Zustimmung erhält, wenn man geschmäht und verspottet wird. Eine milde Philanthropie ist kein Christentum, ist nicht das, was Gott von uns möchte. Jesus war auch kein netter, weiser Mann. Er war alles andere als „nett“, „lieb“ und „gefällig“, er hat auch niemals so wie ein „weiser Mann“ gehandelt, der mit einem erhabenen Lächeln auf den Lippen die Menschen sanft zum rechten Handeln ermahnt. Nein, er war radikal, so radikal, dass er für die Wahrheit sogar sein Leben hingab, sprach Tacheles, Sünde wurde Sünde genannt, Gut und Böse absolut und messerscharf unterschieden, sowohl von Himmel und Hölle hat er gesprochen. Dies sind tiefe Wahrheiten, die heute unangenehm geworden sind, doch ohne sie läuft die Menschheit ins Verderben. Man tut den Menschen nichts Gutes, wenn man sie schont und ihnen sagt, was sie hören wollen. Ein echter Christ ist immer radikal und opferbereit, nicht um des Opfers selbst willen, sondern um Gottes und der Menschen Rettung willen.

Sören Kierkegaard hat dies richtig gesehen und die Kirchenleute (die dänische Amtskirche) seiner Zeit scharf kritisiert, denn Jesus nachzufolgen heißt ein „Kreuz auf sich zu nehmen“ und nicht gefällig und beliebt zu sein, nicht nach dem Applaus der Welt zu gieren und „everybody’s darling“ zu sein. Gott zu folgen braucht Mut und Überzeugung, die Bereitschaft das Richtige zu tun, der Wahrheit zu dienen und sich keiner Gewalt, außer jener Gottes, zu beugen. Man darf niemals vergessen, wer Gott als seinen Herrn hat, der kann keinen irdischen Herrn annehmen, ein solcher Mensch ist frei von den Menschen und den Umständen der Welt. Diesem Ideal muss das Christentum wieder nacheifern, dann erhält es auch wieder den Respekt den es verdient. Der Christ soll einen harten Geist und ein weiches Herz haben. Danach sollten wir alle streben!

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