Donnerstag, 10. Februar 2011

Gott, die Sonne des Menschen

Viktor Frankl, der große österreichische Psychiater und Kenner der menschlichen Seele, meinte es gäbe drei Dinge, mit denen jeder Mensch in seinem Leben umzugehen habe, ob es ihm nun gefalle oder nicht. Das erste diese Dinge ist die Schuld. Was sie für uns bedeutet, welchen Stellenwert wir ihr einräumten und wie wir versuchen sie zu bewältigen. Das zweite ist das Leid und die Erklärung, die wir dafür haben, insbesondere, wenn es uns selbst im Leben oder im Leben einen nahen Menschen widerfährt. Die dritte Sache ist der Tod, das sichere Ende unseres irdischen Daseins. Alle drei leiten sich aus einer anderen Frage ab, nämlich derjenigen nach Gott. Ob man will oder nicht, jedem stellt sich diese Frage, sie ist nicht kultur- und zeitabhängig und entsteht im Menschen ganz von selbst aus seiner eigenen inhärenten Natur heraus. Das liegt daran, weil Gott keine menschliche Erfindung ist, sondern eine objektiv existierende Entität, eine Persönlichkeit, die im Herzen eines jeden Menschen sich selbst eingepflanzt hat, auf dass jeder, der ihn aufrichtig und mit reinem Herzen sucht, auch finden kann.

Ich will hier aber ein ganz anderes Thema aufgreifen, das mit dem Schöpfer in untrennbarer Verbindung steht und das ist das Wachstum des Menschen. Dass das Wachstum des Menschen weit über den körperlichen Bereich hinausgeht, wird kein denkender Menschen bestreiten können, ja gerade nachdem die körperliche Entwicklung zu einem Höhepunkt gelangt ist, beginnt erst das emotionale, mentale und als letztes und höchstes das spirituelle Wachstum richtig einzusetzen. Es ist dieses spirituelle Wachstum, das den Menschen erst zur höchsten Blüte kommen lässt, dass den einzelnen mit der Allheit der Schöpfung verbindet und ihn seinen Platz darin erkennen lässt. Sicherlich gibt es Menschen, die sich mehr der reinen Materie zuwenden oder auch dem mentalen oder emotionalen Bereich unserer Persönlichkeit. Doch je reifer einer wird, desto mehr wird die Sehnsucht des Herzens aufflammen, die sich nicht durch die Dinge der Welt befriedigen lässt. „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich eure Schulweisheit träumen lässt!“, meinte Shakespeare und er wies damit auf etwas hin, das mit Worten nur schwer bis gar nicht, aber vom Geist des Menschen trotzdem erfahrbar ist.

Welchen Vergleich könnte man wohl ziehen, der dem spirituellen Wachstum des Menschen entspräche? Mir ist dazu in den letzten Tagen das Bild von den Blumen und der Leben spendenden Sonne gekommen. Ohne die Sonne ist es für eine Pflanze unmöglich zu überleben. Nach der Sonne richten sie ihre Triebe aus und an manchen Stängeln und zuweilen auch an Stämmen kann man die Standortveränderungen einer Pflanze deutlich erkennen. Gerade bei Zimmerpflanzen, die ihre Jugend an einem anderen Ort verbracht haben (wie etwa eine Palme) kann man teils skurrile Windungen des Stammes erkennen. Jedes Mal hat sich die Pflanze jedoch nach der Sonne ausgerichtet, wie ein Magnet wird sie davon angezogen und hätte sie diesen Mechanismus nicht, hätte sie ihr Leben schon lange beendet.

Manche Pflanzen sehen die Sonne nie direkt, sie wissen nichts von ihrer Existenz, ahnen aber durch indirekte Erfahrungen davon. Schließlich gibt es in der Erfahrung immer einen Kontrast zum Schatten, sonst gäbe es diesen selbst nicht. Die einfältige Pflanze mag durchaus meinen, es gäbe gar keine Sonne und schaut neidisch oder herablassen auf jene, die ihr von dieser erzählen, ja vielleicht sogar ins Schwärmen ob ihrer Wärme und Energie geraten. In ihrer Vermessenheit mag sich eine „asolare“ Pflanze sogar als überlegen betrachten, wenn auch diese Sicht ihr im Herzen große Schmerzen bereitet, so wähnt sie sich doch als Heldin, weil sie sich keinen Illusionen hingebe, wie die anderen. Wie verwirrt kann doch der Geist sein! Wie sehr kann doch der Mensch Ohren haben und nicht hören, Augen habe und nicht sehen?

So ist denn auch der Schöpfer die Sonne des Menschen. Zwar ist er mit den Augen nicht sichtbar und manch einer mag sogar daran zweifeln, dass es ihn gibt, oder er ist gar so vermessen die Überzeugung zu entwickeln er wäre überhaupt nur eine Erfindung von Träumern, doch wenn einer wirklich sein höchstes Potential entfalten will, dann muss er über den Bereich des Gewohnten, dessen, was „von dieser Welt“ ist, hinaus gehen und sich in den unbekannten Bereich des Göttlichen begeben. Obwohl es ein Sprung ins Unbekannte ist, so hat der einsichtige Mensch doch keine Angst, obwohl er nicht weiß, wohin die Reise geht, ist er doch zutiefst davon überzeugt, dass alles sich zum Guten für ihn findet, wenn er nur Vertrauen in Gott fassen kann. Der Glaube an Gott befreit den Menschen davon sich von den Umständen und den Meinungen der anderen abhängig zu machen. Sein Streben richtet sich nicht nach Anerkennung bei den Mitmenschen, sondern danach dem Schöpfer zu gefallen, das zu verwirklichen, was in seinem Innersten angelegt ist und wozu er geboren wurde. Früher hatte man dazu gesagt, dass jemand seiner Berufung folge. Künstler und sensible Menschen wissen noch heute, was damit gemeint ist. Anstatt sich mit anderen zu vergleichen und deren Erwartungen zu erfüllen, erfüllt ein solcher Mensch nur die Erwartungen Gottes. Im Ergebnis führt dieses Verhalten dazu, dass der Mensch das maximale Potenzial entfaltet und seinem Schöpfer gefällt, weil er dessen Gebote befolgt und „das Richtige“ anstatt das Wohlgefällige, das Angenehme oder das Profitable zu tun.

Im Leben geht es nicht darum zu tun, was sich gut anfühlt, wonach man sich fühlt, es geht auch nicht darum seinen Gedanken zu folgen, nicht einmal darum seine Wünsche zu erfüllen. Nein, was einzig und alleine zählt ist „das Richtige“ zu tun, auch wenn es sich schlecht anfühlt, auch wenn man partout nichts damit zu tun haben will. Das heißt Disziplin haben, rechtschaffen zu sein, dem Zeitgeist nicht zu folgen und „in der Welt, aber nicht von der Welt“ zu sein. Wer auf Gott vertraut, wer ihn in seinem Inneren sucht, der findet nicht nur ihn, sondern alles andere wird ihm dazu gegeben.

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