In den letzten Tagen und Wochen hat die Welt gebannt auf die arabische Welt, vornehmlich nach Nordafrika, geblickt. Regime, die über Jahrzehnte lang, scheinbar stabil, existiert haben, sind innerhalb kürzester Zeit verschwunden und machten einer Zukunft Platz, die für uns alle erst im Entstehen begriffen ist und niemand zum gegenwärtigen Zeitpunkt sagen kann, wie sich die Dinge weiter entwickeln werden. Anfang Februar ist Präsident Mubarak, der Ägypten 30 Jahre lang autoritär regiert hatte (und den Ausnahmezustand seit Saddats Ermordung niemals aufhob), gezwungenermaßen zurückgetreten. Doch wie die Zukunft aussieht, ist bislang noch ungewiss. Der Westen hofft natürlich auf eine demokratische Wende, doch sollte er sich dessen nicht so sicher sein. Man darf niemals die Imponderabilien vergessen, die ein typisches Kennzeichen einer Revolution sind. Es war von der Europäischen Union nicht unklug, vorerst keine klare Stellung zu beziehen. Schließlich weiß man aus der Geschichte, dass bei einer Revolution nicht diejenigen zählen, die eine solche beginnen, sondern diejenigen, die sie beenden. Das war schon vor über 200 Jahren bei der Französischen Revolution so. Es waren nicht die Generalstände, auch nicht die radikalen und nicht einmal die gemäßigten Jakobiner, die die Revolution endgültigen beendeten, sondern der General Napoleon Bonaparte. Aber wer hätte dies noch ein paar Jahre vor dessen Amtsantritt als Konsul und kurz darauf als Kaiser der Franzosen, vorausgesehen. Nein, in solchen Zeiten ist es ratsam sich zurückzuhalten, zu beobachten und seine Schlüsse zu ziehen, die vorerst geheim gehalten werden sollen (als gute historische Beispiele dienen Talleyand und Fouchè).
Die arabische Welt hat in den letzten Wochen sicher erfolgreich einen Befreiungsschlag gewagt, der in absehbarer Zeit auch zum Ende des libyschen Regime unter Gaddafi führen dürfte – das scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Doch was kommt danach? Das ist die Frage, die für die Menschen außerhalb der Region das Entscheidende ist. Libyen lieferte bisher 1,6 Mio. Barrel Rohöl pro Tag. Das ist beträchtlich, doch auch ein Totalausfall des Landes ist für die Welt verkraftbar (der Tagesverbrauch der Welt beträgt zurzeit etwa 88 Mio. Barrel) auch wenn es lokal einige Energieversorgen nicht unerheblich treffen könnte (die OMV bezieht etwa 10 Prozent ihres Erdöls aus Libyen, was zurzeit auf quasi Null reduziert wurde). Der Ölpreis hat in den letzten Tag ordentlich angezogen und liegt nun bei knapp unter 110 Dollar pro Barrel. Im Jahr 2008 stand er Ölpreis (vor allem aufgrund von Spekulationen und noch vor der Finanzkrise) auf fast 150 Dollar). Ich wage hier mal einen Tipp: Der Bezinpreis für Superbezin wird binnen zwei Wochen auf über 1,5 Euro steigen.
Sollte die Krise auf Saudi Arabien übergreifen, dann hat die Welt ein enormes Problem. Zurzeit ist dies jedoch noch nicht zu befürchten, auch im Iran gibt es noch keine Anzeichen für einen Volksaustand, lediglich im Jemen und in Bahrain gibt es Aufstände, die jedoch relative friedlich beigelegt wurden, beziehungsweise unter Kontrolle zu sein scheinen.
Längerfristig jedoch ist mit großen Unruhen im gesamten arabischen Raum zu rechnen und es wäre eine Illusion des Westens, wenn er glaubte, dass die Welt einer Ordnung zustimmen würde wie bisher. Vor allem die USA werden sich einschränken müssen, auch die Europäische Union wird sich darauf einzustellen haben nicht mehr dieses Gewicht in der Welt zu haben, wie sie es bisher genoss. Es ist im allgemeinen zu begrüßen, wenn die lokalen Bevölkerungen sich stärker zeigen und sich einer globalen Dominanz entziehen. Eine globalisierte Welt an sich ist nicht schlecht, doch sollte es so etwas wie zu große Machtzentren nicht geben. Lokale Kontrolle ist extrem wichtig in einer Welt, die immer mehr zusammen wächst, und es ist insbesondere darauf zu achten, dass es niemals eine „Weltregierung“ beziehungsweise eine „Weltreligion“ gibt. Zwar mag dies beides verführerisch klingen, doch im Ergebnis würde darunter die Welt sehr zu leiden haben.
Eine andere Frage, die sich mir bei der Beobachtung der arabischen Volker in diesen Tagen stellt, ist jene, ob dieser Kampfgeist, diese Engagement auch heute noch bei den Völkern in Europa und Amerika vorhanden wäre. Würden die Europäer und die Amerikaner heute noch derart für ihre Recht einstehen, wie wir es bei den Menschen im Nahen und Mittleren Osten gerade gesehen habe? Ich habe hier so meine Zweifel. Eine Abstumpfung und eine Stupidität scheint eingetreten zu sein, die ein derart kraftvolles Vorgehen nicht mehr als allzu wahrscheinlich erscheinen lassen. Ich hoffe zutiefst, dass ich mich mit dieser Ansicht irre! Die Zukunft wird uns viele Dinge offenbaren, die uns heute noch völlig unvorstellbar erscheinen. Nun ja, wir werden alle noch große Augen machen, davon bin ich überzeugt!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen