Wenn Historiker sich den vergangenen Zeiten zuwenden, um sie für die Gegenwart und die Zukunft möglichst genau und wahrheitsgetreu darzustellen und/oder ihren Kommentar dazu zu verfassen, so stellen sich ihnen gewisse Schwierigkeiten in den Weg. Eine dieser Umstände besteht darin an die nötigen Quellen zu gelangen. Aus vielen Epochen liegen uns nur wenige und bruchstückhafte Quellen vor. Die meisten Dinge, die als Hinweise dienen könnten, sind im Strudel der Zeit für immer verloren gegangen. Viele Sachen sind uns aber auch deshalb nicht zugänglich, weil schriftliche Aufzeichnungen seltener waren und oft die Augenzeugen nicht schreiben konnten oder das Bedürfnis der Nachwelt etwas zu hinterlassen nicht groß genug war. Medien wie Fotographie oder gar Film, sind erst in historisch jüngster Zeit aufgetaucht und unterliegen ebenso einem Verfallsprozess, wie alles Irdische.
Wenn nun aber der Historiker sich mit einem traditionellen Mangel an Quellen konfrontiert sah und sieht, wie wird es für zukünftige Geschichtswissenschaftler sein, die unsere Zeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden zu beschreiben haben? Mangel an Information, an Daten und Quellen werden sie nicht zu beklagen haben. Es sei denn eine globale Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes würde größte Teile der menschlichen Kultur und deren Aufzeichnungen vernichten. Abgesehen von diesem Fall wird der Historiker der Zukunft von Datenmaterial geradezu erdrückt werden. Mehr als die Informationsbeschaffung werden die Sichtung und Auswahl des Materials in den Vordergrund rücken. Wir erleben in unserer Zeit alle, dass die Menge an Daten unübersehbar geworden ist, dass es unmöglich ist sich alle Informationen zu einer bestimmten Sache zu besorgen. Aber wir haben immer noch die alte Mentalität uns möglichst viele Ressourcen zu sichern und sie festzuhalten, da diese traditionell gesehen stets knapp waren. So ist es auch mit der Information. Es wird immer noch versucht, auch wenn wir vernunftsgemäß es besser wissen, so viel als möglich an Material zu akquirieren. Natürlich kann das nicht zum Erfolg führen.
Die Aufgabe, die sich uns allen stellt ist die richtige Selektion der vorhandenen Daten. Wie können wir es schaffen möglichst schnell und unkompliziert genau an die Daten gelangen, die wir brauchen, ohne dabei das ungute Gefühl im Hinterkopf zu tragen, dass wir etwas Entscheidendes übersehen haben, weil wir an einer bestimmten Stelle den Informationsfluss abgebrochen haben, um nicht ewig mit einer Sache beschäftigt zu bleiben? Es ist nämlich zu erwarten, dass Kritik genau an diesem Punkt ansetzen wird. Immer wird es welche geben, die uns vorwerfen werden dieses oder jenes nicht bedacht zu haben, diese oder jene Information stiefmütterlich oder gar nicht behandelt zu haben. Es gibt wohl keine Möglichkeit dem zu entkommen. Und man soll es auch gar nicht versuchen.
Entscheidend ist der richtige Bewertungsmaßstab, der einem als Richtmaß dient, um gute von schlechter, passender von unpassender, wahrer von unwahrer Information zu unterscheiden. Aber nicht nur die Fachperson ist heute vor diese Aufgabe gestellt, nein auch der ganz normale Laie befindet sich in einer Position, Daten zu beurteilen, von denen er keine Ahnung hat, Quellen vor sich zu sehen, die er nicht zu beurteilen weiß. Das Paradebeispiel dafür bietet das Internet. Hier kann jeder seine eigenen Gedanken veröffentlichen und hat potenziell die ganze Welt als Publikum vor sich. Persönliche Meinungen werden in der Regel, bewusst oder unbewusst, als Fakten ausgegeben, nicht überprüfbare Behauptungen werden aufgestellt – natürlich mit dem Anspruch großer Zuverlässigkeit. Es tobt ein Kampf um unsere Gedanken, um unseren Geist! Die Menschen fühlen sich heute entfremdet und überbelastet. Und zu einem großen Teil geht dies auf die Menge an Daten zurück, die wir in das eigene Leben nicht integrieren können. Kinder haben immer mehr Schwierigkeiten sich auf eine Sache zu konzentrieren und intensiv zu arbeiten, dass so viele Dinge gleichzeitig um ihre Aufmerksamkeit buhlen. Dass daraus nicht nur bei der Jugend, sondern auch immer mehr in der ganzen Kultur das ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) um sich greift, ist kein Wunder. Die einzelnen Puzzlesteine lassen sich nicht sinnvoll in das Gesamtbild des Lebens einordnen. Es wird so getan, als ob Wahrheit relativ und subjektiv wäre. Das heißt aber die Wahrheit als solche abzuschaffen. Eine relative und persönliche Wahrheit ist gar keine Wahrheit, sondern eine bloße Meinung, eine Idee im Kopf, nicht einmal eine Erfahrung!
Hier liegt eine der großen Aufgaben der Zukunft: Selbsterkenntnis jedes einzelnen; Entwicklung eines unabhängigen Geistes; Abgrenzung gegen die anderen und die Welt (die ständig versucht die eigene Position zu Fall zu bringen); Akzeptanz des grundlegenden Kriegszustandes auf der Welt (vor allem der Krieg des Geistes) und die Fähigkeit messerscharfe Urteile zu fällen und dieses gegen jeden Widerstand erfolgreich zu verteidigen – auch wenn man der einzige Mensch auf der Welt sein sollte, der eine bestimme Ansicht hegt! Individualität ist Pflicht, blinder Konformismus die größte Schande!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen